"Dankbarkeit ist das Gedächtnis des Herzens.“
Jean-Baptiste Massillon
Ihr Lieben,
ich möchte Euch heute ein Märchen eines unbekannten Autors erzählen:
"Es ist nicht leicht, ein Engel zu sein"
"Vor langer Zeit lebte ein Mädchen. Das junge Mädchen weinte. Es hatte nichts mehr, alles verloren. Nichts, außer den Fetzen, die es am Leibe trug, der goldenen Kette mit dem Kreuz von ihrer Mutter und zwei lausigen Groschen. Und es war allein. Sein Vater war an dem Steinstaub aus den Schächten lungenkrank geworden und war daran gestorben, seine Mutter war an Tuberkulose elendig krepiert. Wer würde jetzt noch für sie sorgen? Sie konnte nicht selber arbeiten. Wer wäre so gütig, eine Waise bei sich aufzunehmen?
Traurig setzte sich das kleine Mädchen an den Straßenrand. Nichts wert. Sie war nichts wert in den Augen der Menschen.
Sein Blick fiel auf den Kirchturm, der verrußt zwischen den Dämpfen der Fabriken hervorlugte. Vielleicht gab es doch jemanden, in dessen Augen sie was wert war. Vielleicht würde sie jemand bei sich aufnehmen! Jemand, der jeden bei sich aufnimmt, der jedem hilft. Zumindest hatte sie vor langer Zeit ihre Mutter über ihn reden hören. Der liebe Gott würde ihr helfen, denn er war gütig und gut.
So ging das Mädchen mit Hoffnung im Herzen und frohen Mutes hinaus in die Welt.
Auf ihrem Weg begegnete ihr ein alter Mann, der von dem Eisenstaub in der Fabriken erblindet war.
„Ich habe solchen Hunger“, krächzte der Alte. Da nahm das Mädchen seine beiden Groschen, kaufte einen Laib Brot und gab ihn dem Greis.
„Du musst wahrlich ein Engel sein!“, brachte der Alte kauend hervor, „Gott segne dich.“
Glücklich zog das Mädchen weiter. Da kam ein kleines Kind, dessen Hände von der Arbeit an den Webstühlen ganz wund und voller Schwielen waren. Das Mädchen nahm seine zerfledderten Handschuhe heraus und gab sie dem Kind.
„Du musst ein Engel sein!“, sagte das Kind und umarmte das Mädchen. „Gott segne dich.“
Die Hoffnung im Herzen des Mädchens wuchs und wuchs, als es einen Jungen am Straßenrand sah, der bitter weinte. Seine Mutter war sehr krank und der Junge konnte sich weder Arzt noch Medizin leisten. Da überlegte das Mädchen, griff unter ihr Hemd und holte die goldene Kette mit dem Kreuz hervor. Diese gab sie dem Jungen.
„Ehrlich?“, fragte der Junge mit großen Augen. Das Mädchen nickte. Da beugte sich der Junge vor und gab ihr einen Kuss auf die Wange. „Du musst ein Engel sein!“, sagte er mit Freudentränen in den Augen. „Gott segne dich.“
Wieder ging das Mädchen weiter und vertraute auf den lieben Gott. Da fand sie eine junge Frau, die zusammen gekauert am Straßenrand lag und zwanghaft versuchte, ihre Scham zu bedecken. Da hatte das gute Mädchen Mitleid und schenkte der Frau ihr Hemd.
„Du bist ein Engel!“, stieß die Frau hervor. „Gott segne dich.“
So ging das Mädchen hinaus auf das letzte Feld der Stadt, zwar nackt, aber glücklich, kniete nieder und betete zum lieben Gott. Da fielen plötzlich die Sterne vom Himmel, doch als das Mädchen sie fangen wollte, zerfielen sie zu Asche.
Da weinte das Mädchen bitterlich, bevor es sich auf das Feld legte und sanft in den Schlaf fiel. Kurz darauf holte sich die Kälte ein weiteres Opfer.
Und doch meinten in dieser Nacht ein Kind, ein Junge samt Mutter, eine Frau und sogar ein Blinder ein Licht vom Feld gen Himmel steigen zu sehen."
Ihr Lieben,
mich erinnert dieses Märchen an das Märchen vom Sterntaler, nur das dieses Märchen, - rein menschlich gesehen -, nicht gut ausgeht.
Ich habe dieses Märchen heute Morgen ausgewählt, um Euch zur Dankbarkeit anzuregen.Täglich höre ich Menschen, die sich beklagen:Wenn in der Bäckerei eine der 20 Brötchensorten fehlt, beklagen sich die Menschen.Wenn die Menschen beim Doktor längere Zeit auf eine Behandlung warten müssen, beklagen sie sich.
Dies sind nur zwei Beispiele unter sehr vielen möglichen. Ich denke, dass wir des Öfteren dieses Märchen lesen sollten, das die Lebenswirklichkeit vor etwa 150 Jahren widerspiegelt. Das war für viele Menschen eine so arme Zeit, dass sie nichts zu essen und trinken hatten, sich einen Doktorbesuch gar nicht leisten konnten.
Ja selbst Kleidung war Mangelware, lediglich Lumpen standen als Kleidungsstücke zur Verfügung.
Besonders leid in diesem Mädchen tut mir aber das kleine Mädchen. Sie hat von dem Wenigen, das sie besaß, alles weggegeben, um anderen Menschen zu helfen. Und anders als beim Sterntaler endet ihr irdisches Leben nicht in einem Goldregen.
Für mich ist das ein Aufruf und eine Motivation, mich dafür einzusetzen, damit Kinder mehr geschützt werden, damit Kinder in dieser Welt weniger hungern müssen.
Kinder brauchen unsere Hilfe, unseren Schutz, unsere Zuwendung, unsere Liebe.
Es darf nicht sein, dass die Kinder, wie das vielfach auf dieser Welt noch geschieht, ihre kleinen Kräfte für das Gewinnstreben Erwachsener einsetzen müssen.Ihr Lieben,lasst uns gemeinsam dankbar sein dafür, wie gut es uns geht und lasst uns in unserer Dankbarkeit das, was wir haben, teilen mit denen, die gar nichts haben, die sich sehnen nach einem Stück Brot, nach Kleidung, nach Bildung, nach Zuwendung, nach Hoffnung.
Ich wünsche Euch heute einen nachdenklichen und besinnlichen Tag und grüße Euch ganz herzlich aus dem regnerischen Bremen
Euer Werner mit Sonne im HerzenDas Foto wurde von Karin Heringshausen zur Verfügung gestellt