Die Vorsitzende der ARD, Monika Piel, verträte die Ansicht, dass der Kabarettist heute eine versöhnende Aufgabe übernimmt. Die Tage, in denen das Kabarett den Machtmissbrauch anprangert, die seien vorbei - glücklicherweise vorbei sogar. Piel nennte das "Dieter-Hildebrandt-Geschwätz von gestern". Es spräche für sich, mit welcher Verächtlichkeit diese Frau von diesem Altmeister seines Fachs redete - für einen Altmeister, der oft in der ARD zu Gast war. Und es spräche für sich, wie Politik, Wirtschaft und ihre Vasallen aus Funk und Fernsehen das Kabarett der Zukunft zeichnen.
Alles im Konjunktiv, denn das, was Tanja Kokoska da ausmalte, es ist gelungene Satire - sie hat Komik und Ernst in einen Cocktail gemischt und somit Reaktionen geerntet, die eines aufzeigen: der TV-Konsument, er würde das erfundene Szenario Kokoskas durchaus für Wahrheit halten. Kommentare und Verlinkungen quer durch das Internet untermauern: der Fernsehzuschauer nimmt bereits ohne zu zweifeln an, dass TV-Macher im Namen von Politik und Wirtschaft durchaus dazu bereit seien, Kabarett als versöhnliche Tour zu definieren. Womit der letzte Konjunktivsatz aber entfällt. Die Satire Kokoskas, die sich an Dieter Nuhrs vor geraumer Zeit gemachter Aussage, Kabarett dürfe nicht nur immer kritisieren, müsse auch mal das Schöne und Gute hervorheben, aufknüpft... diese Satire wurde von der Realität und dem Empfinden des Publikums bereits überholt.
Eine Neudefinition von damals
Angestoßen wurden die fiktiven Aussagen Piels durch die fiktive Koalition Dieter Nuhrs mit der (leider nicht fiktiven) schwarz-gelben Koalition - für die sollte der Kabarettist Schönwetter machen. Hierzu bedürfte es freilich einer Neudefinition des Kabaretts, so wie einst Steffen Seibert den Journalismus schon neu erfand, um diese faszinierende neue Aufgabe für einen leidenschaftlichen Journalisten zu rechtfertigen. Derart neu wäre die neue Definition von Satire oder Kabarett, die zwar keine Geschäftsverbindung zwischen Komiker und Koalition mit sich bringt, jedoch in den Köpfen der ach so witzigen Gesellen als neues Ideal nistet, freilich nicht. Exemplarisch könnte hierzu der Weiß Ferdl genannt werden, der für seine Satire, die "treffend und harmlos zugleich... frei von Geist der Negation [und] voll des aufbauenden und versöhnenden Humors, der nottut" ("Auf die faule Haut", Seite 145, ebenda zitiert aus "Weiß Ferdl. Eine weiss-blaue Karriere"), gelobt wurde.
Dieses Lob geschah zur nationalsozialistischen Zeit und Weiß akklimatisierte sich deshalb besonders gut im braunen Milieu, weil seine Satire nicht bissig, nicht kritisch, nicht den Machtmissbrauch abkanzelnd war, sondern versöhnend, ein netter Schabernack, der der Macht nicht gefährlich werden konnte. Die Zeiten, so würde damals mancher Intendant gesagt haben, in denen Kabarettisten den Machtmissbrauch anprangern, sind glücklicherweise längst vorbei, das ist doch Werner-Finck-Geschwätz von gestern.
Der zerbrochene Spiegel
Das Kabarett kommt aus der Bierstube - cabaret, französisch: Schänke. Dort nahm der Pöbel kein Blatt vor dem Mund; allzugroßer Respekt vor der Macht, verlor hier seine hemmende Wirkung. Die kleine Kneipe, dort wo das Leben noch lebenswert war - ein Ort, der nicht von Devotion vereinnahmt war, sondern von versteckter Offenheit gegen die, die Macht in ihren Händen hielten. Dieses Klima der Schänke, in der der jeweilige Machthaber ausgeschlossen war, es ist das Fluidum des Kabaretts. Dem Kabarett seine Zähne ziehen zu wollen, um ihm versöhnende Wirkungsweisen zu überschreiben, das widerspricht dem Wesen dieser Kleinkunst. Wenn Kabarett, wie es die fiktive Piel, der reale Nuhr und die leider real gewesenen Althinteren der Weiß-Zeit meinten, eine neue Aufgabe zu übernehmen hat, dann ist es kein Kabarett mehr - dann ist es galante Herrenwitzigkeit, in Herrenwitz geschmiedete Herrenmoral.
