Es ist 7 Uhr 20, und der Ehemann wirft mich vom Sofa.

Von Berit Andersen

Warum? frage ich mich. Einschulung!! ruft mich die Erinnerung wach.

Ich habe noch 10 Minuten Zeit, mich anzuziehen und an meine Siebensachen zu denken.

Die Frisur sitzt schief, ich male mir die grauen Augenbrauen im Auto bunt. Schuhe muss ich halt auf dem Parkplatz anziehen, wie gut, dass der Ehemann noch daran dachte, welche mitzunehmen. Hätte ich mir die Fußnägel gar nicht lackieren müssen.

Gegenüber der Schule finde ich einen Busch,

hinter dem mich fast keiner sieht und binde mir den bunten Wickelrock über die Hose.

Die Knaben-Oma ist pünktlich und fragt das angehende Schulkind als erstes, warum es nicht die neuen Sandalen anhat. Ich hauche ein “Oooom” in die Sommerhitze und täusche ein Gespräch mit einer Bekannten vor. Weiß ja keiner, dass die mich jetzt erst kennenlernt.

Das angehende Schulkind bekommt plötzlich Lampenfieber

und weigert sich, in der ersten Reihe zu sitzen. Als einer von zweien. Es ist auch das einzige Kind, das sich weigert, sich zum Erklässler-Sammelplatz zu begeben, und ich bin die einzige Mutter, die mit durch das Rosenspalier der großen Kinder krabbelt und jetzt auf den Einschulungsvideos von 24 Familien zu bewundern ist. Ooooom.

Im Klassenzimmer verspreche ich dem Kind einen Schokokuchen und darf mit den übrigenFamilienmitgliedern auf dem Schulhof warten. Sohni versucht sein bestes, sich den Hals zu brechen, aber wir überstehen die erste Schulstunde, vielleicht auch Dank des Kuchenbuffets.

Dafür nehme ich nach der ersten Schulstunde ein weinendes Kind in Empfang. Der Grund der Tränen lässt sich nach Kuscheln und Aufdemschoßsitzen erfolgreich ermitteln: Die von der Lhrerin dargereichten Muffins hatten eine Kirsche auf dem Kopf und waren deshalb nicht verzehrbar!!! Das geht doch nicht!!!

Maxe ist untröstlich, bis ich an den Schokokuchen erinnere. Das klappt immer.

Danach ziehen wir in die Kirche um: Der Schulgottesdienst wartet.

Potzblitz! Neben dem katholischen Pfarrer (schwarz in weißer Robe) steht ein evangelischer Pfarrer (weiß in schwarzer Robe), und sogar das Worte “Allah” und “alle muslimischen Kinder sind willkommen!” fallen. Der schwarze Pfarrer in weiß benutzt die Worte “wundervoll” und “toll” inflationär, aber dermaßen inbrünstig, dass wir uns alle glücklich fühlen und fast ein bisschen traurig sind, als die Messe endet.

Die Erwachsenen und die Zwillinge pilgern zur Boulangerie und warten dort bei Kaffee und Baguette auf das große Schulkind, das noch die vierte Stunde absolvieren muss.

Danach geht es zur Pizzeria.

Wir probieren alle Wespentricks aus, die mir einfallen, der Mann der Oma gewinnt:

Er ertränkt sieben Wespen im Bierglas, schüttelt sie dort durch, bis sie sich nicht mehr rühren und fuddelt sie dann mit einer Gabel wieder aus dem Glas.

Wir finden das ein bisschen eklig, es sorgt aber für Abwechslung, während wir auf die bestellten Pizzen warten.

Als das Essen kommt, schmollt das Schulkind.

Es habe eine Spinatpizza gewollt und weigert sich nun, die Margarita zu essen. Ich wette tausend Taler, dass es den Spinat auf der eilig nachbestellten Pizza nicht essen wird und staune Bauklötze, als es sich doch eine Gabel Spinat, den es sich vorher von der Pizza gekratzt hat, in den Mund schiebt: “Ich esse das getrennt, Mama!”

15 Sekunden später wissen wir, wie durchgekaute, ausgespuckte Spinatfäden aussehen:

Das Ergebnis befindet sich im inzwischen gelehrten Cola-Glas. Ich decke schamvoll eine weiße Stoffserviette darüber.

Es ist der heißeste Tag des Jahres. Wir beschließen, das Schwimmbad aufsuchen.

Auf dem Weg dorthin erstehe ich einen Topf Basilikum. Das soll gegen Wespen helfen.

Das Basilikum steht brav in der Mitte unseres Schwimmbadlagers und zieht alle Wespen Mittel-Europas an.

Dann erlebt das angehende Schulkind einen weiteren Höhepunkt an diesem Tag:

Es entdeckt bei einem Tauchgang im Spiel- und Spaßbecken einen ausgefallenen Zahn. Halleluja! Wem bisher nicht schlecht war, der darf jetzt mal gucken!

Auf dem Heimweg stellt sich heraus, dass die angekündigten Hausaufgaben des Drittklässlers und des Erstklässlers ein wenig umfangreicher sind als vermutet, doch wir schaffen alles. Maxe soll seinen Schultüteninhalt zeichnend und er macht es sehr gut, nachdem der beste Ehemann von allen seinen Schulranzen aus dem Oma-Auto zurückerobert hat, das inzwischen wieder auf dem Camping-Platz steht.

Maxe zeichnet ein großes rotes Viereck (die Chipstüte), ein kleines rotes Viereck (5er Pack Kinderschoko-Riegel), vier noch kleinere Vierecke (4x Mini-Haribo-Tüten), einen kleinen Kreis (Flummi), einen großen Kreis (Ball) und etwas Undefinierbares, das den Luftballon angetriebenen Propeller darstellt, mit dem wir unsere Schwimmbadnachbarn genervt haben.

Wir haben es überstanden! Jedenfalls für dieses Jahr.


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