Erica im Test – Thriller auf dem Touchpad

Wer hat sie vermisst, die klassischen Interaktiven Filme der 1990er? Niemand? Egal. Flavourworks setzt jetzt trotzdem auf dieses Pferd und veröffentlicht einen Mysterythriller, in dem zahlreiche Entscheidungen des Spielers das Geschehen immanent beeinflussen.

Worum geht's?

Erica im Test – Thriller auf dem TouchpadErica, die ihren Vater einst ermordet mit einem okkulten, in seine Brust geritzten Symbol vorfand, hat Paketpost erhalten: Eine blutige Hand ist darin, darein geschnitten das gleiche Symbol, das einst ihren Vater verunstaltete. Der herbeigerufene Detective nimmt sie mit in die Irrenanstalt, die ihr Vater einmal mit einem Kompagnon gegründet hat, da sie dort am sichersten sei. Schnell merkt Erica: Der Mörder ihres Vaters und die Lösung des okkulten Rätsels liegen in diesen Gemäuern versteckt.

Fingerfertig

Erica im Test – Thriller auf dem TouchpadErica wurde komplett als HD-Produktion im Stile eines gängigen Hollywood-Spielfilms gedreht. Das merkt man der hochwertigen Produktion schnell an. Unterbrochen wird die Filmwiedergabe an Stellen, an denen der Spieler eingreifen darf: Per gewischter Geste werden Gegenstände manipuliert, Türen geöffnet oder Dialogoptionen ausgewählt. Dabei kann sowohl das Touchpad des Controllers als auch das Display des Smartphones benutzt werden, denn durch die Erica-App unterstützt der Titel auch Playlink. So viel sei gesagt: Es steuert sich auf dem Touchpad dann irgendwie doch passender, die Spielerei mit dem Handy-Bildschirm ist ein nettes, aber irrelevantes Gimmick und bietet keinen Mehrwert.

Entscheidungen über Entscheidungen

Als waschechter interaktiver Film fordert Erica vom Spieler alle Naselang, verschiedenste Entscheidungen zu treffen. Das fängt bei Dialogoptionen an und geht dann weiter über die Wahl des „richtigen" Weges. Das führt dann dazu, dass endlich einmal in einem Mysterythriller die Dinge richtig laufen, die sonst immer aus Sicht des Zuschauers falsch laufen: Nein, ich gehe jetzt nicht an das einsam klingelnde Telefon! Ja, diesen Typen, der sich monologisierend immer weiter nähert, schieße ich jetzt einfach über den Haufen! Und nein, ich schlage mich nicht auf die Seite der Verschwörungen witternden Irren, sondern fackel den ganzen Laden hier einfach ab! So.

Das kann man so machen oder auch total gegenteilig. Angeblich soll Erica sogar verschiedene Entscheidungsbäume im Hintergrund auswerten, die sich auf die Intensität einer Entscheidung beziehen: Macht sie die Tür leise zu oder schlägt sie sie mit Verve in die Zarge zurück, drückt sie einmal auf die Rezeptionsklingel oder hämmert sie im Nanosekundentakt darauf herum.

Als Film ganz gut

Erica im Test – Thriller auf dem TouchpadDieses Gameplay-Konzept ist allerdings nur so gut wie der eigentliche Film, der da vor einem abläuft. Erica funktioniert als Mysterythriller ganz gut, ohne jedoch zu glänzen. Die Schauspieler leisten eine überzeugende Arbeit ab, ohne großartig positiv oder negativ aufzufallen. Der rote Faden durch die ganzen verzweigten Entscheidungen ist jederzeit erkennbar, das Story-Grundgerüst gibt genug her. Lediglich der Soundtrack driftet wirklich ins Unterdurchschnittliche ab, hier wäre ein klassischer Hollywoodkomponist die bessere Wahl gewesen gegenüber dem hier eingesetzten Spezialisten für Computerspielmusik.

Fazit

Ohne zu spoilern: Erica ist ein solider Gruselfilm, der für sich natürlich je nach gewähltem Ende zu bewerten ist. Das Konzept der Interaktiven Filme ist grundsätzlich von minimalem Gameplay und viel tatenlosem Zuschauen geprägt und daher nicht jedermanns Sache. Warum Erica insgesamt nicht über gut gemeinte Ansätze hinauskommt, liegt daran, dass die Gruselgeschichte des Films nicht übermäßig packend oder „blutgefrierend" inszeniert wird, andererseits an der genrebedingten eingeschränkten Interaktivität. Obwohl man vergleichsweise schnell in 90 Minuten einmal durch ist, macht Erica irgendwie auch nicht wirklich Lust auf Durchgang 2 oder 3. Dennoch: Als Gag kann man sich den Titel mal geben.


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