Es ist nicht die Hölle, nur die Zukunft

Erstellt am 29. November 2011 von Newssquared @Oliver_schreibt

Es ist nicht die Hölle, nur die Zukunft

Der Meeresspiegel ist gestiegen, der Lebensraum knapper geworden. Und dort, wo Menschen noch siedeln können, machen Umweltverschmutzung und Rohstoffknappheit die Existenz schwer. Auf den ersten Blick scheint Ubisofts neues Aufbaustrategiespiel Anno 2070 ein düsteres Bild der menschlichen Zukunft zu zeichnen. Doch mit Fingerzeig und Gesellschaftskritik hat das Spiel wenig zu tun, ließ Produktmanagerin Miriam Gretenkort news.de bereits in einem früheren Interview wissen.

Trotzdem kommt der Spieler an diesem Fingerzeig nicht ganz vorbei. Sorgen atomare und Luftverschmutzung doch dafür, dass Produktionsgebäude weniger Leistung bringen und die Städte neue Stufen gar nicht erst erreichen, wenn die Ökobilanz nicht mit Nachdruck verbessert wird. Wer seine Spielstrategie daran nicht schon früh anpasst, wird später viel Zeit damit verbringen, seine Siedlungen von Grund auf neu zu bauen.

In Ubisofts Anno-Serie ist Anno 2070 ein Wendepunkt. Nicht nur, weil es den Sprung von der Vergangenheit in die Zukunft wagt, Autos fliegen lässt und Nahrungsmittel aus der Tiefsee fördert. Erstmals hat der Spieler auch die Chance, in die Rollen zweier Fraktionen zu schlüpfen. Da sind zunächst die Tycoons. Industriell geprägt und auf Effizienz bedacht, nutzen sie jede Technologie, um rar gewordene Bodenschätze zu verwerten. Die Ecos hingegen nehmen den Wandel ihrer Welt wahr und setzen auf Nachhaltigkeit.

Von Inkonsequenzen und Konsequenzen

Zwar könnten geübte Anno-Spieler ohne Probleme bereits zum Spielstart in den Endlosmodus einsteigen. Doch ein Blick in die Kampagne lohnt sich durchaus. Wenn auch nur, um die Persönlichkeit der Gruppen zu erschließen, die das Entwicklerstudio Blue Byte seinem jüngsten Spiel angedeihen ließ. Und um schnell mit den Techs in Berührung zu kommen, der dritten – allerdings nicht spielbaren – Fraktion im Spiel, die innovative Technologien verwendet und dank Tiefseefarmen dafür sorgt, dass die Menschheit nicht verhungert.

Die Story der dreiteiligen Kampagne ist stringent erzählt. An vielen Stellen bleibt sie jedoch inkonsequent im Bezug auf die Eigenheiten der Fraktionen. So können beispielsweise die naturverbundenen Ecos weder Bäume pflanzen noch betreiben sie Recycling. Und auf den Raubbau bei Kohle und Erzen können sie ebenfalls nicht verzichten. Die Tycoons sprechen leere Drohungen aus, wenn der Spieler den ökologischen Weg einschlägt. Im Ernstfall lassen sie sich aber doch viel zu leicht überzeugen, dem Spieler im Kampf gegen zerstörerische Kräfte zu helfen.

Zum Teil deutlich zu stupide sind die einzelnen Aufträge, die erfüllt werden müssen: Transportmissionen von A nach B sind gerade zu Beginn des Spiels ermüdend unkreativ. Obendrein funktionieren einige der Aufgaben nicht reibungslos. So mussten im Test einige Stationen per Schiff immer wieder kontaktiert werden, bevor sich die Künstliche Intelligenz überzeugen ließ, den Abschluss der Aufgabe anzunehmen.

