Erkenntnisse aus dem Subtext

Das «öffentliche ENSI-Forum» war zwar alles andere als öffentlich, aber es brachte ein paar Erkenntnisse. Vor allem über das Selbstverständnis der Atomaufseher.

Erkenntnisse aus dem SubtextIch war dabei, liebe Leserin, lieber Leser. Als einer von etwa 150 handverlesenen Gästen durfte ich einen Vormittag lang Reden hören (Bundesrätin Doris Leuthard, ENSI-Direktor Hans Wanner) und danach einer Diskussionsrunde lauschen. Ein öffentliches Hearing, wie dieses «öffentliche ENSI-Forum zu den Massnahmen nach Fukushima» eigentlich im europäischen Stresstest für AKWs vorgesehen war, war der Anlass zwar bei weitem nicht. Aber auch nicht einfach eine Plauderstunde, wie ein Vertreter von Greenpeace erklärte. Nennen wir das Ganze doch einfach einmal eine Veranstaltung mit Subtext. Denn wer genau hinhörte, bekam einiges geboten in Sachen Selbstverständnis des Nuklearsicherheitsinspektorats (ENSI). Zum Beispiel:

Die Nähe von AKW-Betreibern und ENSI ist gut. «Je besser wir die Betreiber kennen, desto besser können wir sie beurteilen», sagt ENSI-Direktor Hans Wanner, und: «Der Beaufsichtigte darf nicht Angst haben müssen, vom Aufseher hintergangen zu werden.» Filz? Gibt’s hier nicht. Dumm nur, dass der ENSI-Rat, das eigentliche Aufsichtsorgan über das ENSI, derzeit Vorwürfe untersucht, dass Aufseher und Beaufsichtigte zu sehr «frère et cochon» seien. Affaire à suivre.

«Das ENSI ist keine politische Behörde.» Sagt Bundesrätin Doris Leuthard in ihrer Rede. «Entscheide [zur Betriebsbewilligung] sollen nicht durch eine andere Instanz [dh ein Gericht] und allenfalls noch politisch motiviert umgestossen werden.» Sagt ENSI-Direktor Hans Wanner, selbstverständlich völlig unpolitisch.

Die Meinung des ENSI ist eine Zweitmeinung.
So definiert dies wiederum ENSI-Direktor Wanner. Die Erstmeinung wäre demnach diejenige der eigentlich vom ENSI zu beaufsichtigenden AKW-Betreiber. Klar, dass in einem solchen System eine Drittmeinung – etwa diejenige der Kommission für die nukleare Sicherheit (KNS) – einen schweren Stand hat.

Die KNS ist eigentlich überflüssig. Nein, so direkt sagt das selbstverständlich niemand. Aber dass die kleine, schlecht bezahlte KNS mit ihren bloss sieben Mitgliedern gelegentlich mal zu anderen Schlüssen kommt als das ENSI, das ärgert dessen Verantwortliche schon. Die KNS soll deshalb zurück-, respektive eingebunden werden. Am liebsten sähe man es im ENSI, wenn die KNS ihre Meinung nicht mehr frei publizieren könnte, sondern an das ENSI rapportieren müsste, bevor dieses dann eine Synthese der beiden Meinungen veröffentlichen würde. So äussert sich ENSI-Direktor Wanner, und so sieht es auch ENSI-Ratspräsidentin Anne Eckhardt. Selbstverständlich müsste schon die Stellungnahme der KNS an das ENSI publiziert werden, sagt Eckhardt am Rand der Veranstaltung. Ehhm, könnte man dann nicht einfach die unabhängige KNS unabhängig bleiben lassen?

Die Bundesrätin ärgert sich. Und zwar über das Bundesverwaltungsgericht, das ihrem Departement die Kompetenz zuschanzen will, über die Betriebsbewilligung für das AKW Mühleberg zu entscheiden. «Das Bundesverwaltungsgericht irrt», sagt die Magistratin öffentlich. Es könne nicht sein, dass das UVEK die Einschätzung des ENSI «übersteuert»: «Ich habe keine Lust, eine ganze Abteilung Physiker zu beschäftigen.» Wie war das noch gleich mit der Gewaltentrennung, Frau Bundesrätin?

Hans Wanner macht ein Angebot. Das «öffentliche Forum» habe gezeigt, wie wichtig der Kontakt mit «Stakeholdern» sind, sagt der ENSI-Direktor zum Schluss. Er verspricht, künftig mit Interessierten ähnliche Veranstaltungen zu fachlichen und technischen Fragen durchzuführen. Immerhin.

Die Tweets von @beobangeli zum #ENSIForum gibt es hier.


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