Erschütterungen und vorsichtiger Optimismus

Johannes-Wilhelm Rörig

Johannes-Wilhelm Rörig

Johannes-Wilhelm Rörig ist seit einem Jahr als “Unabhängiger Beauftragter für Fragen des sexu­el­len Missbrauchs von Kindern“ im Amt. Gestern zog er in einer Pressekonferenz eine erste Bilanz die­ses Jahres. Zwar sprach er von vor­sich­ti­gem Optimismus. Doch das, was er vor­brachte, gibt für die Missbrauchsopfer kaum Grund dazu.

Ein Jahr nach dem offi­zi­el­len Ende des Runden Tisches gibt es nur wenig Hilfe für die Betroffenen; die finan­zi­el­len Mittel, die der Bund und die Länder dort ange­kün­digt haben, sind nur zu sehr gerin­gen Anteilen tat­säch­lich geflos­sen. Der vom Bundesfamilienministerium, dem Bundesjustizministerium und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung ver­spro­chene 100-Millionen-Euro-Fonds ist noch immer nicht ein­ge­rich­tet. Aus Sicht der Betroffenen sei das Schweigen der Bundesregierung und der Länder uner­träg­lich, so Rörig. Seit Juni die­ses Jahres harrt der Gesetzentwurf zur Ände­rung der Verjährungsfristen unbe­ar­bei­tet im Rechtsausschuss des Bundestages.

Rörig appel­lierte an die Bundesregierung, sich zu beei­len, die­ses Gesetz end­lich auf den Weg zu brin­gen, denn “die Legislaturperiode ist bald zu Ende.” Und eine neue Regierung würde das gesamte Gesetzesvorhaben neu auf­rol­len müs­sen.
Leicht opti­mis­tisch zeigte sich der Beauftragte jedoch des­halb, weil in der Zivilgesellschaft mit dem Thema inzwi­schen bedeu­tend sen­si­bler umge­gan­gen werde. Als Beispiel nannte er das sofor­tige und auch öffent­li­che Reagieren der Charité auf einen dort ver­mu­te­ten Missbrauchsfall. “Wir ste­hen am Ausgangstor der Tabuzone” so Rörig dazu.

Doch noch immer wer­den dem Büro des Beauftragten Missbrauchsfälle gemel­det. Seit der Einrichtung des Büros gab es über 30.000 Kontakte mit Betroffenen und 40.000 Beratungsgespräche. Das sind etwas mehr als zehn Gespräche, Mails, Faxe und Briefe täg­lich. Im kom­men­den Jahr soll eine Webseite ein­ge­rich­tet wer­den, auf der sich Betroffene infor­mie­ren kön­nen.

Johannes-Wilhelm Rörig

Johannes-Wilhelm Rörig

Dringend for­derte er die Länder und Kommunen auf, end­lich die Fachberatungsstellen zu stär­ken. Dazu gehört vor allem die gesi­cherte “finan­zi­elle Absicherung und eine aus­rei­chende Personalausstattung.” Der Missbrauchsbeauftragte for­derte, die Versorgungslücken vor allem im länd­li­chen Bereich zu schlie­ßen und beson­dere, spe­zia­li­sierte Angebote für von sexu­el­ler Gewalt betrof­fene Jungen und Männer, sowie für Behinderte und Migranten. Die der­zeit etwa 300 auf den sexu­el­len Missbrauch spe­zia­li­sier­ten Fachberatungsstellen seien viel zu wenig. Manche Betroffene müss­ten aus einem Umkreis von 200 Kilometern anrei­sen.

Doch trotz aller Erfolge ist “für Missbrauchsopfer im letz­ten Jahr defi­ni­tiv zu wenig erreicht wor­den”, so die letzt­lich eher ernüch­ternde Bilanz von Johannes-Wilhelm Rörig.

Nic

[Erstveröffentlichung: hpd]


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