Wer Werte vermitteln will, muss sie vorleben. Doch welche Tugenden wollen Eltern ihren Kindern mit auf den Weg geben? Das untersuchten die Erziehungswissenschaftlerinnen Ursula Horsch und Julia Roth von der Pädagogischen Hochschule Heidelberg in einer aktuellen Studie an über 2000 Familien in Europa.
Aus: Gehirn&Geist;, April 2011
Umfragen unter Eltern zeigen: Mindestens ein Drittel aller Väter und Mütter fühlen sich mit der Erziehung ihrer Kinder überfordert. Die Zeiten, in denen der christliche Wertekanon das Maß aller Dinge war, sind lange vorbei. Heute kursieren dagegen die unterschiedlichsten Vorstellungen darüber, wie Kinder zu selbstbewussten und sozial handelnden Individuen heranreifen.
Nur in einem Punkt sind sich Ratgeber und Erziehungswissenschaftler einig: Kinder brauchen Werte! Über die Frage, welche das sein sollten und wie man sie vermittelt, herrscht jedoch nicht nur in Deutschland Uneinigkeit. Wie die Erziehungswissenschaftlerinnen Ursula Horsch und Julia Roth von der Pädagogischen Hochschule Heidelberg in der Zeitschrift "Gehirn&Geist;" (Ausgabe 4/2011) berichten, offenbart der Vergleich von Wertvorstellungen in Familien aus verschiedenen europäischen Ländern deutliche Unterschiede.
Die Forscherinnen befragten über 2000 Eltern aus Deutschland, Finnland und Polen. Insgesamt fand gut ein Drittel der Teilnehmer Tugenden wie Höflichkeit und gute Manieren, sowie soziale Werte wie Zuverlässigkeit und Hilfsbereitschaft besonders wichtig. Die Aufschlüsselung der Stichprobe nach Ländern ergab, dass sich insbesondere polnische Väter und Mütter zu diesen wertkonservativen Idealen bekannten.
Ein weiteres Drittel der Familien hofft, dass sich der Nachwuchs einmal gut präsentieren und anderen gegenüber durchsetzen kann. Vor allem Deutsche Eltern wünschen sich mutige, selbstbewusste und selbstständige Sprösslinge. Finnen legen im Vergleich zu Deutschen und Polen hingegen mehr Wert auf soziale Eigenschaften wie Gerechtigkeit, Toleranz und Nächstenliebe.
Gestresste und ratlose Eltern können heute aus einem großen Angebot an Erziehungstrainings wählen. Einen Überblick über die Ziele und Kompetenzen, die sie vermitteln, hat die Journalistin Verena Ahne für "Gehirn&Geist;" zusammengestellt und eines der Angebote im Selbstversuch getestet. So setzt das Konzept "Triple P" beispielsweise darauf, gewünschtes Verhalten beim Kind durch häufiges Loben und Belohnen zu stärken. Problematisches Benehmen sollen Eltern im schwächsten Fall ignorieren, ansonsten die Sprösslinge darauf ansprechen und im Ernstfall mit logischen Sanktionen reagieren.
Das Konzept "Familienwerkstatt" geht dagegen davon aus, dass Kinder bereits sozial kompetent zur Welt kommen und vor allem durch Imitation und nicht durch Erklärungen lernen. Werteerziehung kann auf unterschiedliche Art und Weise gelingen. Das Wichtigste dabei ist, dass Eltern schon früh reflektieren, welche Dinge sie ihren Kindern vermitteln wollen – und ihnen diese Eigenschaften dann von Anfang an konsequent vorleben.