Auch wenn wir in Deutschland relativ weit voran geschritten sind mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien und eine riesige Anzahl von Bürger-Energiegenossenschaften haben, sind wir nicht die einzigen in Europa. In vielen anderen europäischen Ländern gibt es ebenfalls ein großes Engagement von Bürgern für den Ausbau der erneuerbaren Energien, für einen lokalen Bezug von Ökostrom, für die Reduzierung des Heizenergieverbrauchs oder für eine CO2-arme oder -neutrale Energieversorgung.
Es war in Brüssel bei der EU Sustainable Energy Week schön zu sehen was es alles an Projekten gibt in den anderen Mitgliedsstaaten. Ich war erstaunt welch großen Raum der Faktor dezentrale Energieversorgung in den Gemeinden, Städten oder Regionen einnimmt und, dass die Rolle die Bürger so betont wird. Es ist immerhin eine Veranstaltung der zentralen europäischen Einrichtung, der EU-Kommission.
Ich konnte selbst nur eine Session zum Thema Bürgerenergie verfolgen, „Cities and Citizens in the Energy Union“ – „Städte und Einwohner in der Energie Union“. Dort kamen neben Vertretern von den großen Städten Barcelona, Göteburg und London auch engagierte Energiebürger wie Dirk Vansintjan von der belgischen Energiegenossenschaft Ecopower und der ebenso engagierte Abgeordnete des Europaparlamentes Claude Turmes zu Wort.
Europäische Städte brauchen mehr Unterstützung für Energiewende
Claude Turmes hat sich wieder als der große politische Vorkämpfer für die Bürger-Energiewende gezeigt – nach dem großen Widerspruch bei der Eröffnungs-Session. Für ihn ist klar, die Energiewende und der Klimaschutz kann nicht von oben kommen. Eigentlich war sogar schon nach dem Gipfel in Rio 1992 zu sehen, dass die Veränderungen von den Bürgern kommen müssen, von den Städten und Gemeinden vor Ort. Daher muss jetzt noch mehr getan werden, damit Städte und Gemeinden unterstützt werden, damit sie sich europaweit vernetzten und Erfahrungen austauschen können. Beispiele dazu werde ich weiter unten noch vorstellen.
Was bisher geschieht, ist leider eher eine Erschwerung für die Kommunen. So kann Göteborg zwei geplante Biomassekraftwerke nicht bauen, wegen Widerstand von der EU, aber gleichzeitig bekommt Großbritannien die Genehmigung für die bisher größten Subventionen in Europa, um ein neues Atomkraftwerk zu bauen.
Auch wenn die dezentrale Energiewende ein großes Thema war in der vergangenen Woche, fehlt noch viel an Unterstützung. Man merkt doch, dass die Energie-Union ursprünglich den Ausbau der Kohlekraftwerke mit hohen Subventionen im Fokus hatte. Ganz anders soll es in den USA sein, berichtete Claude Turmes von einer kürzlichen Reise. Dort haben Städte die stärkste Lobby, noch stärker als die Waffen- oder die Öllobby. In Europa haben die großen Energieversorger noch eine bedeutenden Einfluss und bremsen jede Veränderung aus.
Vorbildliche Energiegenossenschaft Ecopower aus Belgien
Nicht nur in Deutschland wird die Energiewende von den Bürgern bezahlt, auch in anderen europäischen Ländern sieht man dies als einen der vielen Gründe für das Recht die Anlagen für erneuerbare Energien auch besitzen zu dürfen. Wind und Sonne sind Gemeingut und gehören weder dem Staat, noch den Konzernen. Ein schönes Beispiel dafür war der Global Wind Day, der ebenfalls letzte Woche stattfand. An diesem Tag haben Bürger aus Flandern ihren „Wind-Claim“ abgesteckt und in Briefen an die Politik verlangt, diese Claim auch nutzen zu dürfen. Bürger wollen in die lokale Infrastruktur investieren, denn da bleibt der persönliche Bezug zur Stromgewinnung und man weiß wohin das Geld geht, im Gegensatz zu anonymen Großkonzernen.
Ja, die Bürger in Flandern sind wohl besonders engagiert. Die Energiegenossenschaft Ecopower aus Flandern gehört zu den größten ihrer Art in Europa. Der Gründer Dirk Vansintjan hatte einiges zu erzählen und mehr darüber gibt es auf dieser deutschsprachigen Seite von Ecopower zu lesen.
