Episode 21

Von Tobib

Was bisher geschah:

Roland hatte Sergej auf Jessica angesetzt, die ihn verlassen hatte. Natürlich war er gekränkt, aber was viel schlimmer wog: Jessica führte etwas mit sich, das Roland unbedingt zurückhaben wollte, denn sein Geschäftspartner in der Dominikanischen Republik saß ihm bereits im Nacken. Nachdem Max Sergej in die Flucht schlagen konnte, versteckte er sich mit Jessica in einem Hotel von Alcudia. Sergej fand sie, kontaktierte Roland und wartete nun auf dessen Ankunft. Ein Morgengruß der besonders hässlichen Art stand auf der gemeinsamen Agenda.

Roland überließ dem Profi das Feld

Roland umarmte Sergej zur Begrüßung. Soviel Zeit musste sein, schließlich hatten sich die beiden lange nicht mehr persönlich gesehen.
»Sertsch, wie sieht´s aus?«
»Hab Made an der Rezeption ausgequetscht. Pärchen kam gestern Nacht hier rein und hat Zimmer 2.14 bezogen.«
»Na bestens! Glück im Unglück also und die Daten sind bald wieder in meinem Besitz. Auf geht´s, gehen wir doch mal höflich an die Zimmertür klopfen.«

Der Nachtportier, der sich seinem Feierabend entgegensehente, schaute demonstrativ zur Seite, als die beiden Männer die Lobby des Ferrer Maristany Hotels betraten. Kein Wunder, hatte er doch von Sergej ein wenig Bakisch für seine Unaufmerksamkeit erhalten. Beide betraten schweigend den Fahrstuhl. Zwei Männer auf einer Mission und ihre fiesen Mimiken harmonierten bestens. Als die Tür sich wieder öffnete, lag vor ihnen der dunkle Hotelflur der zweiten Etage, der dank Bewegungsmelder sogleich hell erleuchtet wurde. Roland orientierte sich kurz und nickte dann mit seinem Kopf nach rechts. 2.11, 2.12, 2.13, aha, Raum 2.14. Auf die harte Tour oder doch lieber wie ein geschmeidiger Ninja? Roland überließ dem Profi das Feld.

Sergej lauschte an der Tür. Aus dem Zimmer drang kein Laut an sein Ohr. Er griff in seine Manteltasche und beförderte ein Päckchen weißer Magnetstreifenkarten hervor, die er in Laos günstig erstanden hatte. Er probierte sie nacheinander am elektronischen Schließmechanismus der Tür. Das Einschieben der ersten fünf Karten quittierte das Gerät stur mit dem Aufleuchten der roten Lampe, aber Karte Nummer 6 brachte den Erfolg. Das Lämpchen sprang auf grün und die Tür entriegelte sich. Roland blickte Sergej verblüfft an. Der Raum lag noch im schummrigen Morgenlicht, doch die beiden Köpfe in dem großen Kingsize-Bett waren deutlich zu erkennen. Roland signalisierte Sergej, dass dieser am Lichtschalter stehen bleiben sollte, bis er sich in Position vor das Bett gebracht hatte. Mit seinen Fingern deute er Sergej den Countdown. 3, 2, 1 …

»AUFSTEHEN IHR MIESEN SCHWEINE!«, brüllte Roland, während er sich über das Bett beugte und durch die flutlichtartig einsetzende Beleuchtung des Zimmers die beiden Personen im Bett musterte. Doch was war hier los? Seit wann trug Jessica dunkles kurzes Haar? Das ist überhaupt nicht Jessica hier in dem Bett! Roland erstarrte. Der Typ, der neben dem Mädchen lag, schnellte kerzengerade nach oben und schlug ihm ins Gesicht. Offenbar hatte Roland ein Glaskinn und sackte sofort vor dem Bett zusammen, als hätte man seinen Stecker gezogen. Der kurzhaarige und tätowierte Niederschläger fing sofort an zu plärren, während seine Freundin sich unter der Bettdecke versteckte.

