Es wird gestritten, gekämpft und gegessen. Es werden Schuldwechsel zerrissen und Eheverträge gebrochen. Noble Herren erweisen sich als Wendehälse, Eheanwärter als Frauen und das Dienstpersonal hat entweder nicht einmal genug Geld um zu essen, oder steckt so tief in einer Abhängigkeit, dass ein selbstbestimmtes Leben nicht möglich ist. Carlo Goldonis Diener zweier Herren, das am Burgtheater Premiere hatte, war zuvor schon mit akklamierenden Kritiken in Recklinghausen zu Gast. Das Spiel um versprochene, verlorene und wieder gefundene Liebe wurde von Christian Stückl rasant inszeniert. Dass die Szenenwechsel in Windeseile vorgenommen werden können, ist dem Bühnenbild von Stefan Hageneier zu verdanken. Er zeigt zwei Speisesäle eines Restaurants, das schon einmal bessere Zeiten gesehen hat. Es könnte aber auch das Innere und der Gastgarten vor der Wirtschaft sein, was im Grunde aber egal ist – die Drehbühne, die sich häufig in Bewegung setzt, macht´s möglich, dass beide Räume auch zugleich sichtbar werden.
Das sind gute Voraussetzungen für ein fulminantes Ensemble-Spiel. Schon bei seinem allerersten Auftritt bringt Peter Simonischek das Publikum zum Lachen. Seine schiefen, aufgesetzten Oberzähne trägt er wie eine Trophäe stolz vor sich her und hat sichtbar selbst einen Riesenspaß damit. Als geiziger Pantalone möchte er seine Tochter Clarice (Irina Sulaver gibt sich aufmüpfig und verliebt zugleich) rasch verheiraten und das Fest „ohne Jubel, Trubel aber mit viel Heiterkeit“ feiern. Jürgen Flimm, Marina Wandruszka und Werner Buhss waren an der Übersetzung des Stückes beteiligt, bei der es viele Aktualitätsbezüge und zeitgeistigen Wortwitz zu entdecken gibt. Markus Meyer, erst vor Kurzem im „Eingebildeten Kranken“ an der Burg zu sehen, gab den Diener Truffaldino. Als dieser wirbelt er während der 2 ½ Stunden Aufführungsdauer über die Bühne, dass man meint, in ihm stecke eine Batterie, die auf Dauerbetrieb eingeschaltet wurde. Seine Interpretation dieser im Grunde genommen von Armut und Ehrgeiz zugleich angetriebenen Figur, die sich aus Geldmangel gleich bei zwei Herren verdingen muss, hat große Klasse. In dieser Rolle gibt es keine Nuance seines komödiantischen Talents, die er nicht ausspielen kann.
Unglaublich komisch, wie er mittels alter, eingetrockneter Kaugummis versucht, einen geöffneten Brief wieder zu versiegeln, oder in seinem Hauptsolo sich dabei abmüht, seinen beiden Herren in einer Tür-auf-Tür-zu-Aktion gleichzeitig Speisen aufzutragen. Stefan Wieland als Kellner Luigi kommt dabei gehörig ins Trudeln. Dass Truffaldino von seinen Arbeitgebern nur als ungebildeter Landlümmel aus Bergamo angesehen wird, möchte er mit einer ausgefeilten Sprache kompensieren. Symp-A-thie und Inkogn-I-to sind nur zwei Beispiele dafür, dass die Betonung des einen oder anderen Fremdwortes bei ihm dann doch nicht so wirklich sitzt. Besonders stolz ist er jedoch auf seine „Arrangements“ bei Tisch. Als er Brighella, dem Restaurantbesitzer (Hans Dieter Knebel agiert zwischen all dem Trubel um ihn herum als abgeklärter Phlegmatiker), zeigen möchte, wie dieser formvollendet ästhetisch die Speisen auf dem Tisch aufzutragen hat, passiert ihm im Eifer des Gefechtes ein großes Missgeschick. Zur Freude des Publikums.
