Mein liebes Ich aus 2013,
Du liegst gerade im Kreißsaal und denkst, Du kannst nicht mehr. Du hast keine Kraft mehr. Obwohl Du vorher so entspannt warst und ohne Ängste in die Geburt gegangen bist. Aber nach drei Tagen mit Wehen, mit drei Einleitungen und allen möglichen Versuchen, die Geburt Deines ersten Kindes zu beschleunigen, mit Schmerzen, die fast nicht mehr zu ertragen sind, weil Du mit Deinen Kräften einfach am Ende bist, ist es nur verständlich. Aber glaube mir – Du schaffst es! Halte noch ein wenig durch!
Bald wirst Du Deinen Sohn zum ersten Mal im Arm halten und ihn bewundern können. Auch wenn Du Dich am liebsten nur noch ausruhen möchtest nach all den Strapazen, Du wirst ihn halten, weil er schreit, denn er braucht Dich. Auch wenn Du erschöpft bist. Aber es geht vorbei.
Nach ein paar Tagen werdet Ihr zu dritt das Krankenhaus verlassen. Erst dann kommt die schwierigste Zeit. Dein Sohn wird weinen, schreien – panisch, hysterisch. Den ganzen Tag, die ganze Nacht. Tagaus, tagein. Wochenlang. Monate lang. Und Du wirst völlig ratlos und hilflos sein. Irgendwann kommst Du an den Punkt, an dem Dir selbst auch nur noch zum Weinen zumute ist. Das ist okay. Lass es raus!
Aber zweifle nicht daran, ob Du eine gute Mutter bist. Du wirst Dein Bestes tun für Dein Kind, auch wenn Du immer wieder an Deine Grenzen kommen wirst. Aber Dein wundervoller Mann ist an Deiner Seite und stärkt Dir den Rücken. Er entlastet Dich so gut er kann. Ohne ihn würdest Du es nicht schaffen.
Und umgekehrt wird es genauso sein. Du wirst mit dem schreienden kleinen Bündel unzählige Nächte im Wohnzimmer verbringen, Dein Kind tragen und halten, während Du Runde für Runde durch den Raum wandelst, Kilometer um Kilometer, nur damit er schläft. Und damit Papa auch seinen Schlaf findet. Du wirst erschöpft auf’s Sofa sinken und Dich nicht trauen, Dich zu bewegen, weil Du Angst hast, Dein Baby wieder aufzuwecken, wenn es endlich in den Schlaf gefunden hat. Du wirst ein Schatten Deiner selbst sein. Aber glaube mir – es geht vorbei.
Du wirst Dich über viele Leute ärgern. Über die, die Dir nicht glauben, was Ihr gerade durchmacht. Die sich nicht vorstellen können, dass ein so kleines Baby unentwegt schreit. Sie verstehen es nicht, weil sie so etwas nicht selbst erlebt haben.
Dann wirst Du immer wieder zu hören bekommen “Lass ihn doch einfach schreien!” oder “Du kannst ihn doch nicht die ganze Zeit tragen. Du verhätschelst ihn viel zu sehr!” Lass Dir nichts einreden. Du machst alles richtig!
Und glaube mir – es geht vorbei! Nach etwas mehr als drei Monaten wirst Du jemanden finden, der Deinem kleinen Schatz helfen kann. Und Du wirst unglaublich erleichtert sein. Trotzdem bleibt es noch schwierig. Aber noch ein paar Monate weiter wird es so viel besser sein. Du wirst merken, dass es immer einfacher wird, dass es ihm immer besser geht und Du wirst stolz sein, in welch rasendem Tempo er sich plötzlich entwickelt und alle anderen noch überholt.
Und mit nicht mal acht Monaten wird er durchschlafen. Dann wirst Du endlich wieder Deinen Akku ein wenig aufladen können. Es kommen glückliche Zeiten auf Euch zu!
Ja, es werden immer wieder schwierige Zeiten kommen. Dein Sohn ist lebenslustig, neugierig und fröhlich, wissbegierig und voller Bewegungsdrang, aber ebenso stark ausgeprägt ist sein Wille, seine Wut – übermannt von heftigen Gefühlen, die er nicht versteht. Er wird oft schreien und toben und Du wirst ratlos und überfordert sein. Noch kann ich es nicht genau sagen, aber ich bin mir ziemlich sicher: es geht vorbei. Versuch einfach durchzuhalten und nicht den Mut zu verlieren.
Denn in so vielen schönen und lustigen Momenten wirst Du sehr glücklich sein und Kraft tanken können.
Dennoch wirst Du weiterhin fest davon überzeugt sein, dass Du kein zweites Kind möchtest. Denn die Angst vor der Geburt ist noch da. Und die Angst davor, dass die ersten Monate wieder so schwer werden können. Aber glaube mir – es geht vorbei. Denn irgendwann wirst Du diese Gedanken einfach verdrängen und sie weit weg in irgendeine Schublade stecken, als wäre es nie passiert.
Ich wünschte ich könnte Dir sagen, dass das falsch ist. Verdrängen ist die falsche Lösung. Denn wenn Du zwei Jahre später Dein zweites Kind erwartest, kommen all diese Ängste wieder hoch. Doch der Wunsch nach einem Geschwisterchen für Deinen Sohn war so groß. Du wolltest nie wirklich, dass er alleine bleibt. Unterschwellig war der Gedanke immer da. Und kam irgendwann ans Tageslicht.
Mit dem Bauch wachsen die Ängste und Zweifel jedoch wieder. Zweifel, ob Du es schaffst zwei kleinen Kindern gerecht zu werden. Zweifel, ob Du genug Kraft hast. Zweifel, ob keiner von beiden zu kurz kommst und ob Du beiden all das geben kannst, was sie brauchen.
Aber es fühlte sich so richtig an. Und ich bin mir sicher, es ist richtig. Aber das kann ich Dir erst sagen, wenn ich Dir in ein, zwei Jahren wieder schreibe.
Sicher wird es in dieser Zeit nicht immer einfach sein. Aber ganz bestimmt werde ich Dir dann sagen können: “Es geht vorbei! Du machst alles richtig, auch wenn Du oft an Dir selbst zweifelst. Deine Kinder sind Dein größtes Glück, Euer größtes Glück und Du hast einen Mann, auf den Du Dich immer verlassen kannst – Dein ruhender Pol und der beste Vater, den Du Dir für Deine Kinder wünschen kannst. Ihr werdet als Familie eine wundervolle Reise erleben!”
Also, bleib stark und verzweifle nicht! Vergiss die schwierigen Zeiten und behalte all die unzähligen wundervollen Momente fest in Erinnerung! Die Zeit geht so schnell vorbei.
Deine Nadine (aus 2015)
Mit diesem Artikel nehme ich an der wundervollen Blogparade “Mein Brief an mich” vom Hebammenblog teil. Danke, für diese tolle Idee!