Erwartungshaltungen

Von Hundephilosophin

Ronja

Wenn jedes der drei Meerschweine sein Stück Möhre erhalten hat, jeder es in eine Ecke des Stalls gezerrt hat und dort im Wahnsinnstempo vernichtet, es mit dem dicken Meerschweinhintern gegen die anderen abschirmend – dann ist es nach den ersten Minuten immer Ronja die dieser nagende Zweifel beschleicht: Ob die anderen was besseres haben als ich? Wahrscheinlich weil Lance genauso groß und stark ist wie sie läuft sie zur kleineren Janna und beginnt mit der um deren Stück Möhre zu kämpfen.

Lancelot

Lance ist, seit er hier wohnt, schon so viel zutraulicher geworden und holt sich sein Futter mittlerweile auch aus der Hand ab. Aber wenn er erschrickt, wenn irgendwas anders ist als gewöhnlich, dann rennt er um sein Leben, ab ins nächste Häuschen (das zum Glück nie weit ist). Seine schlechten Erfahrungen haben sich ihm tief eingeschrieben.

Janna

Janna ist in den letzten Monaten plötzlich alt geworden, sie sieht gegen die beiden Fettwanste klein, dünn und rührend aus. Sie beschnuppert ihr Essen bevor sie es verschlingt und bevorzugt Salat. Oft sitzt sie nach dem Futtern mit dem Gesicht in einer Ecke, unter einer Rampe, und wir sorgen uns manchmal um sie und stecken ihr Meerschweinchenkekse zu.
Als ich heute morgen gestaubsaugt habe, Habca sich vor dem blauen Monster in großer Show in verschiedene Ecken drückte, war das für die drei nur Anlass noch lauter nach ihrem Frühstück zu schreien. Sie haben den Staubsauger übertönt. Janna steht mit der Entrüstung eines Hooligans am Gitter und droht mit Revolution. Lance droht mit Vergewaltigungen falls er nicht sofort... Ich eile zum Kühlschrank.
Manchmal denke ich noch an Mio, unseren vorherigen Meerschweinchenbock, der vor zehn Monaten gestorben ist. Mio war ein Strahlemann. Mio erwartete nur gutes von der Welt. Ich kann mir kaum vorstellen dass ein Meerschweinchen fünf, sechs Jahre durchs Leben geht, mit einer Tierheimstation, ohne schlechte Erfahrungen zu machen. Sie sind an ihm abgeprallt. Mio war handzahm und gelassen. Wann immer man ins Zimmer kam stand er am Gitter und freute sich. Was hast Du mir diesmal Gutes mitgebracht?, fragte er. Er hatte dabei nicht den aufrührerischen Gestus unserer jetzigen Meerschwein-Tyrannen. Natürlich hatte auch er immer Hunger. Aber es stand für ihn außer Frage dass die Welt ihm Gutes bringen würde. Dass für ihn gesorgt werden würde. Ich denke mit Hochachtung und Rührung an dieses kleine Schweinchen.

Mio