Episode 9

Was bisher geschah:

Student Max ergriff die Flucht. Grund genug hatte er. Angst vor der Zukunft, lebenswegbestimmende Eltern und eine Freundin, die ihn betrog. Der Sommer schien gelaufen. Max stieg in den Flieger nach Barcelona. Einen Alkoholexzess später erwachte er mit Brummschädel und unbekanntem Mädchen im Bett. Sie hieß Anna, machte gerade ein Erasmusjahr in Barcelona und gabelte Max am Vorabend auf. Beide verstanden sich prächtig, auch wenn Max, dank Blackout, sie gerade neu kennenlernen durfte. Als er Anna zum Frühstück einladen will, fällt im ein Zettel in der Hosentasche auf. Warum steht da das Datum von heute drauf und die beiden Orte »Barcelona« und »Alcudia«?

Max dachte er sei im falschen Film

»Nein, ich kann mich nicht an diesen Zettel erinnern. Wer oder was zum Geier ist Balearia? Und Alcudia? Liegt das nicht auf Mallorca? Soll das heißen, ich …«, Max wurde an der Stelle von Anna unterbrochen.
»Genau. Du bist gestern Abend noch in den Besitz eines Fährtickets mit Ziel Mallorca gekommen.«
»Mallorca? Ich bin doch gestern erst in Barcelona gelandet, warum sollte ich denn gleich weiter nach Mallorca wollen? Was will ich denn überhaupt auf Mallorca?»
»Also gestern Nacht klangst du sehr euphorisch.«
»Warum das denn? Was hab ich gesagt? Und woher hab ich dieses Ticket denn überhaupt?
»Gewonnen, Max!«
»Gewonnen? Wobei gewinnt man denn bitte Tickets für eine Fähre?«
»Beim Billard! Du meintest wortwörtlich zu mir: ‘Anna, morgen fahr ich nach Malle. Dieses Ticket hier hab ich ehrlich beim Spielen gewonnen. War der Einsatz von diesem armen Gauner gewesen, dem ich es abgenommen habe. 80 Euro in bar besaß er nicht, also ging seine First-Class-Fahrkarte an mich.’«

Max dachte er sei im falschen Film. Er war nie gut am Tisch gewesen und jetzt hat er hier in einer katalanischen Nacht den Ronnie O’Sullivan raushängen lassen? Er spielte um Geld Billard? Verrückt. Doch irgendwie fand er Gefallen an der Idee.

»Na gut, wenn mich meine Reise weiter nach Mallorca führt, dann ist das eben so«, befand er und zuckte mit den Schultern. »Wie sieht´s aus, gehen wir jetzt frühstücken, Anna?«

Während sich beide anzogen, bemerkte Anna noch, dass er sie gestern Nacht fragte, ob sie ihn nicht nach Mallorca begleiten wolle.

»Und?«, fragte Max jetzt ganz lässig, der sich in der Rolle des Draufgängers gefiel. Dieses andere Ich, das gestern die Nacht unsicher machte, faszinierte ihn. So wollte er immer schon einmal sein und nicht immer nur zu allem Ja und Amen sagen. Er nahm sich vor, diesen Weg jetzt auch einmal im nüchternen Zustand einzuschlagen.

»Ob Du es glaubst oder nicht, aber ich würde Dich auf der Stelle begleiten. Irgendwie lag ich mit Dir gleich auf einer Wellenlinie, auch wenn Du Dich daran leider nicht mehr erinnern kannst.«
»Aaaaaaber? «

»Ich kann nicht. Ich bin schon verplant. Morgen startet meine 3-tägige Flugreise nach London. Sightseeing und Shopping an der Themse. Ich liebe es! Doch mit Dir Mallorca zu erleben … das hätte auch was gehabt.«

Jetzt ärgerte er sich richtig

Max ärgerte sich ein wenig, da er Gefallen an Anna gefunden hatte. Während er noch darüber sinnierte, wie es wohl mit ihm und ihr hätte weitergehen können, stand sie bereits fertig gekleidet vor ihm. Wäre er ein Atze gewesen, dann hätte er jetzt einen lauten Pfiff ertönen lassen. War er aber nicht, doch gepfiffen hätte er gerne, immerhin stand sie in einem engen weißen Tank Top und schwarzen Shorts vor ihm. Dazu eine gesunde Bräune und wilde dunkle Locken. Jetzt ärgerte er sich richtig, verlor aber darüber kein Wort.

