Wenn sich die ersten drei Episoden von Gilmore Girls: Ein neues Jahr wie ein Catwalk an Gastauftritten angefühlt hat, bei dem immer wieder ein Häppchen Handlung zu finden war, so scheint Amy Sherman-Palladino (Erfinderin der Serie, alleinige Autorin dieser Episode) in “Herbst” genau das zu erzählen, was sie die ganze Zeit erzählen wollte. Hier werden Stories auf den Punkt gebracht, hier finden wir die typische Kombination aus Witz und Drama, die auch die Serie Gilmore Girls ausgemacht hat.
Wir starten mit Lorelais Trip auf dem Pacific Crest Trail in die “Herbst”-Folge, wo sie sich nach und nach mit den “Wild”-Buchliebhabern anfreundet, nicht aber mit der Natur. Am Ende ist es dann ein geschlossenes Cafe und das sie eben keinen Kaffee bekommt, was sie ihre Probleme endlich erkennen und auf den Punkt bringen lässt. Für Lorelai fühlt sich alles nach Stillstand an. Wo Rory so undefiniert nach einer Zukunft Ausschau hält und Luke sich schon niedergelassen hat, findet sich Lorelai irgendwo dazwischen. Sie fühlt sich gut dort wo sie ist, möchte aber noch ein paar Einstellungen an dem Status Quo vornehmen.
Mittendrin gibt es ein wunderbares Telefonat zwischen Lorelai und Emily, in dem die Tochter der Mutter nun endlich eine dieser schönen Richard-Erinnerungen erzählen kann. Emily strahlt überglücklich, Lorelai fällt ein Stein vom Herzen, wir sitzen mit Tränen vor den Augen daneben und denken lächelnd noch einmal an Edward Herrmanns Richard Gilmore, der sich durch jede Folge als starke Präsenz gespielt hat, ohne körperlich anwesend zu sein.
Lorelai auf dem Pacific Crest Trail, ganz wie in „Wild“, dem Buch, nicht dem Film!
Gleich nach diesem Gespräch bricht Lorelai ihre Reise ab, fliegt zurück nach Stars Hollow und konfrontiert Luke. Dieser glaubt, sie will sich nun trennen, aber die Zuschauer verdienen doch nun endlich die lang ersehnte Hochzeit, die wir in der Serie nie bekommen haben. Rory fragt derweil Logan, ob seine Hochzeit mit seiner Verlobten Odette wirklich noch passieren soll. Er bestätigt, dass alles nach Plan ablaufen wird. Da hilft auch kein mysteriös-skurriler Auftritt der Life & Death Brigade, der surreal cool ist, aber Logan immer noch nicht in einem besseren Licht erscheinen lässt.
Dürfen wir uns nun endlich auf eine Rory + Jess Geschichte freuen? Jess ist jedenfalls noch kurz in der Stadt, führt ein wunderbares Mann-zu-Mann Gespräch mit Luke, das ein weiteres Highlight der Folge darstellt. Nicht weil es witzig wäre. Nicht weil es traurig ist. Sondern einfach weil es ein ehrliches Miteinander darstellt, bei dem beide Darsteller ohne die Gilmore Girls auskommen.
Bei Rory hat Jess auch Eindruck hinterlassen. Sie setzt sich in das Haus ihrer Großeltern und schreibt die ersten drei Kapitel ihres Buches in Rekordzeit. Hier darf sich Rory nun endlich auch an ihren Großvater erinnern. Edward Herrmann wird aus alten Zeiten in die Szenen hinein gesetzt und so bekommen wir ihn doch noch einmal in den Erinnerungen Rorys zu sehen, wenn sie durch die Räume des Anwesens geht. Das Haus ist später auch nur noch eine Erinnerung. Emily Gilmore verkauft und verlässt diesen Ort, an dem sie nichts mehr bindet, jetzt wo Richard nicht mehr an ihrer Seite ist. Sie kauft sich ein altes Urlaubs-Domizil und lebt dort ein recht lockeres, total Emily untypisches Witwen-Leben.
