Ernst von Harnack • Sozialen Gerechtigkeit + Widerstand

Von Renajacob @renajacob

Als Ernst von Harnack am 15. Juli 1888 geboren wurde, steht noch auf seiner Geburtsurkunde Ernst Wolf Alexander Oskar Harnack, denn erst 1914 wurde sein Vater, der gelehrte Adolf Harnack für seine Verdienste in den Adelsstand erhoben. Der Lebensweg von Ernst und auch seinen Geschwistern entspricht dem typischen Weg des Bildungsbürgertums, er studierte Jura und ging in den Staatsdienst und nach seiner kurzen Teilnahme im Ersten Weltkrieg, durchschritt er die Leitern der öffentlichen Verwaltung bis er am 8. August 1929 in der Provinz Sachsen das Amt des Regierungspräsidenten zu Merseburg antrat. Dieses Amt übte er bis zum 21. Juli 1932 aus. Noch während des Ersten Weltkriegs, 1916, hatte er Anne Wiggert, Tochter eines Königlich Preußischen Geheimen Oberbergrats, geheiratet und im Laufe der kommenden Jahre hatten sie 5 Kinder, zwei Söhne und drei Töchter. Ernst von Harnack lebte ein völlig ‚normales’ Leben seiner Schicht, wenn es den Harnacks und ihrer weit verzweigten Familie nicht eigen gewesen wäre über den Tellerrand ihrer Umgebung zu schauen und trotzt der so ‚wohlig’ ausgetretenen Pfade des Lebenswegs nicht auch die Lust verspürten andere Wege zu gehen. Bereits nach dem Ersten Weltkrieg und der damit verbundenen Weimarer Republik interessierte er sich immer mehr für die Politik und trat 1919 in die SPD ein, ein ungewöhnlicher Schritt eines Mannes seiner Herkunft in der damaligen Zeit, sich einer Arbeiterpartei zuzuwenden. In Berlin, noch vor seiner Versetzung nach Merseburg, war er Stadtverordneter der SPD in Berlin; innerhalb der Partei gehörte er dem Kreis der ‚Religiösen Sozialisten’ an, deren Vorsitzender er auch wurde. Obwohl es sein Werdegang vermuten lässt, so war er keineswegs ein konservativ denkender Mensch, so war er äußerst sozial eingestellt und lebte diese Einstellung auch. So half er vielen Menschen in der Zeit der wirtschaftlichen Not, als die Weltwirtschaftskrise auch Deutschland erreichte, und kannte dabei keinerlei Schranken oder Abgrenzungen zu anderen Milieus der Gesellschaft. Dies brachte ihm nicht nur Freunde ein, nicht einmal bei seinen ‚christlichen’ Gemeindemitgliedern; denn er engagierte sich sehr in der Evangelischen Kirche, aber auch nicht in der Verwaltung, der er vorstand, denn die war doch eher bürgerlich geprägt und auch eher geneigt rückwärts zu denken. Er war bekannt als streitbarer Gegner von Ungerechtigkeit, der nicht nur Reden hielt, oder Aufsätze veröffentlichte, sondern seine Ideen und Gedanken auch in die Tat umsetzte. Dabei blieb er sich aber immer treu, Gewalt oder Gesetzesüberschreitungen lehnte er in jeder Form ab. Nach dem so genannten ‚Preußenschlag von Papens’ am 20. Juli 1932, bei dem die demokratische Macht der Landesgierung Preußens außer Kraft gesetzt wurde, wurde der preußische Regierungspräsident Ernst von Harnack am 21. Juli 1932 seines Amtes enthoben und nach einer kurzen Zeit der Suspendierung, wurde er aus dem Staatsdienst entlassen. Im Spätherbst des gleichen Jahres zog die Familie Harnack nach Berlin. Nun arbeitete er in seinem privaten Beratungsbüro, um bedrängten Sozialdemokraten, Kommunisten und später Juden juristischen Beistand zu geben. Als er sich aufmachte die Mörder der ‚Köpenicker Blutwoche’ zu finden, wurde er für mehrere Wochen inhaftiert und Ende des Jahre 1933 schlossen die Nationalsozialisten sein Büro, doch nur für kurze Zeit, denn er setzte durch, dies weiter betreiben