Bei Ecopower kann sich wirklich jeder beteiligen, bereits ab 5 € im Monat ist man bei der Finanzierung von hauptsächlich Windenergie-Anlagen mit dabei. Mit der Einspeisevergütung schafft Ecopower eine halbe Stelle für einen Wartungsingenieur pro Windrad, der sich auch um die Unterstützung der Bürger kümmert Strom einzusparen. Der Strom aus diesen bürgerfinanzierten Anlagen kann in Belgien wieder direkt an die Bürger, bzw. Mitglieder der Genossenschaft, verkauft werden. Er muss damit nicht an der Börse verramscht werden, wie in Deutschland, damit die Industrie mit billigstem Strom versorgt werden kann.
Damit erhalten die Mitglieder der Genossenschaft relativ günstigen Strom, zu einem Selbstkostenpreis und haben immer einen persönlichen Bezug zu dem Strom, den sie selbst finanziert haben. Auch wenn hierzulande der Anteil erneuerbarer Energien im Strommix höher ist, ist das schon ein Schritt weiter in der dezentralen Energiewende. In Deutschland kommt da nur das Modell der Bürgerwerke – ein Zusammenschluss von Energiegenossenschaften – in diese Richtung.
Beispiele für Vernetzung europäischer Initiativen
Die europäische Vernetzung der Bürger-Energiegenossenschaften ist bei uns kaum bekannt oder kein Thema. Dabei gibt es sogar einen europäischen Dachverband oder ein Netzwerk mit REScoop. Die Abkürzung REScoop steht für Renewable Energy Sources COOPerative = Erneuerbare-Energien-Genosenschaften. Deutschland ist dort vertreten mit dem DGRV, dem Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverband e. V., in dem die rund 800 Energiegenossenschaften organisiert sind. Besonders interessant ist die Karte der Energiegenossenschaften in Europa, die zeigt, dass wir in Deutschland nicht alleine sind.
Ein weiteres Beispiel der Vernetzung ist der Konvent der Bürgermeister, oder „Covenant of Mayors“. Dieser definiert sich als eine europäische Bewegung von Städten, die sich freiwillig zur Steigerung der Energieeffizienz und Nutzung erneuerbarer Energien verpflichten. Auf lokaler Ebene haben sich die Mitglieder das Ziel gesetzt die europäischen Klimaschutzziele bis 2020 zu übertreffen.
Ganz ähnlich sind die lokalen Regierungen für Nachhaltigkeit oder Local Governments for Sustainability, ICLEI. Sie gehören ebenfalls zu den Veranstaltern der Session, die ich auf der EUSEW besucht habe. Sie fordert in der kommenden EU-Richtlinie für erneuerbare Energien eine ausdrückliche Stärkung lokaler und regionaler politischer Gremien und der engagierten Bürger, um den Ausbau der erneuerbaren Energien voran zu bringen. Die Richtlinie sollte auch Anreize enthalten in den Mitgliedsstaaten die Bürgerenergie auszubauen und den Zugang der Bürger zu Finanzierung aufrecht zu erhalten oder auszubauen.
Ein weiteres Netzwerk, das sich für Bürgerenergie in Europa einsetzt, ist Communitypower oder kurz: Co-Power. Das Ziel ist der Aufbau eines breiten Netzwerkes durch ganz Europa, um den Aufbau erneuerbarer Energien in Bürgerhand zu stärken. Es geht um die Verbreitung von Informationen und um die Unterstützung für eine Bürgerenergie-freundliche Gesetzgebung.
Preisträger des Awards der EU Sustainable Energy Week
Zum Schluss noch und der Vollständigkeit halber die Preisträger der EUSEW 2015 Awards. Diese gehören für mich in diesen Beitrag, denn sie stärken alle den mündigen Energiebürger.
Kategorie Erneuerbare Energien: Co-operative Energy’s User Chooser, im Rahmen der Energiegenossenschaft können die Mitglieder, bzw. die Kunden, ihren eigenen Strom aus den gewünschten Anlagen zusammen stellen.
Kategorie Städte, Gemeinden und Regionen: Desendolla’t, in diesem Projekt konnten an einigen Schulen durch intelligentes Energiemanagement große Mengen an Energie eingespart werden und die Schüler wurden selbst informiert wie sie dazu beitragen können.
Kategorie Energieeffizienz: ecoGator, mit dieser App können Verbraucher beim Kauf neuer Haushaltsgeräte schneller und einfacher die Folgekosten für Strom und Wasser erkennen.
Über Andreas Kühl
Energieblogger aus Leidenschaft mit großem Faible vor allem für effiziente Energienutzung im Strom- und Wärmebereich. Aber auch die kostenlose Energie, die uns die Natur zur Verfügung stellt ist faszinierend und Herausforderung zugleich.