Rory verabschiedet sich von ihrem Großvater, Richard Gilmore
Rory zeigt die geschriebenen Kapitel ihres Buches Lorelai, die es nicht lesen will, aber zustimmt, dass dieses Buch geschrieben werden sollte. Ihr einziger Einwand: Der von Rory gewählte Titel “The Gilmore Girls” sollte gekürzt werden. Rorys Geschichte von Mutter und Tochter soll “Gilmore Girls” heißen. Wieder verkneift man sich eine kleine, schöne Träne.
Und dann fließen die Freudentränen des Wiedersehens im Dauertakt, da sich Gilmore Girls: Ein neues Jahr die besten Momente für das Ende aufbewahrt hat. Rory besucht noch einmal ihren Vater Christopher (David Sutcliffe) und Lorelai wird von einem Meer von Hochzeitstorten in der Küche des Dragonfly Inn überrascht, die Sookie (Melissa McCarthy) für sie gebacken hat. Es gibt noch einen wunderschön-kleinen, schnell zu übersehenden Rory/Jess-Moment, der Jess am Ende verliebt auf Rory zurückblicken lässt. Selbst Dean (Jared Padalecki) taucht noch einmal auf und wird von Rory als Boyfriend-Material in den Himmel gelobt. Am Ende macht auch Gilmore Girls: Ein neues Jahr keine klare Aussage, wer der beste Freund für Rory wäre. An dieser Stelle könnten alle drei zu ihr zurückkehren. Nur Paul (Jack Carpenter) nicht. Habt ihr ihn schon vergessen? Alle anderen auch. Aber er macht nun endlich mit Rory Schluss, nachdem sie es immer und immer wieder vergessen hat.
Und das Ende? Lorelai fragt Emily nach Geld, um das Dragonfly nun endlich auszubauen. Natürlich gebunden an eine Abmachung: Luke und Lorelai müssen Emily regelmäßig in ihrem neuen Zuhause besuchen. Es wird freudig zugestimmt und ausgelassen gefeiert. Die Hochzeit von Luke und Lorelai ist wunderschön, verträumt, nicht von dieser Welt. Hier möchte man selbst durch Stars Hollow schreiten um dieses Erlebnis für sich selbst zu beanspruchen. Nur zwei Dinge: Zuvor wollte Luke unbedingt seinen “alten Kumpel” Kiefer Sutherland zur Hochzeit einladen, den wir allerdings nie zu sehen bekommen. Wozu überhaupt einen solchen Namen ansprechen, wenn in der Folge dann kein Bezug mehr genommen wird? Und wenn Sookie in der Stadt ist und sich ohnehin im Torten-Wahn befinden, weshalb ist dann Michel bei der Hochzeit anwesend, sie aber nicht? Es entsteht tatsächlich der fade Beigeschmack von: bei der Hochzeit sind die Menschen anwesend, die zu den Dreharbeiten noch zur Verfügung standen.
Am Ende starten die drei Gilmore Girls in ein neues Leben. Emily Gilmore wird von der Ehefrau zur Witwe. Lorelai Gilmore wird von der alleinerziehenden Mutter zur Ehefrau. Und Rory wird von der Karriere-Tochter zur – und da kommen die letzten vier Worte der Serie ins Spiel, die nicht verraten werden sollen. Was aus Rory wird, ist der Cliffhanger, der die Serie abschließen soll. Zugegeben, war das Ende der siebten Staffel Gilmore Girls besser gewählt. Es fühlte sich richtig an. Das Ende von Gilmore Girls: Ein neues Jahr ist gut. Es funktioniert. Aber es kommt nicht an das ursprüngliche Serienende heran. Natürlich gilt dies nur, sollte dieses Ende ein tatsächliches Ende sein. Aber man wird das Gefühl nicht los, dass die Geschichte der Gilmore Girls noch nicht zu Ende erzählt ist.
Review zu Gilmore Girls – Ein neues Jahr: Folge 1: Winter
Review zu Gilmore Girls – Ein neues Jahr: Folge 2: Frühling
Review zu Gilmore Girls – Ein neues Jahr: Folge 3: Sommer