Episode 27

Von Tobib

Was bisher geschah:

Roland steckte in Schwierigkeiten. Jessica hatte ihn verlassen und ohne es zu wissen, nahm sie eine wichtige Speicherkarte mit, die Roland bei ihr versteckt hatte. Seitdem versuchte er mit der Hilfe von Sergej Jessica ausfindig zu machen, um wieder an die Daten zu gelangen, die er bereits längst verkauft hatte. Der Tag der Kostprobe seiner brisanten Ware rückte näher und der zwielichtige Käufer wurde mit jeder Stunde ungeduldiger. Doch Jessica war entkommen und Roland konnte definitiv nicht liefern. Welche Möglichkeiten blieben ihm jetzt noch?

Roland blickte in die Glubschaugen eines Mondfisches

Roland stand an der Mole im Hafen von Kopenhagen. Sein Blick folgte dem der kleinen Meerjungfrau, die sehnsüchtig in Richtung Hafeneinfahrt schaute. Was sie wohl erwartet? Eine große Flutwelle vielleicht, die sie wieder zurück ins Meer spülen würde. Oder ihr rothaariges Pendant aus dem Disneyfilm. Gibt es eigentlich männliche Meerjungfrauen? Poseidon fiel Roland ein, aber der hatte auch Füße und keine Flossen.

Er durchstreifte die archaisch wirkende Siedlung Christianias. Ließ sich treiben in der Masse der Menschen. Schaute sich um, kaufte ein wenig Gras und war glücklich. Er kehrte in sein schickes Designhotel zurück, dass auf den Namen Wakeup hörte, legte sich auf das bequeme Bett und schaute einen Film auf dem Flatscreen des Zimmers, den er jedoch nicht verstand.

Roland blickte in die Glubschaugen eines Mondfisches. Zusammen mit dem sich bewegenden papageienartigen Schnabel wirkte es so, als würde der Mondfisch zu Roland sprechen. Doch er konnte ihn nicht verstehen, schließlich trennte eine dicke Glaswand beide. Der skurrile Meeresbewohner drehte ab und seine lederartige Haut schimmerte sanft im weichen Licht des Nordseemuseums von Hirtshals. Als nächstes befand sich Roland an Jütlands breiten und wunderschönen Nordseestrand. Die warmen Strahlen der Sonne entspannten ihn. Ein leichter Wind strich über sein Gesicht und Roland blickte versonnen in den Skagerrak. Er musste lachen. Skagerrak und Kattegat. Als er die beiden Begriffe einst im Geografieunterricht hörte, bekam er sich gar nicht mehr ein und spulte sich mit seinem Freund Ole hoch: »Katteratt, Kattewatt, Kattekack!« Die Quittung war ein Rausschmiss aus dem Klassenraum.

Jetzt kehrte er in seine Wohnung im Ferienpark von Hirtshals zurück. Das Abendrot gab der Anlage einen äußerst romantischen Anstrich. Vereinzelt war das Zirpen einer Grille zu hören, das Meer rauschte leise im Hintergrund. Roland betrat das Zimmer, das lediglich von einigen Kerzen erhellt wurde. Jessica erwartete ihn bereits in einem transparenten Negligé auf dem Bett. Mit ihrem Zeigefinger lockte sie ihn und Roland folgte ihrem Ruf sofort. Kurz bevor sich ihre Lippen berühren konnten, schrillte das Zimmertelefon. Er wollte es nicht beachten und gierte weiter nach dem Kuss. Doch der Lärm wurde immer lauter und Jessica und das Zimmer und Dänemark verschwanden plötzlich. Roland öffnete die Augen. Nein, kein Dänemark, keine Idylle, keine Jessica. Stattdessen befand er sich alleine im Bett eines Zimmers des Ayron Park Hotels in El Arenal und all seine Probleme mit ihm. Doch immerhin, das Telefon klingelte wirklich. Er hob ab und hörte Sergejs Stimme, der ihn zum deftigen Katerfrühstück auf die Schinkenstraße einlud.

»Roland, Du musst essen! Denk an Elektrolyte!«

Sergej erwartete ihn bereits im »Donnerbalken«, wo er sich über eine obszön große Portion Rührei mit Speck hermachte. Als er Roland erblickte, winkte er ihm fröhlich zu. Roland indes hob nur müde den linken Arm. Er war noch stark verkatert vom vielen Wodka des Vorabends. Seine dunklen Augenringe verbarg er hinter einer Pilotenbrille. Als er sich zu Sergej an den Tisch setzte, wischte dieser sich gerade mit einer Serviette das Eigelb aus den Mundwinkeln. Roland verzog dabei angewidert sein Gesicht. Die Bedienung kam sehr flott und fragte nach seiner Bestellung. Essen konnte er nichts und allein der Anblick des Eischlachtfeldes auf Sergejs Teller ließ ihn würgen. Ein riesiger Pott Kaffee war das einzige was ihn jetzt retten konnte.