Das Kabarett übernahm, was des Hofnarren Recht war. Der war mehr als Spaßmacher - er konnte der Macht ungeniert ihre Schwächen, Eitelkeiten und Intrigen unter die Krone reiben. Narrenfreiheit, nannte sich dies; und die durfte nicht geahndet werden - jedenfalls theoretisch. Der Narr hielt der Macht einen Spiegel vor. Nicht immer erfolgreich, wahrscheinlich sogar besonders selten erfolgreich - aber der Narr hielt denen, die besonders gerne narzistisch in Spiegel stierten, auch den ethischen Spiegel vor. Besonders humorlose Herren wünschten sich belanglose Narreteien, Streiche, die keinem als moralisches Spiegelbild dargebracht wurden. Diesen Spiegel, den wünschen sich alle zerbrochen, die das Kabarett als inhaltslose Witzelei und Manifestation der politischen und wirtschaftlichen Macht begreifen wollen. Dieter Nuhr spricht nicht für den Humor, er entkleidet sich als gänzlich humorlos - es waren doch stets die eitlen Humorlosen, die harmlose Späße forderten.
Cindy und Ingo für Angela und Philipp?
Tanja Kokoska ist gelungen, was denen, die das Kabarett durch Comedy ersetzt haben, nicht gelingt. Sie hat den Witz in die Realität gebunden - und das so, dass er schwer erkennbar war. Nicht zu wissen, ob man schimpfen oder lachen soll: das ist Satire, das ist Kabarett. Das Spaßpersonal, das bei Nuhr aufläuft, es orientiert die Realität am Witz - die Leute sollen lachen, egal wie. Und sie sollen nicht mit sich ringen, ob nun Wut oder Lachen oder gar eine Kombination aus beiden, eine Lachwut quasi, angebrachter seien. Nachdenkliches Publikum? Nicht bei Nuhrs Gipfel. Er sagt es dort nicht deutlich, aber versöhnende Komik, die die fiktive Piel anspricht, sie wird dort praktiziert. Man muß nicht fortdauernd die Regierung loben, um sie zu loben - es reicht auch, wenn man sie aus der Schusslinie nimmt, indem man über sie niedlich spöttelt, über Frisuren und Sprachfehler beispielsweise, nicht aber über deren Weltbild.
So gesehen wäre eine Koalition der Koalition mit der Koalition der Comedians, gar nicht so hanebüchen, wie Kokoska das anfangs wohl meinte. Das sieht man ja auch an den Reaktionen - selbst die NachDenkSeiten brachten den Text als Hinweis des Tages und man weiß nicht genau, ob die ahnten, dass es Satire war, der sie zunächst aufgesessen sind. Aber wer will ihnen einen Vorwurf machen? Man kann sich solche Koalitionen heute einfach deshalb vorstellen, weil sie heimlich ja schon existieren. Satire-Gipfel nennt sich das Arrangement, das Politik und Komik eingegangen sind. Es ist sicherlich nicht mehr undenkbar, dass die ARD das "Dieter-Hildebrandt-Geschwätz von gestern" durch Cindy-Marzahn-Geplapper oder Ingo-Appelt-Fickereien von heute ersetzt. Erstere "persifliert Sozialhilfebezieher, mimt eine Angehörige dieser Gesellschaftschicht und lässt auch keines der üblichen Klischees aus; verspottet also die Ärmsten..." - zweiterer "thematisiert (...) den Afghanistaneinsatz in so dämlicher Weise, dass man sich schämen möchte: von einer rosa Bundeswehr erzählt er etwa, die "wir sind schwul in Kabul (und das ist gut so)" trällert" (beide Zitate aus "Auf die faule Haut", Seite 148 und 149). Auch die würden Macht und Kabarett mit Geschick versöhnen - vielleicht meinte Kokoska allerdings, sie könne diese beiden Exemplare von Versöhnlichkeit nicht glaubhaft in ihrem Szenario unterbringen. Man darf aber annehmen, hätte sie geschrieben, dass Cindy und Ingo fortan für Angela und Guidos Philipp würben: auch das hätte man geglaubt!