Balanceakt oder Mischmasch

Insgesamt ist die Kampagne ohnehin aber nicht mehr als ein einziges großes Tutorial. Zudem eines, das recht schleppend vorankommt. Der wesentliche Vorteil dabei ist, dass der Spieler am Ende die etwas umständlichen Baumenüs wirklich verinnerlicht hat. Wer nämlich ein Kohlebergwerk anlegen will, sollte im Menü danach lieber nicht suchen. Das entsprechende Gebäude findet sich nämlich nur unter den Icons für mögliche Endprodukte – zum Beispiel Stahlrohre. Derlei Denkumwege machen die Handhabung bisweilen etwas umständlich.

Deutlich mehr Freiheiten erlebt der Spieler im Endlosspiel und in den Szenarien. Fans der Serie kommen in diesen Varianten eher auf ihre Kosten. Denn erst hier zeigt sich die Komplexität des Spiels. Die Balance zwischen Bevölkerungswachstum, Fortschritt und Ökobilanz zu halten, gerät erst in diesen Optionen zur wahren Herausforderung.

Hier kommt dann auch das dynamische Spieldesign zur vollen Wirkung. Wer eine Fabrik an die andere reiht, wird schnell statt sattem Laubgrün nur noch eine trostlos braune Landschaft sehen. Und auch der Energiebedarf erreicht hier seinen Höhepunkt. Denn mal eben ein Windrad neben das nächste zu stellen, bringt nur in Bruchteilen eine bessere Versorgung. Wer klug herangeht, nutzt von beiden Fraktionen das beste und mischt das Ganze noch mit den Errungenschaften der Techs.

Abgerundet wird die Entwicklung im Spiel vom üblichen Handel zwischen den Fraktionen. Aber auch der Diplomatie soll Genüge getan werden. Doch diesmal geht es um mehr als die üblichen Bedrohungen nach dem Motto «Wenn du mir kein Gold gibst, mäh ich dich nieder». Stattdessen ist – ganz modern – Lobbyismus gefragt, der bisweilen nur funktioniert, wenn der Vorrat an Bargeld entsprechend ausreicht.

Grafisch gehört Anno 2070 zu den besten Spielen, die im Genre der Simulationen derzeit zu haben sind. Die Designs der Gebäude und Landschaften sind durchdacht, die Umsetzung ist detailreich und auch bei naher Betrachtung sehr angenehm. Die Krönung ist aber die Musik. Unterschiedliche Kompositionen in verschiedenen Spielbereichen lassen die klangliche Untermalung nie langweilig werden. Selbst wer keine klassische Musik mag, wird seine Freude an den orchestralen wie stimmlichen Arrangements haben. Wunderbar.

Fazit. Anno 2070 ist so komplex, dass selbst erfahrene Spiele wochenlang ihren Spaß an dem Aufbaustrategiespiel haben werden. Und das nicht zuletzt deshalb, weil sich das Spiel aus zwei unterschiedlichen Perspektiven spielen lässt. Doch der Spaß hat seine Schattenseite: So groß sind die Unterschiede zwischen Ecos und Tycoons nicht, die Grundbedürfnisse ähneln sich stark und differenzieren sich erst später. Eingefleischte Kampagnenspieler werden sich letztlich wünschen, dass die Entwickler noch etwas mehr erzählerische Feinheit und Bedürfnisgestaltung an den Tag gelegt hätten, sodass die zentrale Geschichte bessere Spannungsbögen vorweist. Doch Szenarien und Endlosmodus mildern die Enttäuschung.

Titel: Anno 2070
Genre: Aufbaustrategie
Publisher: Ubisoft
Entwickler: Blue Byte
Preis: zirka 40 Euro
Sprache: Deutsch
USK: freigegeben ab 6 Jahre
Altersempfehlung der Redaktion:  ab 10 Jahre
Plattform: PC
Veröffentlichungsdatum: November 2011
Weiterspielen: Anno 1404 (PC), Civilization V (Nintendo DS)

Quelle:
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«Anno 2070» – Es ist nicht die Hölle, nur die Zukunft

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Tags: Anno 2070, Interview, lebensraum, Miriam Gretenkort, Nintendo DS, technologien, tycoons, Ubisoft

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