Ernest und Célestine werden Freunde.
Die französische Bilderbuchkünstlerin Gabrielle Vincent, 2000 verstorben, gehörte ihrer Tage zu den wohl bekanntesten Autorinnen ihrer Heimat. Sie vereinte die Fähigkeiten einer Malerin, einer Illustratorin und einer Autorin in einer Person, erschuf mit dieser kombinatorischen Fertigkeitenliste u. a. die Kinderbuchreihe von Ernest und Célestine, die nicht nur vielfach ausgezeichnet, sondern auch in ebenso zahlreiche Sprachen übersetzt wurde. Unter der gemeinsamen Regieleistung von Stephane Aubier, Vincent Patar und Benjamin Renner folgte nun auch die Übersetzung in den filmischen Raum. Sie erschufen den Bären Ernest und die kleine Maus Célestine für die Leinwand, orientierten sich hierfür am Aussehen und Ton der Vorlagenreihe, kreierten aber ein eigenständiges Abenteuer.
Ebenso wie es in der Welt der Bären, in der Ernest lebt, verpönt ist, sich mit einer Maus anzufreunden, so sehr wird in der Welt der Mäuse gepredigt, dass Bären unfreundliche, gar grausame Wesen sind. Die Aufseherin in Célestines Waisenhaus berichtet jeden Abend von Geschichten, die gruseligen Schauermärchen gleichen und die Bären wie grausame Monster darstellen. Nur will Célestine nicht so recht an all das glauben. Sie macht immer wieder Ausflüge in die Welt der Bären um sich selbst von der Wahrheit zu überzeugen. Dort trifft sie dann auf Ernest, ein großer Bär, der als Clown und Musiker nicht unbedingt den konventionellen Vorstellungen der Bären-Gesellschaft entspricht. Ernest nimmt die Waise aus der Mäusewelt bei sich auf. Sie unterstützen und helfen sich gegenseitig, auch wenn das von ihren jeweiligen Mitbären und –mäusen mit höchster Sorge betrachtet wird.
Die anderen Mäuse verachten Célestine, da diese Bären gar nicht so schlimm findet.
Dabei agieren beide Vertreter ihrer jeweiligen Gesellschaft nicht unbedingt als Vorzeigeobjekte. Ernest, der lieber musikalisch aktiv ist, als dass er Jura studiert, wie es eigentlich für ihn vorgesehen war und Célestine, die sich nicht vorstellen kann als Zahnärztin zu arbeiten, wie es jeder Maus vorherbestimmt ist. Sie malt lieber, ganz gleich ob Landschaften, Mäuse oder Bären, kann sich partout nicht vorstellen, die Kunst aufzugeben. Hier finden diese beiden unterschiedlichen Individuen ihre Gemeinsamkeit in einer Umwelt, die auf Gleichheit getrimmt wird.
Das ruft natürlich die Sittenwächter auf den Plan. Nach einem Zahnraub Célestines, bei dem sie von Ernest unterstützt wird, werden die beiden ungleichen Freunde auf einmal sowohl von der Mäusepolizei als auch von den Ordnungswächtern der Bärenwelt verfolgt. Da sind sich dann selbst diese wieder einig und zeigen unbewusst ebenfalls, dass Mäuse und Bären gar nicht so verschieden sind. Ob nun durch die Freundschaft von einem Bären zu einer Maus gezeigt, oder eben durch das Verhalten eines ganzen Gruppenauftretens der jeweiligen Spezies. Auf der Flucht vor der Polizei verstecken sie sich dann in einer abgelegenen Hütte im Wald, dort draußen, fernab der Gesellschaft, wo die Ordnung so oder so außer Kraft gesetzt ist. Das Fluchtauto, die Stadt repräsentierend, wird einfach unter Hilfenahme eines Pinsels übermalt, im Namen der Kunst unsichtbar gestrichen.
In der Bärenwelt verachtet man die Mäuse aus dem Untergrund.
Bei dieser Episode des Zusammenlebens könnte es sich um eine Odd Couple-Konstellation für Kinder handeln. Vor allem Ernest gäbe einen wunderbaren Walter Matthau ab, grummelig wie charmant zugleich. Aber die Synchronisation übernimmt an dieser Stelle Lambert Wilson (Auf den Spuren des Marsupilami), während Pauline Brunner die Stimme von Célestine spricht.
Die Welt von Ernest und Célestine ist ein Kunstwerk aus Pastellwasserfarbe, bevölkert mit Niedlichkeit. Die Figuren wurden mit feinstem Tintenstrich erschaffen, bewegen sich in detailreichen Umwelten, von einer liebevoll gestalteten Mäusestadt im Untergrund, in der es überall vor Mäusen wuselt, zu einer Bärenstadt an der Oberfläche, die sich kaum von der Welt der Menschen unterscheiden lässt – ausgenommen der Bärenbewohner natürlich. Eine Ober- und eine Unterschicht bieten zusätzlich ein Bild einer Zweiklassen-Gesellschaft, hier ganz kindlich und dennoch mit ernstem Unterton dargeboten.
So wie das Unten und Oben am Ende außer Kraft gesetzt wird, kämpfen Ernest und Célestine für die gesellschaftliche Gleichstellung, für Akzeptanz und Verständnis. Das Anders-Sein steht im Mittelpunkt, die Konformität der Dinge wird angeprangert. Und das in wundervoll gezeichneter Manier, wie Hollywood sie verlernt zu haben scheint.
“Ernest & Célestine“
Originaltitel: Ernes Et Célestine
Altersfreigabe: ab 6 Jahren
Produktionsland, Jahr: F, 2012
Länge: ca. 76 Minuten
Regie: Stéphane Aubier, Vincent Patar, Benjamin Renner
Synchronstimmen: Lambert Wilson, Pauline Brunner
Heimmedienstart: 3. Dezember 2013
Im Netz: ascot-elite.de