Anklicken umSebastian Wendelin agiert als grandioser Gegenpart in der Rolle des Florindo. Jenem Liebenden, der das ganze Stück über Beatrice nachschmachtet, die er wahlweise für verschollen oder tot hält. Es macht unglaublich Spaß, ihm dabei zuzusehen, wie er mir nichts dir nichts von tiefster Depression in einen Hoffnungszustand schwenkt. Wie er gegen seinen Koffer kämpft, der siegreich bleibt und sich schließlich von Truffaldino überreden lässt, ihn als Diener zu engagieren. Schwups, mutiert er von einem weinerlichen Elendshäufchen zu einem herrischen Patron, der sich sofort gegen die Bildung einer Gewerkschaft ausspricht.
Johann Adam Oest verkörpert authentisch, vom exakt gezogenen Scheitel bis zur Sohle, Dottore Lombardi, der seinen Sohn (liebesversessen bis eifersuchtszerfressen Christian Radakovits) mit Pantalones Tochter verheiraten möchte. Während er mit seinen lateinischen Floskeln und juridischen Begründungen Pantalone intellektuell beständig aushebelt, hat er die Publikumslacher auf seiner Seite. Dass er nach dem Ausspruch „omnis tempus habent“ noch drohend „sie werden sich noch wundern!“, anhängte, hatte am Premierenabend, der zugleich der Wahltag zur Bundespräsidentschaft war, eine besondere Bedeutung.
Herausragend besetzt ist an diesem Abend auch Smeraldina, Clarices Kindermädchen. Mavie Hörbiger mit ihrem ungestümen, burschikosen Auftreten, bei dem sie ihre voluminöse Stimme perfekt einsetzen kann, ihrem martialischen Gang, ihren stechenden Blicken und ihrer schlussendlich ungezügelten Leidenschaft verleiht diesem Charakter eine scharfe, einprägsame Kontur. Ihre emanzipatorischen Bestrebungen verleiten sie dazu, an einer Stelle Silvio im wahrsten Sinne des Wortes vorzuführen, als dieser über den beiläufig ausgesprochenen Ausdruck „Frauentheater“ stolpert und sich damit beinahe ins Unglück stürzt.
Andrea Wenzel, klein und zierlich, mimt mit einer weißen Perücke Beatrice, die sich als ihr verstorbener Bruder verkleidet hat, um dessen Schuldschein noch bei Pantalone einlösen zu können. Es ist faszinierend zu sehen, wie sie mit ihrer Energie gegen jeden noch so starken und großen Mann ankämpfen kann. In der Schlussszene darf sie gemeinsam mit Radakovits auf Sesseln gebunden zum Gaudium aller über die Bühne hoppeln.
Die Regie von Christian Stückl setzt den Spaß der Komödie in den Vordergrund. Es sind nur wenige, ganz subtil eingesetzte, dunkle Einsprengsel, die auf die soziale Unausgewogenheit des Geschehens oder direkt auf dramatische Ereignisse hinweisen. Tom Wörndl trägt hier mit seinem wohl dosierten Sound dazu bei, dass sich subkutan Emotionen einschleichen, die anzeigen, dass hier nicht nur alles eitel Wonne Sonnenschein ist. Und auch die stumm gespielte Szene der Erschießung von Rasponi zu Beginn des Abends veranschaulicht nicht nur den Ausgangspunkt des verwirrenden Geschehens, sondern macht auch die verzweifelte Stimmungslage von Florindo verständlich, der die Tat begangen haben soll. Mit dem ausgiebigen Einsatz von slapstickhaften Szenen knüpft Stückl an die Commedia dell`arte-Tradition an und lässt dabei seinen Truffaldino Anleihen bei Charlie Chaplin nehmen.
„Der Diener zweier Herren“ wurde vom Premierenpubikum heftigst akklamiert und wird – das lässt sich ohne große seherische Fähigkeiten voraussagen – sicherlich zu einem Publikumsrenner.
Weitere Termine auf der Website des Burgtheaters.