Mit der Veröffentlichung der Gedichte "Höre Israel" von Erich Fried macht der Melzer Verlag, Neu-Isenburg, den sehr politischen und nach wie vor hochaktuellen Gedichtzyklus von Erich Fried erstmals seit 1993 wieder einem breiten literarischen und politisch interessierten Publikum zugänglich.
Die politische Seite des beliebten Lyrikers ist nicht vielen Menschen bekannt. Durch diese Veröffentlichung von „Höre Israel" erhält nun eine neue Generation die Gelegenheit, einen zentralen Teil der politischen Lyrik Erich Frieds kennenzulernen. Und das gleich zweimal: In Form eines sehr schön gestalteten Lyrikbandes und in Form eines mit Hingabe und auf höchstem künstlerischen Niveau von Beate Himmelstoss und Jürgen Jung vorgetragenen Hörbuches. Die Lyrik- und Textlesungen werden an ausgewählten Stellen von Baher al-Regeb (Qanoun) und Ghigian Qaimari (Oud) musikalisch betont.
Frieds Texte zeichnen sich durch ein tiefes Mitgefühl aus, das er den bedrängten, geschlagenen, entwürdigten und ermordeten Menschen entgegenbringt. Voller Schmerz trauert er um die vielen Millionen ermordeten Juden Deutschlands und Europas. Er teilt und versteht ihre Verzweiflung und ihre Suche nach einer neuen Lebensperspektive.
Gleichzeitig verurteilt er aber auch leidenschaftlich die bis heuet andauernde Erniedrigung und Vertreibung der Palästinenser durch verschiedenste zionistische Regime. Und um diese zentrale Aussage kreist Frieds Gedichtzyklus: Man kann eines der größten und schrecklichsten Verbrechen der Menschheitsgeschichte - den Völkermord an den europäischen Juden - nicht ausgleichen, indem man mit Massakern, Apartheid und ethnischen Säuberungen selbst grausamste Verbrechen an seinen Mitmenschen begeht.
Fried liebt die Menschen, wütet aber gegen die Gewalt, die der Mensch seinen Mitmenschen antut.
Geprägt durch die Verbrechen der Nazis
Als 1921 in Wien geborener österreichischer Jude wurde Fried früh geprägt durch die Verbrechen der Nazis. Sein Vater wurde von der Gestapo in Wien ermordet. Besonders diese Erfahrungen führten Fried dazu, politisch aktiv zu werden, und mit seiner Kunst gegen Rassimus und Unterdrückung anzuschreiben.
Im Vorwort von „Höre Israel" aus dem Jahr 1974 schreibt Fried:
„So protestierte ich gegen die Greul in Algerien, gegen den Vietnamkrieg, gegen die Konterrevolution in Guatemala und im Kongo, gegen Justizmorde an Schwarzen in den Vereinigten Staaten und an den Weissen und Gelben in den letzten Jahren der Stalinära. So kam ich auch dazu, gegen das zu protestieren, was Israelis den Palästinensern und anderen Arabern antaten und immer noch antun."
„Gefundene Texte" und Frieds Gedichte
Sein Gedichtzyklus ist in mehrere Kapitel unterteilt: Die Gedichte im ersten Kapitel „Judenfragen" sind frühe Gedichte zum Thema, die aber teilweise noch verschlüsselt sind. Der Sechstagekrieg von 1967 zwang ihn aber, so schreibt Fried, „auf Verschlüsselungen zu verzichten" und die Verbrechen und Verbrecher beim Namen zu nennen.
Alle diese Gedichte berühren den Leser und Hörer zutiefst. Einen besonderen Einblick in die Politik des Zionismus geben die Gedichte aus dem Kapitel „Gefundene Texte", in dem Fried Orginaltexte der zionistischen Theoretiker in Versform gesetzt, ansonsten aber unverändert, übernimmt.
