Dank hoher Feuchtigkeit kann man sie in diesem Herbst verstärkt aus Waldböden, Straßenrändern und Gartenbeeten sprießen sehen: die Pilze. Mal sind sie flach, mal wachsen sie hoch, immer sehen sie harmlos aus, viele von ihnen schmecken gut und einige von ihnen sind erwiesenermaßen tödlich. Pilze vollbringen das Kunststück, sowohl Symbole für Glück als auch für Gift zu sein. Beides scheint sich eigentlich auszuschließen, prallt aber in einem Zustand aufeinander: dem Rausch.
Die als Pizzabelag beliebten Champignons oder die häufig in Rahmsoße angerichteten Steinpilze sind völlig ungefährlich, gelten aber nicht unbedingt als Glücksbringer. Es sind die Fliegenpilze, die man weltweit als Symbole für Glück kennt - und definitiv nicht essen sollte. Wie heißt es in einem Merksatz so unoriginell: „Pilze die fliegen, darf man nicht essen, die sind giftig." Gerade diese Giftstoffe aber sind vermutlich der Grund dafür, dass Fliegenpilze und Glück miteinander in Verbindung gebracht werden.
Der giftigste aller Giftpilze ist der Grüne Knollenblätterpilz, auch liebevoll „Death Cap" („Todeshaube") genannt. Diesen Pilz versehentlich auf dem Teller zu haben, ist mit Pech noch untertrieben beschrieben. Nicht einmal die verrücktesten Schamanen empfehlen ihn als Mittel zur Ekstase. Der Grüne Knollenblätterpilz verursacht lebensbedrohliches Leberversagen. Unter allen Pilzvergiftungen mit Todesfolge werden nur 10 Prozent nicht durch eben diese „Todeshaube" verursacht. Alleine das Wissen um die Existenz eines so giftigen Pilzes, der nicht mit einer riesigen Warnleuchte oder einem Totenkopf-Symbol auf der Oberseite daherkommt, sondern leicht mit Speisepilzen verwechselt werden kann, sollte Laien daran hindern, Pilze zu sammeln und zu verzehren.
Wer das Versprechen eines Leberversagens noch nicht erschreckend genug findet, kann sich auch die historischen Dimensionen vor Augen führen. Immerhin soll Kaiser Karl VI. im Jahr 1740 einer Knollenblätterpilz-Vergiftung zum Opfer gefallen sein, was den acht Jahre währenden Österreichischen Erbfolgekrieg auslöste. Der Philosoph Voltaire konstatierte damals: „Dieses Pilzgericht hat das Schicksal Europas verändert."
Urlaubsfreundschaften und Pilzgerichte
Pilze sind nicht nur Nahrungsquelle, Rauschmittel, Gift und Glücksbringer, sondern auch Inspiration für Metaphern und Zitate. Wie jenes von Erskine Caldwell:
Erfahrungen sammelt man wie Pilze:
einzeln und mit dem Gefühl,
dass die Sache nicht ganz geheuer ist.
Urlaubsfreundschaften und Pilzgerichte soll man nicht aufwärmen.
Beide Sprüche erinnern uns daran, wie gut und kostbar, aber eben auch ungesund bis hin zu gefährlich Pilze sein können. Man sollte nicht leichtfertig mit ihnen umgehen. Nicht einmal im Traum. In der Traumdeutung gelten essbare Pilze als Mahnung, ehrlich zu sein. Giftpilze sind hingegen eine Warnung vor der Heimtücke anderer. Wegen ihrer Form werden Pilze oft aber schlichtweg als Phallussymbol interpretiert. Eine nicht näher definierte Zahl der Menschen, die von Pilzen träumt, hat also einfach nur eine schmutzige Fantasie.
Als wäre die Lage auf dem Waldboden nicht schon vertrackt genug, gibt es neben Speisepilzen und Giftpilzen auch noch mobile Pilze. Um Wolfgang Kreiner zu zitieren:
Das Freibad ist der Ort,
wo man im Sommer auch
frische Pilze bekommt.
Igitt!