Es geht ein Gespenst um…

20141228-DSC_0277Es geht ein Gespenst um in Deutschland. Ein böses Gespenst, unter einer hämisch grinsenden Maske. Vorzugsweise treibt es Montagsabends auf süddeutschen Strassen sein Unwesen, wabert durch so weltoffene Metropolen wie Dresden oder München. Meistens schweigt es, manchmal singt es. Es nennt sich Pegida und ist ganz schön braun.

Hätte ich ein Mitspracherecht beim Unwort des Jahres, ich schlüge Pegida vor. Als ich vor ein paar Wochen das erste Mal von diesem Geist hörte, musste ich erst mal Bruder Google fragen, was Pegida eigentlich heißt. Leider handelt es sich bei diesem Virus nicht um einen neuartigen Grippeerreger. Schade- den könnte mein Hausarzt einfach und unkompliziert wegspritzen.

PeGiDa- Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes. Aha dachte ich und schlug Abendland vorsichtshalber auch noch einmal im Duden nach. Das Abendland auch Okzident genannt umfasst den westlichen Teil Europas, also Deutschland, Italien, England, Frankreich und die iberische Halbinsel. Der Begriff Abendland wird in der Moderne kaum mehr verwandt. Seinen kulturellen Höhepunkt erlebte es in den 40iger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Otto Spengler publizierte 1922 erstmals eine Abhandlung über den “Untergang des Abendlandes.” Nationalsozialisten und nationalkonservative Katholiken propagierten den Begriff des Abendlandes. Soweit also Wikipedia.

OhHa! Denke ich bei meiner Recherche. Abendländische Kultur und Antiislamismus gepaart mit Patriotismus ist es, was da allmontäglich um die Häuser zieht. Allen voran ein arbeitsloser, vorbestrafter Typ namens Lutz Bachmann. Seine Biographie liest sich wie ein Leitfaden für Kleinkriminelle. Ich mag das Abstrusum hier nicht näher ausführen- Bachmanns KnastKarriere ist hier nachzulesen.

Der gute Mann selbst duldet keine kriminellen und andersgläubigen Menschen in seiner Peripherie. Er sieht die Gefahr einer Überfremdung, einer zunehmenden Verrohung unserer Gesellschaft.  Bachmann möchte jene Leute mobilisieren, die seiner Meinung nach vom rechten Weg abkommen und einer Islamisierung des Abendlandes Raum geben. Ihm zufolge droht uns demnächst der Untergang der christlichen Kultur.  Pegida-ein gruseliges Gespenst, ein widerliches Gespenst, ein tiefbraunes Gespenst. Ein sehr gefährliches Gespenst. Denn Herr Bachmann rennt da ja nicht alleine schweigend um Dresdens Kirchen und er trällert auch nicht einsam vor der Semperoper. Montag für Montag wachsen seine Anhängerscharen. Im Internet, auf Facebook, Twitter und Co verabreden sich Pegidajünger für die Schweigemärsche und lassen ganz nebenbei ihrem Fremdenhass freien Lauf.

Mir läuft es eiskalt über den Rücken. Ich will aber auch nicht Pauschalisieren. Also ziehe ich mir ungefildert im Netz kursierende Interviews mit den Demonstranten rein und schnell wird klar. Dieses Gespenst ist nicht nur wabernd und unheimlich, es ist ein Chamäleon, welches seine braune Farbe unter einem Tarnmantel tausendfacher Enttäuschung in der Bevölkerung versteckt. Er trifft dabei den Nerv der Zeit. Es ist wahr das Rentner, insbesondere in den neuen Bundesländern, oft am Rande des Existensminimums leben müssen. Die Mauer ist weg und die moderne Gesellschaft fängt hilfsbedürftige Pensionäre nicht so weich auf wie die gute alte DDR. Aber war uns das nicht klar als die Mauer fiel? Das wir von nun an nicht mehr gelenkt und geleitet, für unser ganzes Tun und den Erfolg oder Misserfolg selbst verantworlich sind? Es ist wahr das Jugendarbeitslosigkeit, Drogenkonsum, Hartz IV, Neue Armut, Bildungsnotstand, sozialer Abstieg ganz wichtige Themen in der Gesellschaft sind. Doch wer ist daran schuld? Jussuf aus Gaza-Stadt, der nur knapp mit seiner Familie dem Raketenterror im Gazastreifen entkam und nun frierend im Auffanglager darauf wartet, das ihm geholfen wird? Betend und verzweifelt fragt er sich, was mit der Familie seines Bruders geschah. Er hat weder eine Zukunft noch eine Perspektive, weiß nicht wie es weitergehen soll. Anstatt ihm zu helfen und ihm Lösungen anzubieten, stehen 15.000 Menschen vor der Tür und fordern ihn auf zu gehen, da sie fürchten er würde ihre Ideale und ihren Glauben unterwandern.

