Das ist mal eine neue Variante eines uralten Sündenbock-Prinzips: Nicht die Türken haben sich von 14 Milliarden Lira in 2004 auf 82 Milliarden Lira in 2013 verschuldet, ein Anstieg um fast das sechsfache, nein „die böse Zinslobby“ hat die Türken mit Kreditkarten versklavt! Wie gesagt, das sind nur die Kreditkartenschulden, nur ein Teil der gesamten Privatverschuldung von 240 Milliarden Lira in 2013. (Um ein Gefühl für diese Zahlen zu bekommen: Halbiert man die genannten Beträge, so entspricht der Wert der Verschuldung in US-Dollar!)
Er hätte natürlich auch sagen können, die Türken lebten zuviel „auf Pump“, aber in Vorwahlzeiten kommt das einfach schlechter herüber, als so eine „finstere Zinslobby-Verschwörung“…
Wenn man sich die Verschuldung genauer betrachtet, dann rühren 45%, knapp die Hälfte, aus Immobilienhypotheken. Etwas drei Prozent entfallen auf Auto-Kredite und der ganze Rest wird von über 120 Milliarden Lira entfällt auf privaten Konsum! Die Menschen bezahlen ihre Altschulden mit neuen Schulden.
Der private Konsum wird hauptsächlich durch Importe gefüttert. Das bringt den Saldo aus Import und Export mit Minus 10 Prozent gewaltig in Schieflage zu Lasten des Exports. Daraus resultiert ein Warnhinweis des IMF in seinem letzten Bericht und eine auf 7,3% gestiegene Jahresinflationsrate.
Am 8. Oktober 2013 veröffentlichte die türkische Regierung deshalb eine Reihe von Verschärfungsmaßnahmen für Kreditkartennutzung um diese Verschuldung einzudämmen. So darf die Verschuldung das Einkommen nicht um mehr als das vierfache übersteigen. Wer dreimal seine Mindestrückzahlung nicht leisten kann, dem wird die Geldautomatennutzung zeitweise abgestellt und wer mehr als dreimal die Gesamtschulden nicht bedienen kann, dem wird die Karte so lange gesperrt, bis alle Schulden vollständig gezahlt sind. Die Gesamtverschuldung wird künftig berücksichtigt und das Risiko höher bewertet.
Weil dies als erwünschte Wirkung den Inlandskonsum dämpfen wird, denken einige Konsumartikelhersteller schon über die Ausgabe eigener Kreditkarten nach, was die Maßnahmen der Regierung unterlaufen würde, Sabotage!
Dieser letzte Absatz zeigt schön, dass „die Zins-Lobby“ nicht am Konsumverhalten der Türken Schuld ist…