Pluhar erzählt von alternden Menschen und ihren Beziehungen. Pluhars Paare allerdings sind nicht, wie der Titel vielleicht vermuten ließe, weise, sondern sie sind in Konflikten gefangen, mit denen sie sich halbwegs zu arrangieren wissen. Oder sie sind gar keine Paare (mehr), sondern einsame Menschen, die sich gerne paaren würden…
Ein kleiner Flirt
So zum Beispiel gleich in der ersten Geschichte, die in einem Schnellzug, der durchs malerische Rheintal fährt, spielt. Ein Herr, allein reisend, sitzt im Speisewagen, da wird eine Dame von einem plötzlichen Schlenker des Waggons zu ihm „hergeweht“, lässt sich von ihm an seinen Tisch einladen, und damit beginnt ein schöner, kleiner Flirt. Beide erlauben sich kleine Überschreitungen des konventionellen Sicherheitsabstands zwischen den Menschen, und das ergibt ein aufregendes Prickeln. Schließlich allerdings muss die Dame aussteigen, und sie tut es, obwohl der Herr sie aufgefordert hat, doch einfach sitzenzubleiben. So weit geht seine Anziehungskraft denn doch nicht, als dass ihm dieser Wunsch erfüllt würde.
Er übt und übt
Die dritte Geschichte, „Zadis“, erzählt, wie viele andere der Geschichten auch, von Künstlern: In diesem Fall einem Pianisten, der immer nur ganz in sich versunken übt und übt, seine Partnerin Zadis aber kaum wahrnimmt. Das ändert sich kaum, als sie ihm eröffnet, schwanger zu sein. Und ihn verlassen zu wollen.
Wo leben?
Interessant auch die Geschichte „Die Veranda“, die von einer im Rollstuhl sitzenden Schlaganfallpatientin erzählt, die sich dagegen zu wehren versucht, dass ihre Betreuerin, Frau Hausinger, über ihr Leben zu bestimmen versucht. Ohne dies in irgendeiner Weise böse zu meinen, ja, ohne es überhaupt zu bemerken. Einem Behinderten gegenüber verhält man sich als Betreuerin eben so. Man will, dass die Gelähmte zumindest ordentlich isst (was sie nicht gern tut) oder sich in der Gegend herumführen lässt. Doch Klara, die Gelähmte, sitzt am liebsten auf der Veranda. Der Schluss: „Manchmal bin ich hungrig, denkt Klara. Manchmal freue ich mich aufs Essen, und Frau Hausinger kocht sehr gut. Aber manchmal weiß ich nicht, wozu ich essen soll. So, wie ich manchmal nicht weiß, wozu ich leben soll.“ Genau das ist die leise Melancholie der Erzählungen dieses Bandes.
Eingestreut sind auch Gedichte, während ich von „Betrachtungen“ im Sinne nicht-erzählender Texte nichts bemerkt habe.
Beziehungsaquarium
Die letzten beiden Erzählungen sind die längsten. Wie gesagt, die vorletzte habe ich nach einigen Seiten überblättert, die letzte hingegen wieder gelesen. Sechs alternde Schauspieler, alle Absolventen derselben Schauspielschule, fahren miteinander im Zug am Meer entlang zu einem Drehort, wo eine Doku über die Schauspielschule gedreht werden soll. Sie haben einander lange nicht gesehen. Jetzt tauchen Erinnerungen an die Studentenzeit auf, gepaart mit trübsinnigen Gedanken über ihre nicht gerade gloriosen Karrieren. Das Zugsabteil als Beziehungsaquarium. Wir sehen nur einen kleinen Ausschnitt ohne rechten Anfang und Ende…
Schön geschriebene, melancholische Geschichten und Gedichte, gespeist aus dem unerschöpflichen Vorrat an Problemen, die menschliche Beziehungen und Beziehungswünsche bereithalten. So vieldeutig der Titel, so unterschiedlich die Konstellationen.
Erika Pluhar: Paar Weise. Geschichten und Betrachtungen zur Zweisamkeit. insel taschenbuch 4183. Berlin, Insel Verlag, 2012. 223 Seiten.
Bild: Wolfgang Krisai: Abendliches Gespräch. Tuschestift, ca. 2010.