Erbarmen - Jussi Adler Olsen
Es ist heutzutage kaum möglich eine größere Buchhandlung zu betreten ohne im Eingangsbereich auf eine gestapelte Skyline aus Jussi Adler Olsen Büchern zu stolpern. Die Krimi-Türstopper verkaufen sich wie Bier auf dem Schützenfest.
Dass hat sicherlich auch damit zu tun, dass die Marketing-Abteilung die Romane ”Erbarmen”, “Schändung”, “Erlösung” usw. betitelt hat, um möglichst viel Kapital aus dem Stieg Larsson Hype zu schlagen. Aber da falle ich doch nicht drauf rein.
Tja, scheinbar bin auch ich für Werbung anfällig (Obwohl ich “Verblendung” nicht übermäßig geil fand). Und für zwei Taler im Krimi-Antiquariat, kann man mal einen Blick riskieren.
Am 2. März 2002 verschwindet eine Frau spurlos auf der Fähre von Rødby nach Puttgarden, man vermutet Tod durch Ertrinken. Doch sie ist nicht tot, sondern wird in einem Gefängnis aus Beton gefangen gehalten.
Der erste Fall für Carl Mørck (vom Ørck?). Der ungeliebte aber talentierte Vize-Kriminalkommissar wird in das neu gegründete Sonderdezernat Q wegbefördert, in dem er alte, ungeklärte Fälle neu aufrollen soll.
So beginnt ein unterhaltsamer, wenn auch geradliniger Krimi. Hier wird das Rad nicht neu erfunden.
Ein desillusionierter, geschiedener, rauchender, fluchender Komissar. Ein komischer Sidekick. Ein weibliches Opfer. Ein psychopathischer Kontrahent. Fertig ist der Bestseller.
Auch sprachlich wird nicht experimentiert. Die Geschichte wird ohne Schnick Schnack und stilistische Besonderheiten vorangetrieben.
Leider werden Leser, die eine Handvoll grauer Zellen zwischen den Ohren haben, den Täter schon im ersten Drittel des Buches ausgemacht haben. Viele Optionen gibt es nämlich nicht.
Das ist etwas bedauerlich, tut aber der Spannung keinen Abbruch. Adler Olsen wechselt ständig die Perspektive zwischen der Gefangenen und den Ermittlern und sorgt damit für reichlich Tempo. Wie geföhnt rauschen die Seiten an einem vorbei.
Doch ein paar Kritikpunkte kann man ihm vorhalten. Ironischerweise ist die stärkste Frauenfigur im Buch das Opfer. Alle anderen weiblichen Personen werden auf ihre sexuelle Attraktivität reduziert oder sind nervtötend (allerdings sind die Männer auch nicht gerade sympathisch).
Mørcks Sidekick, der mysteriöse Syrer Assad, ist zwar eine der unterhaltsameren Figuren, wirkt aber zu keiner Zeit wirklich authentisch.
Und wie immer bei Krimis stellt sich nach Abschluss der Ermittlungen Ernüchterung ein. Das soll es nun gewesen sein? Vor allem, wenn der Showdown so vorhersehbar ist wie hier.
Aber das ist halt so in einem Genre, bei dem die Handlung im Mittelpunkt steht. Nachdem die Spannungs-Sucht kurzzeitig gestillt wurde, klappt man den Buchdeckel zu und ist wieder auf Entzug.
Fazit - Guter Zeitvertreib für die Druckkammer
Mit “Erbarmen” kauft man sich laut Produktbeschreibung einen “dämonischen Psychothriller” und bekommt auch einen solchen. Nicht mehr und nicht weniger.
Wer keine übermäßigen literarischen Ansprüche hat und eine temporeiche Urlaubslektüre sucht, kann mit 50 Seiten pro Stunde bis zum lupenreinen Showdown brettern. Solider Krimi-Stoff für die schnelle Bedürfnisbefriedigung.
Wertung 3/5
1. Geht gar nicht 2. Is OK 3. Gut 4. Richtig gut 5. awesomatik!
Alle awesomatik Rezensionen auf einen Blick
awesomatik Kuriosum
Was sich als Buch gut verkauft, bringt bestimmt auch Zuschauer ins Kino. Und Zapzarap, hier ist schon die Verfilmung.
Sieht sehr gut aus! Nur Uffe hätte man besser besetzen können…
Ein anderer Roman in dem eine Druckkammer als Foltermethode eingesetzt wird ist übrigens Gnadenlos von Tom Clancy.
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Erbarmen: Der erste Fall für Carl Mørck, Sonderdezernat Q (Taschenbuch)
Erbarmen: Thriller (Kindle)
Schlagworte: Dänemark, Erbarmen, Jussi Adler Olsen, Krimi, pageturner, Rezension, Skandinavien, Spannung, Stieg Larsson