Ihr Lieben,
eine liebe treue Leserin des ESELSKIND-Blogs hat mich gebeten, die folgende Geschichte heute Nachmittag zu erzählen. Diesem Wünsche komme ich gerne nach:
„Das Rennen“
„Hör auf! Gib auf! Du bist eh geschlagen!“, schrien sie und versuchten mich davon zu überzeugen. „Es gibt einfach zu viel, das gegen Dich spricht. Diesmal kannst Du nicht erfolgreich sein.“
Und als ich meinen Kopf mit aufgebendem Blick hängen ließ, musste ich mich doch an ein Rennen erinnern, das ich als Kind erlebte. Wenn ich daran denke, strahlt wieder Hoffnung in meine geschwächte Willenskraft.
Mit dem Gedanken an dieses kleine Rennen fühle ich mich gleich wieder jünger.
Ich erinnere mich, als ich bei einem Rennen mit ein paar Jungen zusah.
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Alle waren aufgeregt und hatten auch Angst, als sie sich mit den anderen Teilnehmern in einer Reihe aufstellten. Sie stellten sich alle voller Hoffnung in der Reihe auf, jeder dachte, er würde das Rennen gewinnen. Sie wollten alle als erster oder wenigstens als 2. durch das Ziel laufen. Und die Väter saßen an der Seite und schauten dem Rennen zu. Jeder jubelte für den eigenen Sohn.Und die Söhne hofften, ihren Vätern stolz ihren Erfolg zeigen zu können.
Da ertönte die Startpfeife, und alle rannten los, als wären sie von einer Hornisse gestochen worden.
Alle hatten nur den Wunsch, das Rennen zu gewinnen und der Held zu sein.
Und ein Junge, dessen Vater auch in dem Menge saß, rannte an die Spitze und dachte:
Mein Vater wird so stolz auf mich sein.“
Aber als er über den Platz rannte, quer über eine kleine Mulde, stolperte der kleine Junge, der eigentlich gewinnen wollte. Als er versuchte, sich mit seinen Händen aufzufangen, verlor er die Balance, und unter dem Gelächter der Menge fiel er flach auf sein Gesicht. So fiel er hin und mit ihm fiel auch die Hoffnung, das Rennen gewinnen zu können.
Beschämt und traurig wünschte er nur noch, irgendwie sich in Luft aufzulösen. Aber als er fiel, stand sein Vater auf und zeigte ihm sein besorgtes Gesicht, das seinem Jungen so klar sagte:
Steh auf und gewinne das Rennen.
So stand der Junge wieder auf. Es war ihm nichts passiert, außer dass er etwas den anderen hinterher war. Und er rannte mit allen Leibeskräften, um seinen Fall wieder aufzuholen.
Er war so bange, das wiedergutzumachen, aufzuholen und zu gewinnen, dass sein Kopf schneller lief als seine Beine: Und so stolperte er und fiel wieder hin. Hätte er doch nur beim ersten Sturz aufgegeben, dann wäre es nur eine Blamage geblieben, so dachte er. Ich bin jetzt ein hoffnungsloser Läufer. Ich sollte keine Rennen versuchen.“
Aber er suchte in der lachenden Menge und fand das Gesicht seines Vaters, das wieder mit festem Blick sagte: „Steh auf und gewinne das Rennen.“ So sprang er wieder auf und wollte gewinnen, obwohl er 10 Meter hinter den anderen lag. Er dachte sich: „Wenn ich diese Meter aufholen möchte, muss ich wirklich schnell laufen.“ Es gelang ihm außergewöhnlich, 8 oder 9 Meter aufzuholen.
Aber als er so angestrengt versuchte, die Führung zu übernehmen, stolperte er und fiel erneut. Welche Niederlage. Er lag ruhig auf dem Boden; Tränen liefen ihm hinunter. „Es macht keinen Sinn weiter zu rennen. Drei Stürze, ich bin draußen, warum sollte ich es noch versuchen?“ Der Wille zu gewinnen war verschwunden, alle Hoffnung war verflogen. Er war so weit abgeschlagen, von Fehlschlägen gekennzeichnet. „Ich habe verloren, so was soll das alles? Ich werde mit meiner Blamage leben müssen.“
Doch dann dachte er an seinen Vater, dem er bald gegenüber stehen würde. „Steh auf“ hörte er leise ein Echo rufen. „Steh auf und geh an deinen Platz! Du bist hier nicht zum Versagen bestimmt, steh` auf und gewinn das Rennen!“
Mit geliehener Willenskraft sagte er: „Steh auf. Du hast noch nicht verloren. Denn Gewinnen bedeutet nicht mehr als das: Aufstehen - jedes Mal wenn man fällt!“
So stand er ein weiteres Mal auf und versuchte es mit neuer Verpflichtung, egal ob er gewinnen oder verlieren würde – wenigstens würde er nicht aufgegeben haben. Er war so weit hinter den anderen wie nie zuvor. Und trotzdem gab er alles, was er hatte, so als ob er gewinnen wollte. Als der Erste durch die Ziellinie lief, applaudierte die Menge.
