Fortsetzung dieser beiden Postings::
Die Gründe für den frühen Abmarsch waren neben den erwähnten Witterungsbedingungen und die prekäre Versorgungslage auch folgende weniger wichtige:
Die Kavallerie Wiens und des nahenden Entsatzheeres von 33000 Mann konnten gefährliche Nadelstiche in dem langsamen osmanischen Tross verüben. Einige Burgen auf dem Weg nach Wien hatten noch österreichische Besatzungen, die ebenfalls in die Flanken Vorstöße wagen konnten. Nicht zuletzt hätte es sein können, dass die Ungarn wieder die Seiten wechseln und zu Angriffen übergingen. Deshalb war es notwendig für Sultan Süleyman, dass er sein Heer als mobilen und schlagkräftigen Truppenverband zusammenhielt, damit die demoralisierten Soldaten noch ihre vollständige Kampfkraft bewahrten. Er wählte für den Abzug die Taktik der hinhaltenden Kampfführung, zeitlich begrenzte Verteidigung und einiger Entlastungsoffensiven. Zur Mobilität des Heeres wurde jeder verbliebener schwererer Ballast zurückgelassen um die freiwerdenden Zuggespanne besser zu nutzen, die in der Nacht vom 14. bis 15. Wien verließen. Die einzelnen Truppenteile gingen mit einigen Tagen Unterschied gestaffelt an den organisierten Rückmarsch. Am 15. Oktober läuteten in Wien die Siegesglocken, während im Lager des Sultans am 16. eine prächtige Parade (Truppenschau/Inspektion) abgehalten wurde, und "Orden" (Ehrengewänder) verliehen wurden.
Als letzte verließen die Reiterei am 18. ihre zurückgezogenen Stellungen 8 km vor Wien, während die Akincis Verwirrung durch ihre weitläufigen schnellen Streifzüge stifteten.Eine Verfolgung durch die Habsburger fand nicht mehr statt, nicht zuletzt aufgrund einer Meuterei, die den ganzen restlichen Oktober dauerten, da es "Unregelmäßigkeiten" der Soldzahlungen der deutschen Landsknechte gab. Erst am 8. November kehrte wieder Disziplin in die habsburgischen Truppen ein. Auch das Entsatzheer hatte Befehl höchstens bis zur Grenze vorzustoßen.
(Für die Fortsetzung, bitte unten auf "Bitte hier weiterlesen:" klicken)
Sultan Süleyman zog in einem gewaltigen Triumphzug in Istanbul ein, wurde doch Ungarn wieder vom Sultan genommen, Buda erobert, der König Zaploya zu seinem Recht verholfen. Nicht erreicht hatte er allerdings Ferdinand zu stellen, hatte er doch schon erwartet, den Habsburger in Buda zu stellen, und danach wenigstens in Wien, aber von dort ist er ebenfalls geflüchtet. Auch als er Wien belagert hatte, habe der Sultan noch gehofft, dass Ferdinand zur Rettung Wiens endlich erscheine, damit Ferdinand sich mit dem Sultan messen lassen könne. Der Sultan empfand Ferdinand als feige.
Fazit:
Wenn man also obiges betrachtet, kommt man zu dem Schluss, dass Sultan Süleyman bei seinem späten Aufbruch des Feldzuges im Mai höchstwahrscheinlich nicht daran dachte, Wien zu erobern, und sich durch die Ereignisse in Buda, das Fernbleiben Ferdinands, dazu "genötigt" sah, vor Wien mal seine "Löwenmähne aufzurichten". Dieses ist nun nicht genuin einzig meine Einschätzung allein, dieses habe ich ebenfalls in etlicher Sekundärliteratur so gelesen.
Letztlich misslang der Versuch der Eroberung Wiens weniger durch die tapferen Wiener, als primär durch das schlechte Wetter. (Ebenfalls wird dieses in etlicher Sekundärliteratur so gesehen.)