Alles im Konjunktiv, denn das, was Tanja Kokoska da ausmalte, es ist gelungene Satire - sie hat Komik und Ernst in einen Cocktail gemischt und somit Reaktionen geerntet, die eines aufzeigen: der TV-Konsument, er würde das erfundene Szenario Kokoskas durchaus für Wahrheit halten. Kommentare und Verlinkungen quer durch das Internet untermauern: der Fernsehzuschauer nimmt bereits ohne zu zweifeln an, dass TV-Macher im Namen von Politik und Wirtschaft durchaus dazu bereit seien, Kabarett als versöhnliche Tour zu definieren. Womit der letzte Konjunktivsatz aber entfällt. Die Satire Kokoskas, die sich an Dieter Nuhrs vor geraumer Zeit gemachter Aussage, Kabarett dürfe nicht nur immer kritisieren, müsse auch mal das Schöne und Gute hervorheben, aufknüpft... diese Satire wurde von der Realität und dem Empfinden des Publikums bereits überholt.
Eine Neudefinition von damals
Angestoßen wurden die fiktiven Aussagen Piels durch die fiktive Koalition Dieter Nuhrs mit der (leider nicht fiktiven) schwarz-gelben Koalition - für die sollte der Kabarettist Schönwetter machen. Hierzu bedürfte es freilich einer Neudefinition des Kabaretts, so wie einst Steffen Seibert den Journalismus schon neu erfand, um diese faszinierende neue Aufgabe für einen leidenschaftlichen Journalisten zu rechtfertigen. Derart neu wäre die neue Definition von Satire oder Kabarett, die zwar keine Geschäftsverbindung zwischen Komiker und Koalition mit sich bringt, jedoch in den Köpfen der ach so witzigen Gesellen als neues Ideal nistet, freilich nicht. Exemplarisch könnte hierzu der Weiß Ferdl genannt werden, der für seine Satire, die "treffend und harmlos zugleich... frei von Geist der Negation [und] voll des aufbauenden und versöhnenden Humors, der nottut" ("Auf die faule Haut", Seite 145, ebenda zitiert aus "Weiß Ferdl. Eine weiss-blaue Karriere"), gelobt wurde.
Dieses Lob geschah zur nationalsozialistischen Zeit und Weiß akklimatisierte sich deshalb besonders gut im braunen Milieu, weil seine Satire nicht bissig, nicht kritisch, nicht den Machtmissbrauch abkanzelnd war, sondern versöhnend, ein netter Schabernack, der der Macht nicht gefährlich werden konnte. Die Zeiten, so würde damals mancher Intendant gesagt haben, in denen Kabarettisten den Machtmissbrauch anprangern, sind glücklicherweise längst vorbei, das ist doch Werner-Finck-Geschwätz von gestern.
Der zerbrochene Spiegel
Das Kabarett kommt aus der Bierstube - cabaret, französisch: Schänke. Dort nahm der Pöbel kein Blatt vor dem Mund; allzugroßer Respekt vor der Macht, verlor hier seine hemmende Wirkung. Die kleine Kneipe, dort wo das Leben noch lebenswert war - ein Ort, der nicht von Devotion vereinnahmt war, sondern von versteckter Offenheit gegen die, die Macht in ihren Händen hielten. Dieses Klima der Schänke, in der der jeweilige Machthaber ausgeschlossen war, es ist das Fluidum des Kabaretts. Dem Kabarett seine Zähne ziehen zu wollen, um ihm versöhnende Wirkungsweisen zu überschreiben, das widerspricht dem Wesen dieser Kleinkunst. Wenn Kabarett, wie es die fiktive Piel, der reale Nuhr und die leider real gewesenen Althinteren der Weiß-Zeit meinten, eine neue Aufgabe zu übernehmen hat, dann ist es kein Kabarett mehr - dann ist es galante Herrenwitzigkeit, in Herrenwitz geschmiedete Herrenmoral.