»Roland, Du musst essen! Denk an Elektrolyte!«, eröffnete ein gut gelaunter Sergej das Gespräch.
»Neee, lass mal. Das Einzige, was ich muss, ist den Dreck von gestern Abend drinnbehalten.«
»Welchen Dreck? Doch nicht etwa Wodka!?«
»Oh Gott, Sertsch, erwähn bitte nicht dieses Wort, ich kann das Zeug beinahe schon wieder auf den Lippen schmecken.«
Sergej lachte, wie ein Traktor der Startschwierigkeiten hätte. »Rolaaaand, Du bist richtige Mädchen, weißt Du das? Das bisschen Wässerchen haut doch keinen Mann um.«
»Keinen Russen, meinst Du. Ach, das sind allein die ganzen beschissenen Sorgen, die ich habe, die den Kater begünstigen.«
»Was betrifft das, ich habe gute Nachricht …«
Rolands Handy klingelte und unterbrach ihr Gespräch gerade in dem Moment, wo es für Roland von Interesse wurde. Eigentlich wollte er das Klingeln ignorieren, doch als er die Nummer auf dem Display sah, schlackerten ihm bereits die Knie. Der Käufer rief an!

»Eine nutzlose Kakerlake«

Sergej bemerkte Rolands Panik und beruhigte ihn. »Roland geh ran. Ist gut, keine Angst Du brauchst haben.« Roland tat wie ihm befohlen und drückte die grüne Rufannahmetaste.
»Bork hier?«, fragte er tatsächlich schüchtern.
»Na ich hoffe doch, dass Bork da ist!«, herrschte ihn die Stimme vom anderen Ende an.
»Äh ja, Sir. Roland Bork am Apparat. Hören Sie, es tut mir …«
»Pappperlapp, Bork. Ich will das nicht hören. Sie haben auf ganzer Linie versagt. Den Karren gegen die Wand gefahren. Ich bin enttäuscht und Ihre mangelnde Professionalität behindert mein Business, denn eigentlich wollte ich bereits in der kommenden Woche in Hamburg ein Geschäft auf Grundlage der Daten zum erfolgreichen Abschluss bringen. Das kann ich nun nicht mehr.«
»Aber…«
»Unterbrechen Sie mich nicht, Bork! Sperren Sie einfach gut Ihre Lauscher auf. Normalerweise würde an dieser Stelle bereits Ihr Karussell aufhören zu drehen, wenn Sie wissen, was ich meine. Sie können sich bei Sergej bedanken, den ich sehr schätze. Er hat mir die gesamte rührige Geschichte Ihres Scheiterns erzählt – was mich im Übrigen kein bisschen kratzt. Doch Sergej hat noch etwas gut bei mir und ich hab mich breitschlagen lassen.«
»Danke.«
»Still! Danken Sie nicht mir, danken Sie Sergej. Für mich sind Sie nur eine nutzlose Kakerlake, die zufälligerweise einen interessanten Brotkrumen gefunden hat, von dessen Nährwert ich jedoch erst noch überzeugt werden möchte. Passen Sie auf, Bork, es läuft folgendermaßen: Der Kretin, der mit ihrer Konkubine durch die Welt jettet, hört auf den Namen Max Rieber. Unter diesem Namen hatte er das Zimmer im Ferrer Maristany gebucht und ein Check von uns hat ergeben, dass dies der Wahrheit entspricht. Ein Max Rieber und eine gewisse Jessica Mai haben dann auch einen Flug nach Bangkok gebucht, wo sie es sich mittlerweile im Baiyoke Sky Hotel gemütlich gemacht haben. Unglücklicherweise geht heute kein Flug mehr via Palma nach Bangkok, doch Sie haben eine Reservierung für einen Flug nach Singapur. Von dort können Sie ohne Probleme weiter fliegen und die Daten sicherstellen. Sergej wird Sie dabei begleiten und Sergej wird darüber hinaus die Hälfte vom Verkaufspreis erhalten, der wiederum auf 300.000 Euro gesunken ist. Sie sehen Bork, es gibt nur Gewinner. Heute in einer Woche will ich die versprochenen Daten haben oder Sie, Bork, werden gelöscht.«
»Aber …«, setzte Roland an, doch das Gespräch wurde bereits beendet.

Er blickte Sergej an, der ihm freundlich zulächelte.
»Du siehst Roland, gute Nachrichten. Wir viel reisen, Du musst essen.«, sagte dieser und offerierte Roland auf seiner Gabel ein vor Fett triefendes Stück Speck. Roland riss sich die Sonnenbrille vom Kopf, sprang auf und übergab sich in einen Blumenkübel.

Fortsetzung folgt