Wovor liebe PegidaJünger habt Ihr Angst? Doch nicht vor diesem armen Mann aus dem Morgenland. Das Land übrigens, welches  Millionen und Abermillionen Menschen gleichermassen mit Geschichten aus tausendundeiner Nacht verzaubert.

Das eigentliche Problem liegt in uns selbst. Unsere Gesellschaft ist anspruchsvoll, sehr anspruchsvoll sogar. Arbeit, Bildung, Wissen, Wohlstand, Lebensstandart sind Dinge, die Du dir selbst erarbeiten musst. Da kommt niemand der Dir das Frühstück ans Bett bringt und jeden Monatsersten von alleine das Konto auf ausreichende Höhe wieder aufpolstert. Wirst Du den gesellschaftlichen Ansprüchen nicht gerecht, fällst Du durchs Raster. Und da Du eine faule Sau bist suchst Du Dir, anstatt Hilfe, einen Schuldigen. Da kommt Dir der betende Jussuf im Auffanglager gerade recht. Das wird schließlich von Deinen Steuern bezahlt und wenn der Jussuf da raus kommt, ist er Deiner Überzeugung nach, sowieso nur daran interessiert als Sozialschmarotzer zu enden und abzukassieren – ( so wie Du).  So sieht das aus für Dich lieber PegidaAnhänger. Anstatt Dich selbst zu hinterfragen, dich aus Deinem Schlamassel zu ziehen, Dir Hilfe zu suchen, in die Hände zu spucken und anzupacken, fokussierst Du die Ursachensuche auf Andersgläubige.

Ja! Habt Ihr denn nichts gelernt? Gab es das nicht schon einmal? Damals vor 80 Jahren, gerade mal ein Menschenleben ist das her, das Millionen Arme sich in den Himmel streckten , um einem kleinen schnauzbärtigen Mann alles Gute zu wünschen.

Die Politik sollte  für 2015 eine Ursachenforschung und Problemdämmung ganz oben auf die Liste der guten Vorsätze schreiben. Ja bitte tut es liebe CDU;SPD;CSU und Linke,FDP, Grüne – liebe Parteienlandschaft!

Die Politik und wir alle sind gefragt. Differenzierungen und Allgemeinverurteilungen bringen uns nicht weiter. Es ist wahr das in Zeiten von IS und Irakkrieg eine Kanalisierung bestehender Antipathien nachvollziehbar ist. Nicht jeder kommt mit allen Kulturen gut zurecht. Das geht mir ganz genauso. Aber ich muss auch nicht mit jedem und jeder Glaubensrichtung zurecht kommen. Es reicht völlig aus, wenn ich sie toleriere und akzeptiere.

In den Kirchen landauf landab wurde dieses Jahr in der Heiligen Nacht die Weihnachtsgeschichte vorgelesen. In vielen Predigten war das Thema PeGiDa ein ganz grosses Thema. Denn wer war Jesus und  woher kam er? Was wäre aus unserer abendländischen Kultur geworden, hätten Josef und Maria keinen schützenden Stall gefunden und ihr Kind nicht auf wärmendem Stroh betten können?
Das! liebe PegidaFreunde überlegt Euch mal.

An dieser Stelle geht mein ganz besonderer Dank an den Pastor der Johanniskirche zu Rostock, welcher in ergreifender Weise predigte, welche Gefahr Pegida wirklich birgt. Viel zu wenige Menschen trauen sich das derzeit in den Mund zu nehmen. Egal was Pegida offeriert- unter seiner freundlich singenden Maske ist es hässlich und braun.

Es geht ein Gespenst um in Europa. Ich wünsche mir es verirrt sich 2015 im Nirgendwo.

In diesem Sinne beschliesse ich dieses Jahr mit einer weniger lustigen und dafür aber umso dringender zu erzählenden Geschichte.

Kommt gut in das neue Jahr. Bleibt gesund und munter.

Lacht viel, geniesst Euer Leben!

Ich freue mich, wenn Ihr mir weiter treu bleibt.

Anm.: Nicht jeder Arbeitslose, nicht jeder Vorbestrafte  und Hartz IV Empfänger, am Existenzminimum lebender Rentner ist ein fauler Mensch und Sozialschmarotzer und auch nicht  gleich ein Pegida Freund. Und das ist gut so!



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