So beispielsweise die „Tagebucheintragung am 12. Juni 1895" von Theodor Herzl, dem Begründer des modernen Zionismus. Hier ein Auszug daraus:
„Die arme Bevölkerung
trachten wir
unbemerkt
über die Grenze zu schaffen
indem wir ihr in den Durchzugsländern
Arbeit verschaffen
aber in unserem eigenen Lande
jederlei Arbeit verweigern."
Fried bezieht Stellung: Gegen Antisemitismus und gegen Zionismus
Fried bezieht in seinen Gedichten eindeutig Stellung. In der Einleitung schreibt er:
„Dieses Buch wendet sich gegen das Unrecht an den Palästinensern. Es will zugleich dazu beizutragen versuchen, dass die heute in Israel lebenden Juden und ihre Kinder und Kindeskinder wieder auf eine friedliche Zukunft hoffen können. Es wendet sich ebenso gegen den Zionismus wie gegen das Regime in Jordanien oder Saudi-Arabien und gegen alle, die durch Verfolgung von Juden und antisemitische Schikanen den Zionisten Zuzug entwurzelter und verzweifelter Menschen Verschaffen."
Vehement weist er in seinem Gedicht „Benennungen" jeden Antisemitismus zurück. Hier ein kurzer Auszug:
„Die gestern geschrien haben
„Die Juden sind schuld"
Sollen heute nicht schreien
„die Zionisten"
Die geschrien haben
„Die Juden sind schuld"
Sind schuld daran
Daß die Zionisten schuld werden konnten
Die geschrien haben
„Die Juden sind unser Unglück"
Sind das Unglück der Juden
Und der Palästinenser geworden"
Historische Einordnung des Massakers in „Deir Yassin"
Fried beantwortet in seiner Lyrik viele wichtige Fragen im Zusammenhang mit dem Nahost Konflikt. In seinem Gedicht „Deir Yassin" findet er eine Antwort auf die Frage, wo das Massaker von zionistischen Einheiten an Zivilisten im gleichnamigen palästinensischen Dorf historisch einzuordnen ist:
„Wohin gehört Deir Yassin
in meinem Kopf?
Es gehört zu Guernica
Und zu Warschauer Ghetto
Es gehört zu Lidice
Und zu Oradour
Es gehört zu My Lai
Und zu Bin-Du-Ong in Vietnam"
Zur historischen Einordnung schreibt er das Folgende:
„Ich kann ... verstehen, dass jeder Vergleich der Untaten des Zionismus mit denen des Nationalsozialismus Empörung auslösen wird. Auch in mir empört sich einiges, wenn ich solche Vergleiche ziehe. Israel hat keine Gaskammern gebaut; auch die Entstehung des Konflikts und die Zahl der bisherigen Opfer entzieht sich dem Vergleich. Aber weil viele Israelis, von einzelnen bis zu Regierungsstellen und militärischen Führungsgremien, deutliche Zeichen des Übernehmens und Weitergebens von Verhaltensmustern ihrer Todfeinde von gestern zeigen, drängt sich dieser hässliche Vergleich manchmal auf ..."
In Frieds Gedichten steckt ein immenser Ideen- und Erkenntnisreichtum. Sie richten sich gegen die Entrechtung und Erniedrigung des Menschen durch den Menschen. Sowohl Buch als auch Hörbuch sind eine künstlerische Freude und eine Inspiration für einen Kampf gegen die Unterdrückung allgemein und für die Befreiung Palästinas im Besonderen.
Ein wertvolles Buch und eine wertvolle CD, die sich wunderbar ergänzen.
Eine Rezension von Francis Byrne für die Linke Zeitung, welche sie uns zur Verfügung gestellt hat.
Erich Fried, "Höre Israel" Melzer Verlag, Buch (ISBN 3981318994) 181 Seiten, 18 €. Doppel CD im Jewel Case (ISBN 394247205), 14,99 €.
Buch und CD sind in allen Buchhandlungen oder diret beim Verlag bestellbar:
http://www.melzer-verlag.de
Hörproben aus der CD gibt es hier: http://www.melzer-verlag.de/leseproben/21-leseproben/74-hoerprobe-hoere-israel-erich-fried.html