Was bisher geschah:
Roland und Sergej hatten Jessica in Alcudia aufgespürt. In einem Hotelzimmer schlummerte diese an der Seite von Max und ahnte nichts von der Ankunft Rolands. Glücklicherweise täuschte der sich im Zimmer, steckte ordentlich ein und letztlich entkam Jessica. Mit ihr verschwanden die geheimnisvollen Daten, die Roland an einen finsteren Typen in der Karibik übertragen wollte. Was steckt hinter den mysteriösen Daten?
»Nicht gut Roland. Gar nicht gut«
»Verdammter Mist! Verdammt! Verdammt! Scheiße! Himmelherrgottnochmal!«
Roland war außer sich. Den Deal mit dem Käufer konnte er so erst einmal vergessen. Er stand nun da wie ein vollkommener Idiot und einen Ruf als Profi würde er sich so mit Sicherheit nicht erarbeiten können. Er saß zusammen mit Sergej im Hotel Isla Dorada in El Arenal.
»Roland, komm runter. Du hast Daten doch noch gesichert, oder?«, versuchte ihn Sergej zu beruhigen.
»Nein, verdammter Mist! Dieses Zeug war mir zu heiß, als das ich davon mehrere Kopien in meinem Besitz haben möchte. Jessica hat die Originale bei sich.«
»Das schlecht. Der Mann will morgen um 15 Uhr Probe der Daten haben.«
»Ja, ich weiß. Das macht mich ja auch so kirre. Wie würde er wohl auf weitere Verzögerungen reagieren?«
»Nicht gut Roland. Gar nicht gut. Du willst das nicht wissen.«
Was hatte er sich auch dabei gedacht? Hier und da mal ein paar krumme Dinger, das ging klar, aber nein, er wollte ja jetzt bei den großen Jungs mitspielen. Die Geschichte der ominösen Daten geht also folgendermaßen: Vor etwa einem halben Jahr war Roland an einem potenziellen Verkäufer einer profitträchtigen Immobilie geraten.
Es handelte sich um einen älteren Herrn, der am Aktienmarkt herbe Verluste eingefahren hatte. Man konnte sagen, es handelte sich bei ihm um eine kleine Kiezgröße in Hamburg, da er mehrere Bordelle besaß. Das Objekt der Begierde, da Roland für das Horizontale Gewerbe keine Nerven hatte, war jedoch sein Privathaus in Barmbek. Wie so oft zuvor versuchte es Roland mit der Kneipennummer, bei der er den massiven Alkoholgenuss fakte und das potenzielle Opfer am Ende voll wie die Haubitze und gefügig wie Lamm sein würde. Er hatte da einen Deal mit einem Wirt. Dieser schenkte ihm lediglich Wasser ein, während der Verhandlungspartner dagegen Hochprozentiges in seinem Glas hatte. Und tatsächlich, nach etlichen Lagen willigte der ältere Herr ein. Er hätte auch so verkauft, aber den Preis konnte Roland um erstaunliche 30 Prozent drücken. Ein gutes Geschäft für unseren unbeholfenen Jungunternehmer. Er ließ sich den Deal natürlich gleich am Abend unterzeichnen, da er zufälligerweise die nötigen Papiere mit sich führte.
Ein Sex-Plastik-Messi?
Roland war happy und freute sich bereits über den dicken Gewinn, den er durch einen Weiterverkauf des Hauses einstreichen würde. Tragischerweise hatte der nun ehemalige Hausbesitzer am nächsten Tag einen Schlaganfall, an dessen Folge er starb. Roland machte sich tatsächlich schwere Vorwürfe, die jedoch rasch verflogen waren, als sich herausstellte, dass der alte Mann keine Nachkommen hatte, die ihn vielleicht zur Rechenschaft ziehen könnten. So blieb der gesamte Nachlass an Roland hängen, der sich starke Hoffnungen auf eventuelle kleine verborgene Kunstschätze machte. Tatsächlich war es die Bude eines Messis. Tausende von Sexzeitschriften und Büchern füllten die Räume. Dazu Plastikartikel, wohin das Auge reichte. Plastikstühle, Plastiktische, Plastikbecher, Plastikteller, Plastikfiguren, Plastikvasen, Plastikplastik. Ein Sex-Plastik-Messi? So was hatte Roland noch nicht erlebt und er war stinksauer.