zu können und hatte damit Erfolg. Ernst Harnack war mit führenden Köpfen des Widerstands wie Julius Leber, Goerdeler, Generaloberst Beck, Bonhoeffer und von Dohnanyi bekannt, befreundet oder verwandt. Sein Berliner Büro wurde zum Treffpunkt der Verschwörer; berufsbedingte Reisen nutzte er, um Nachrichten zu überbringen. Mit seinem Cousin Karl Bonhoeffer wendete er sich von den nun so genannten ‚Deutschen Christen’ ab und arbeitete in der Bekennenden Kirche, wie auch viele andere Mitglieder seiner Familie. Um ihn aus seinem Beraterbüro herauszubekommen, machten ihn die Nationalsozialisten zum ‚Gräberkommissar’. In Zusammenarbeit mit Willi Wohlberedt legte er für Berlin eine Gräberkartei an und beaufsichtigte ab 1938 die großflächigen Umbettungen, die für Albert Speers Welthauptstadt Germania angeordnet worden waren. Doch das hinderte ihn nicht, seine Überzeugung gegen das nationalsozialistische Regime weiter zu leben, sowohl sein Büro ließ er bestehen, wie auch seine Tätigkeit der Nachrichtenübermittlung durch entsprechende Reisen. Doch auch privat veränderte sich etwas im Leben von Ernst von Harnack, 1937 verliebte er sich in die 20 Jahre jüngere Eva von Heeringen. Da hatten sich zwei Menschen gesucht und gefunden. Ihre hohe geistige und politische Übereinstimmung führte bald zu einem Liebesverhältnis, obwohl Harnack seit 1916 verheiratet war und fünf Kinder hatte. Das Paar reiste gemeinsam in den Urlaub und traf sich unter anderem in Sanssouci. Dort wohnte Evas Mutter Eleonore von Heeringen nach dem Tod ihres Mannes weiterhin im Gartendirektionsgebäude. Dieses Verhältnis ging weit über das eines älteren Mannes zu einer jüngeren Frau hinaus, es war eine Liebe, wie sie manchen Menschen vielleicht nie begegnet, die beiden lebten sie. Für Ernst von Harnack endete diese Liebe erst mit seinem Tod, für Eva reichte sie bis zu ihrem Lebensende 1985. Beiden war klar, dass sich Ernst nie scheiden lassen würde, aber das war für Eva nie ein Thema. Mit den Verschwörern des 20. Juli 1944 stand Ernst von Harnack durch vielfältige verwandtschaftliche und freundschaftliche Verbindungen in Kontakt und war auch an der ‚Vorarbeit’ einer neuen Verfassung beteiligt, doch konkrete Beweise gegen ihn gab es nicht. Am 29. September wurde er verhaftet, am 1. Februar 1945 vom Volksgerichtshof zum Tod verurteilt und am 5. März 1945 in Berlin-Plötzensee ermordet. Großherzig handelte, als Ernst von Harnack Ende 1944 verhaftet wurde, seine Ehefrau Anna. Sie nahm Kontakt mit Eva von Heeringen auf, die für einige Wochen nach Potsdam gekommen war. „Ach, wir tragen doch beide das gleiche Leid“, begründete sie diesen Schritt, und Eva schrieb an Ernst: „Deine Frau hat mich ganz für sich eingenommen.“ Beide versuchten nach ihrem Treffen gemeinsam, durch Besuche, Briefe, Buch- und Lebensmittelsendungen das Los des Häftlings zu erleichtern. Kurz vor der Hinrichtung rief Anna verstört in Potsdam an, man habe ihren Ehemann ganz plötzlich weggebracht und ihr nicht gesagt wohin. Seiner geliebten Eva hatte Ernst von Harnack bereits am 8. Februar 1945 Lebewohl gesagt: „Wie auch mein Pfad sich ferner wende – wir können uns nicht wieder trennen, wir gehn gemeinsam bis ans Ende.“ Die beiden Frauen blieben bis zu ihrem jeweiligen Lebensende in loser Freundschaft verbunden.

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Bild 1: Ernst von Harnack – Quelle: Gedenkstätte Deutscher Widerstand · Bild 2: Gedenktafel – Quelle. Stadt Berlin · Bild 3: Straßenschild in Hildesheim