Anna übernahm die Führung, nachdem Max seine Sachen zusammengesucht und sich den Rucksack über die Schultern geworfen hatte. Sie verließen das Hotel del Mar und schlenderten durch das Gotische Viertel. Vorbei am Picasso-Museum und der Sagrada Familia zum Place de Catalunya. Hier bestiegen sie den Bus der Linie 43. Max ließ sich von ihr führen und genoss es. Sie meinte, sie kenne da jemanden in einem Hotel am Strand und die beiden würden dort das Frühstück zum Vorteilspreis erhalten. Es liege zwar ein wenig entfernt, aber die Bustour würde Max einen kleinen Eindruck von Barcelona vermitteln.

Zwanzig Minuten stiegen sie aus dem Bus und befanden sich direkt vor dem Rafaelhoteles in Barcelonas neustem Viertel »Front Maritim«. Beide nahmen auf der Gartenterrasse Platz. Sofort eilte ein gestylter junger Spanier zu ihnen. Anna begrüßte ihn herzlich und beide unterhielten sich auf Spanisch, was Max nicht verstand. Als er wieder ging, signalisierte ihm Anna, das der Weg zum Buffet frei wäre.

Sein Kater war spätestens nach der deftigen Portion Rührei mit Speck und den Tortillas Geschichte. Besonders der iberische Schinken hatte es ihm angetan. Anna bevorzugte dagegen die leichte Variante des Frühstücks. Sie aß frische Ananas und Melone, dazu ein Müsli und zum Abschluss gönnte sie sich ein Stück einer Tarta de Santiago. Dabei unterhielten sie sich und berichteten einander aus ihren Leben. Max wollte eigentlich nicht zu viel von sich preisgeben, doch immer wenn es in diese Regionen ging, wusste sie es bereits. Verdammt, er musste gestern ganz schön viel gequatscht haben.

Ein lebenswerter Ort

Nachdem sie satt waren und bezahlt hatte, führte Anna ihn zum Strand »Mar Bella«, der sich nur fünf Minuten vom Hotel entfernt befindet. Eine kurze Pause unter der katalanischen Sonne im herrlich weißen Sand war jetzt genau das Richtige. Über die gute Reiseleitung war er hocherfreut und bemerkte das ihr gegenüber. Sie fühlte sich geschmeichelt und meinte, dies komme nicht von ungefähr, da sie in der Heimat einen Studentenjob im Reisebüro habe.

Als es langsam Zeit für die Fähre wurde, liefen sie zum Olympiahafen entlang der Strandpromenade. Der Marsch dauerte etwa eine halbe Stunde und Max war tief beeindruckt von dem Flair dieser Stadt. Architektonische Meisterwerke reihten sich hier aneinander und dann war auch gleich das Meer vor der Tür. Sagenhaft! Ein wirklich lebenswerter Ort.

Die Fähre wartete bereits. Zeit Abschied zu nehmen. Beide tauschten ihre Handynummern aus und versprachen sich im Winter in Deutschland wiederzusehen. Kurz bevor er die Reling betrat, gab Anna ihm einen Kuss auf die Wange. Max´ Knie wurden weich. Sie drehte sich um und ging.

Die Überfahrt nach Mallorca war lang und ereignislos und der First-Class-Sitz eine Enttäuschung. Nicht mal ein Entertainmentsystem gab es. Als er gegen halb elf im Hafen von Alcudia landete, dämmerte es ihm. Er hatte kein Zimmer, wusste nicht wohin und hatte immer noch nicht erfahren, wie Anna in sein Bett geraten war und ob da nicht doch vielleicht etwas lief. Ärgerlich. Der neue Max nahm es wie ein Mann, kaufte sich einige Büchsen San Miguel, setzte sich auf eine Parkbank und ließ die Nacht einfach auf sich zukommen.

Fortsetzung folgt


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