Hätte Süleyman Wien nur einen Monat früher erreicht, wäre es wohl um Wien geschehen, aber auch das wäre sicher ohne konkrete kurzfristige territoriale Folgen geblieben, denn er wäre nach einer Plünderung wieder abgezogen.
Quelle:
Evliya Çelebi (geb. 1611), osmanischer Schriftsteller, Ausschnitt aus dem Fahrtenbuch (Seyahatname), Im Reiche des Goldenen Apfels. Des türkischen Weltenbummlers Evliya Çelebi denkwürdige Reise in das Giaurenland und in die Stadt und Festung Wien anno 1665
Quellentext:
Als Sultan Süleyman, der großmächtige Chan [Ehrentitel der osmanischen Sultane], um an den unseligen Ungarn sowie an den Giauren deutschen Blutes Rache zu nehmen, i. J. 936 [1529-30] die Festung Wien höchstpersönlich belagerte, da ließ er sie von neun Fronten her aus unzähligen Donnergeschützen unausgesetzt unter Feuer nehme und ihre Widerstandskraft zermürben; es wurde mehrfach Sturm gelaufen, und schon war man in die Mauern eingebrochen, auf den Wällen erscholl bereits der muslimische Gebetsruf und schon war auch ein kühner Haudegen namens Çerkes durch eine Bresche, die die Geschütze gerissen hatten, auf seinem Rosse bis mitten in die Festung vorgedrungen, aber da feil der tapfere Çerkes samt seinem Pferde als Blutzeuge des Glaubens, die Giauren schlugen den Sturmangriff des muslimischen Heeres zurück und so wurde also der Hauptsturm auf den kommenden Tag verschoben. Durch Allahs Fügung setzte jedoch am nächsten Morgen scharfer Frost ein, es fing an zu schneien und ein derartiger Schneesturm und Wirbelwind mit Hagelschlag brach hernieder, dass das ganze muslimische Heer unter diesen Schneemassen in äußerste Bedrängnis geriet. Sämtliche Schanzgräben wurden vom Schnee zugeweht, vielen tausend Mann erfroren Arme und Beine, viele tausend Zugtiere gingen vor Kälte zugrunde, und es entstand ein Wirrwarr wie am Jüngsten Tag. Da baten sämtliche Krieger des Islams: ‚Gnade, Erbarmen, o großmächtiger Süleyman! Jedes Werk lässt sich nur zu seiner vorbestimmten Zeit vollbringen, wenn Allah der Allerhabene es will. Siebzehn Tage sind nunmehr schon seit dem Kasım-Tag [Nach alter Tradition war das osmanische Heer nicht verpflichtet, nach diesem Tag im Krieg zu bleiben, sondern konnten verlangen, in die Winterquartiere zurückgeführt zu werden.] verstrichen. Unsere Absicht war nur, den Giauren eine Züchtigung zu erteilen, und dies ist geschehen. So wollen wir uns jetzt in Sicherheit bringen, um im Frühjahr so Allah es will - diese Festung aufs neue zu belagern!' Mit solcher Überlegung sandte der Sultan den Woiwoden [Bezeichnung für einen Heerführer, Herrscher oder Würdenträger aus Siebenbürgen, Moldau oder der Walachei] Kasım aus Esseg mit zwölftausend Mann in die deutschen Lande, wo sie alsbald zu sengen und zu brennen begannen. Als die Giauren das sahen, wandten sie sich zum Kampf gegen den Woiwoden Kasım; indessen aber ließ Sultan Süleyman sein Prunkzelt an dieser Stelle zurück und trat mit seinem ganzen Geschütz, das heute noch in Esseg steht, sowie mit dem ganzen Feldgerät und dem Kriegsschatz den Rückzug an. Die meisten seiner Kammerherren mussten dabei zu Fuß marschieren, und nur unter vielen Beschwernissen und Unbilden erreichte man mit knapper Not den Ort Cankurtaran [der Ort Adony] am Donauufer gegenüber der Insel Kuvin und war damit endlich in Sicherheit."
(Bild: Wikimedia Commons)