Das Kabarett übernahm, was des Hofnarren Recht war. Der war mehr als Spaßmacher - er konnte der Macht ungeniert ihre Schwächen, Eitelkeiten und Intrigen unter die Krone reiben. Narrenfreiheit, nannte sich dies; und die durfte nicht geahndet werden - jedenfalls theoretisch. Der Narr hielt der Macht einen Spiegel vor. Nicht immer erfolgreich, wahrscheinlich sogar besonders selten erfolgreich - aber der Narr hielt denen, die besonders gerne narzistisch in Spiegel stierten, auch den ethischen Spiegel vor. Besonders humorlose Herren wünschten sich belanglose Narreteien, Streiche, die keinem als moralisches Spiegelbild dargebracht wurden. Diesen Spiegel, den wünschen sich alle zerbrochen, die das Kabarett als inhaltslose Witzelei und Manifestation der politischen und wirtschaftlichen Macht begreifen wollen. Dieter Nuhr spricht nicht für den Humor, er entkleidet sich als gänzlich humorlos - es waren doch stets die eitlen Humorlosen, die harmlose Späße forderten.
Cindy und Ingo für Angela und Philipp?
Tanja Kokoska ist gelungen, was denen, die das Kabarett durch Comedy ersetzt haben, nicht gelingt. Sie hat den Witz in die Realität gebunden - und das so, dass er schwer erkennbar war. Nicht zu wissen, ob man schimpfen oder lachen soll: das ist Satire, das ist Kabarett. Das Spaßpersonal, das bei Nuhr aufläuft, es orientiert die Realität am Witz - die Leute sollen lachen, egal wie. Und sie sollen nicht mit sich ringen, ob nun Wut oder Lachen oder gar eine Kombination aus beiden, eine Lachwut quasi, angebrachter seien. Nachdenkliches Publikum? Nicht bei Nuhrs Gipfel. Er sagt es dort nicht deutlich, aber versöhnende Komik, die die fiktive Piel anspricht, sie wird dort praktiziert. Man muß nicht fortdauernd die Regierung loben, um sie zu loben - es reicht auch, wenn man sie aus der Schusslinie nimmt, indem man über sie niedlich spöttelt, über Frisuren und Sprachfehler beispielsweise, nicht aber über deren Weltbild.
So gesehen wäre eine Koalition der Koalition mit der Koalition der Comedians, gar nicht so hanebüchen, wie Kokoska das anfangs wohl meinte. Das sieht man ja auch an den Reaktionen - selbst die NachDenkSeiten brachten den Text als Hinweis des Tages und man weiß nicht genau, ob die ahnten, dass es Satire war, der sie zunächst aufgesessen sind. Aber wer will ihnen einen Vorwurf machen? Man kann sich solche Koalitionen heute einfach deshalb vorstellen, weil sie heimlich ja schon existieren. Satire-Gipfel nennt sich das Arrangement, das Politik und Komik eingegangen sind. Es ist sicherlich nicht mehr undenkbar, dass die ARD das "Dieter-Hildebrandt-Geschwätz von gestern" durch Cindy-Marzahn-Geplapper oder Ingo-Appelt-Fickereien von heute ersetzt. Erstere "persifliert Sozialhilfebezieher, mimt eine Angehörige dieser Gesellschaftschicht und lässt auch keines der üblichen Klischees aus; verspottet also die Ärmsten..." - zweiterer "thematisiert (...) den Afghanistaneinsatz in so dämlicher Weise, dass man sich schämen möchte: von einer rosa Bundeswehr erzählt er etwa, die "wir sind schwul in Kabul (und das ist gut so)" trällert" (beide Zitate aus "Auf die faule Haut", Seite 148 und 149). Auch die würden Macht und Kabarett mit Geschick versöhnen - vielleicht meinte Kokoska allerdings, sie könne diese beiden Exemplare von Versöhnlichkeit nicht glaubhaft in ihrem Szenario unterbringen. Man darf aber annehmen, hätte sie geschrieben, dass Cindy und Ingo fortan für Angela und Guidos Philipp würben: auch das hätte man geglaubt!