Er lief erhobenen Hauptes, stolz und glücklich – ohne einen Sturz, ohne eine Blamage – durch das Ziel. Aber als der Gefallene als Letzter über die Ziellinie lief, jubelte die Menge noch mehr, weil er das Rennen beendet hatte.
Und obwohl er mit hängendem Kopf gedemütigt gelaufen kam, hätte man gedacht, dass er gewonnen hätte, wenn man der Menge zuhörte. Zu seinem Vater sagte er traurig: „Ich war nicht so gut.“ Doch sein Vater sagte: „Für mich hast du gewonnen, denn du bist jedes Mal wieder aufgestanden, wenn du gefallen warst.“
Und wenn jetzt die Umstände dunkel, hart und schwierig erscheinen, hilft mir die Erinnerung an diesen Jungen in meinem Rennen. Denn unser ganzes Leben ist wie ein Rennen, mit Hochs und Tiefs und allem drum und dran.
Und alles, was man tun muss, um dieses Rennen zu gewinnen, ist aufzustehen, jedes Mal wenn man hinfällt. „Gib auf! Du bist geschlagen“ schreien sie immer noch in mein Gesicht, aber eine andere Stimme in mir sagt: „Steh auf und gewinne das Rennen!“
Ihr Lieben,
immer wieder bekomme ich von lieben Blogleserinnen und Bloglesern Nachrichten und E-Mails, in denen ich gefragt werde: „Werner, Du sprichst immer davon, dass wir niemals aufgeben sollen. Das ist sicher richtig und von Dir auch gut gemeint, aber wie sieht das „Nicht-Aufgeben“ ganz konkret aus?
Jeder von Euch, der Mutter, Vater, Großmutter, Großvater, Tante oder Onkel ist, weiß, wie das ist, wenn ein kleines Kind beim Spielen hinfällt, mit dem Fahrrad stürzt, oder das Gleichgewicht verliert.
Ich habe viele dieser kleinen Unfälle bei meinen Söhnen erlebt.
Und wenn es dann geschah, bis ich zu ihnen hingelaufen, habe sie getröstet und gegebenenfalls die Wunder versorgt. Nur eines hätte ich nie akzeptiert:
Dass meine Söhne, nachdem sie hingefallen sind, einfach liegengeblieben wären.
Alle Eltern, alle Großeltern handeln so, unsere Kinder und Enkelkinder können hinfallen, aber wir gestatten ihnen nicht, liegenzubleiben. Und, wie ich gestern schon schrieb, schon die kleinen Babys lernen beim Laufenlernen, immer wieder aufzustehen, wenn sie hingefallen sind.
Dieses tiefe Geheimnis der Kinder haben wir Erwachsene vergessen:
Für die Kinder gibt es das Liegenbleiben nicht, sie stehen immer wieder auf.Deshalb ist es auch ganz einfach, zu erklären, was „Niemals aufgeben“ ganz konkret ist.
Wenn es uns gut geht, wenn wir voller Kraft auf unserer Lebensbahn voranschreiten, wenn „alles glatt läuft“, wie man so schön sagt, dann braucht man den Zuruf „Gib niemals auf!“ nicht.
Dieser Zuruf ist dann wichtig, wenn es uns nicht gut geht, wenn unsere Kraft in uns schwach geworden ist, wenn wir zusammengebrochen oder hingefallen sind.
„Gib niemals auf!“ – das bedeutet ganz konkret,
jedes Mal, wenn wir hingefallen sind, wieder aufzustehen.
Hinfallen können wir nicht nur körperlich, hinfallen können wir auch geistig.Geistig sind wir dann hingefallen, wenn wir uns selbst zurufen: „Das schaff ich ohnehin nicht!“, „Ich bin ein Versager“, „Das habe ich ja gleich geahnt, dass ich das nicht schaffe!“
Jedes Mal, wenn wir solche Gedanken äußern, sind wir gedanklich hingefallen.Dann ist es wichtig, nicht liegen zu bleiben, sondern wieder aufzustehen, zu sich selbst zu sagen:
„Ich gebe niemals auf!, „Ich gehe auf meinem Weg weiter und mache aus meinen Möglichkeiten das Beste!“
Ebenso wichtig ist es, dass wir nicht auf die Entmutiger hören, die uns den Mut aussaugen wollen, die uns die Hoffnung nehmen und unser Leben verfinstern wollen.
Noch nie ist jemand mutiger geworden, weil er auf die Entmutiger gehört hat.
Also hört auf, auf sie zu hören!
Viel wichtiger ist, dass wir Menschen haben,
die uns Mut machen und denen wir Mut machen.
Unsere Geschichte zeigt das auf eine wunderbare Weise.
Der Vater ist auf seinen Sohn stolz, weil er jedes Mal,
wenn er hingefallen ist, wieder aufgestanden ist.
Ihr Lieben,
wir sollten es zu unserer zweiten Natur werden lassen:
Jedes Mal, wenn wir hinfallen, wollen wir wieder aufstehen!
Ich wünsche Euch einen mutigen, zuversichtlichen und dynamischen Nachmittag und grüße Euch herzlich aus Bremen
Euer heiterer Werner
Quelle: Karin Heringshausen
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