Die Wohnungsauflösung würde ihn eine gehörige Stange Geld kosten. Im vollkommen versifften Arbeitszimmer lag der Staub zentimeterdick auf dem quietschgelben Plastiktisch. Er ließ sich in einen Plastikgartenstuhl sinken und seufzte. Dabei schweifte sein Blick durch den Raum und er bemerkte, dass das einzige Bild, das im Zimmer hing, (ein Foto einer Plastikvenus mit Plastikrahmen) doch ein wenig schief war und dahinter schien sich etwas zu verbergen. Er nahm das Bild von der Wand und entdeckte einen Safe. Nun kann man so einen Safe ja nicht einfach knacken, schon gar nicht, wenn man kein professioneller Safeknacker ist und die willkürliche Eingabe von Zahlenkombinationen macht einfach keinen Sinn bei so unendlich vielen Möglichkeiten. Roland versuchte sein Glück dennoch. Er erinnerte sich, dass eines der von dem Plastik-Fetischisten geführten Etablissements auf den Namen 0815 hörte. Nein, so einfach konnte es doch nicht sein, oder? Er drehte das Rädchen. Null. Klack. Acht. Klack. Eins. Klack. Fünf. Klack und der Schließmechanismus öffnete sich.
Rolands Herz pochte vor Aufregung. Welche Schätze würden sich wohl in diesem Safe verbergen? Goldbarren? Wertvolle Anleihen? Diamanten? Waffen? Er öffnete die Tür und war enttäuscht. Auf dem roten Samt des Safebodens lag einzig und allein eine Videokassette. Na toll, dachte Roland. Bestimmt noch so ein blöder Pornofilm, den der Freak hier für besondere Anlässe deponiert hatte.
Aber ein wenig neugierig war dann doch. Er nahm das Tape und schob es in den Videorekorder, der im Wohnzimmer an den alten Röhrenfernseher hing. Zu erst war da nur Griesel und Roland dachte bereits, dass das Band leer wäre. Doch gerade, als er die Kiste wieder abschalten wollte, flackerte das Bild kurz auf und offenbarte Fürchterliches. Die Aufnahmen entstammten offenbar einer versteckten Überwachungskamera aus einem der Puffs von dem alten Sack. Die Bilder waren grässlich und Roland wurde speiübel. Nur soviel: Sie zeigten ältere Herren, deren übertriebene Aufmerksamkeit offensichtlich Minderjährigen galt. Es war schrecklich und es waren viele Männer, die auf diesem Band für die Nachwelt festgehalten wurden. Der Ort war immer der gleiche und viele der Kinder tauchten auch des Öfteren auf. Roland kannte die Männer nicht. Ihre Gesichter waren jedoch sehr gut zu erkennen. Bei einem war er sich unsicher. Er drückte die Pause-Taste, als der dicke schmierige Typ direkt in die Kamera grinste. Dieses selbstherrliche Grienen kannte er von irgendwoher. Genau! Er hatte es bereits im Fernsehen gesehen, als es um einen großen und wichtigen Prozess am Landgericht ging. Verdammt! Das war ein Oberstaatsanwalt! Roland überkam die Panik. Er stoppte das Band, packte es wieder in den Safe und verschwand.
In den folgenden Tagen recherchierte er ein wenig und sein Verdacht bestätige sich. Die Gesichter der Männer in dem Video gehörten neben dem Staatsanwalt, noch einem hochrangigen Polizeikommissar, einem Politiker und einen bekannten Fernsehjournalisten. Mehr wollte er gar nicht wissen. Der alte Mann bot also offensichtlich einen besonderen Service in einem seiner Läden an und hielt die Teilnehmer gegen ihr Wissen fest. Quasi als Versicherung. Verdammt. Das war Roland zu heiß. Er hätte jetzt natürlich groß ins Erpressungsgeschäft einsteigen können, aber die Nummer war für ihn dann doch ein wenig zu groß. Doch immerhin: Roland erkannte das finanzielle Potenzial, das hinter diesen sensiblen Daten steckte. Er erzählte Sergej davon und bat ihn um Rat. Sergej hatte natürlich die nötigen Connections und so stellte er den Kontakt zu einem global agierenden Wirtschaftskriminellen her, der sehr an den Videodateien interessiert war. Immerhin wäre es für seine Geschäfte in Norddeutschland von immensem Vorteil, wenn er relevante Personen aus Politik, Justiz und Medien in der Tasche hätte.
Sergej arrangierte den Deal, doch es gab ein paar Bedingungen: Bevor Roland die volle Summe von 500.000 Euro erhalten würde, müsste er eine Kostprobe der Dateien liefern. Bisher hat er eine Anzahlung von 75.000 Euro erhalten. Würden diese sich als brauchbar erweisen, würde ein Treffen stattfinden, wo Daten gegen Geld eingetauscht würden. Roland entschied sich, den Auszug des Grauens aus seinem Urlaub in Mallorca zu verschicken. Von einem öffentlichen Computer aus, der jedwede Rückverfolgung zu ihm unmöglich machen würde. Er digitalisierte das komplette Videoband und sicherte die Datei auf einer Speicherkarte. Die Kassette zerstörte er im Anschluss. Auszüge aus dem Part des Oberstaatsanwaltes extrahierte er und fügte es der Speicherkarte hinzu, denn das sollte seine Kostprobe werden. Die Speicherkarte indes versteckte er in einer Uhr mit Geheimfach, die er in einem Jux-Internetshop erstanden hatte. Dann schenkte er die Uhr Jessica, da er Angst hatte, dass die Hauptdarsteller des Videos von dessen Existenz wussten und ihn jagen würden. Die übliche schleichende Paranoia eben. Berufskrankheit. Dass aber ausgerechnet Jessica verschwinden würde, damit hätte er nun wirklich nicht gerechnet. In einem Moment des Mutes, der wohl auf Sergej´s Wodka zurückging, wählte er die Nummer des Käufers.
Währenddessen in Miami, Florida
Im Days Inn Oceanside, einem Hotel nicht unweit des berühmten Oceandrives klingelte in Zimmer 117 ein Handy. Es klingelt nicht wirklich, vielmehr war Shakiras WM-Song Waka Waka zu hören. Grimmig, da sehr müde, weil gestern Nacht erst spät in Miami gelandet, griff Enrico zum Telefon.
»Ja?!«, fragte er schnittig und böse.
»Hier ist Roland, ist der Boss zu sprechen?«
»Roland Du Gehirngrätsche, hast Du vielleicht mal auf die Uhr geschaut?«
»Oh Shit, Ihr habt da ja Zeitverschiebung. Sorry, aber ich muss Deinen Boss sprechen.«
»Geht nicht. Der ist noch mit ´ner Braut im Ramada Plaza Beach Resort beschäftigt. Was kann ich denn ausrichten? Mit Morgen steht alles?«
»Tja äh, darum geht es. Die Daten haben sich aus dem Staub gemacht und ich bräuchte jetzt doch noch ein bisschen mehr Zeit für die Wiederbeschaffung.«
»Ohhh«, tat Enrico überrascht. Dann Stille in der Leitung.
»Hallo?«, fragte Roland vorsichtig.
»Tja, das wird den Boss aber gar nicht freuen. Du dämlicher Amateur hast versagt.«
Dann beendete er das Gespräch.
Fortsetzung folgt