»HEEEEEEEELP! RAPISTS! POOOOOOLICIAAAAA!«

Sergej schüttelte mit dem Kopf, griff erneut in seinen Mantel und präsentierte seine schwarze Beretta, während er den linken Zeigefinger auf seine Lippen legte. Schlagartig verstummte der renitente Hotelgast. Einzig das Wimmern seiner Freundin unter der Decke war noch zu hören.

Währenddessen in Zimmer nebenan …

Max öffnete seine Augen und sah Jessica, wie sie sich gerade hektisch anzog.
»Also kein gemeinsames Frühstück mehr, ja?«, fragte er sie.
»Quatsch. Max, wir müssen schleunigst verschwinden! Im Nachbarzimmer war gerade Lärm und ich meine ganz deutlich die Stimme von Roland gehört zu haben. Ich weiß nicht wie, aber die haben uns gefunden!«
In Windeseile war Max aus dem Bett gesprungen und zog sich Jeans und T-Shirt an. Dann ging er zur Zimmertür, öffnete diese einen kleinen Spalt und spähte in den Flur. Dummerweise traf sein Blick genau den von Sergej, der dort gerade Roland stützte. Beide waren von diesem Ereignis höchst überrascht. Sergej ließ Roland los, der sofort wieder zu Boden ging und stürzte auf Max zu. Panisch schmiss dieser die Tür, die Sergej direkt ins Gesicht bekam. Seine Nase fing sofort an zu bluten.
»Scheiße Jessica! Sie sind direkt vor unserer Tür!«, schrie er ihr zu, die plötzlich wirkte wie das berühmte Kaninchen vor der Schlange. Max nahm einen Stuhl und stellte ihn so vor die Tür, dass dieser etwaige Eindringlinge ein wenig aufhalten würde, hängte die Schlosssicherung ein und ging dann rüber zum Balkon.

»Wenn wir hier rauskommen wollen, dann ist das unsere einzige Chance«, sagte Max.
Während Sergej die Tür bereits mit seiner Universalkarte geöffnet hatte und nun mit massiver Gewalt Einlass verlangte, hangelten sich Jessica und Max an den Gittern der Nachbarbalkone entlang. Seinen Rucksack und ihren Koffer hatten sie bereits hinuntergeschmissen. Ihr Ziel war jetzt das angrenzende Dach des Poolgebäudes. Beide fassten sich an den Händen und sprangen die etwa zwei Meter auf das Dach hinunter. Sie hatten es geschafft! Während sie ihre Sachen einsammelten und sich aus dem Staub machten, blickte Sergej, der die Tür offenbar eingetreten hatte, ihnen von ihrem Balkon hinterher. Neben ihm stand Roland ans Geländer gelehnt und schrie: »Jessicaaaa! Verflucht, bleib doch hier! Ich will Dir doch nichts tun! Du hast etwas was mir gehört!«

»Wieviel Urlaub hast Du denn noch?«

Jessica und Max spurteten wieder zurück zum Hafen. Glücklicherweise stand dort gerade die Barcelona-Frühfähre bereit. Beide sprangen an Deck und flehten, dass der Kahn doch endlich losfahren würde. Am Pier sah Jessica bereits Roland und Sergej auftauchen, die sich schnellen Schrittes nährten. Die Fähre indes hatte gerade die Leinen abgelegt und nahm ganz gemächlich Fahrt auf. Es sollte letztlich reichen, denn vier Meter Abstand zwischen Schiff und Roland konnten nicht einfach durch einen Sprung überbrückt werden. Jessicas Puls ging merklich zurück, als sie den zeternden Roland mehr und mehr als kleinen Punkt am Horizont verschwinden sah.

»Und jetzt? Die wissen, dass wir in Barcelona sein werden«, sagte Jessica zu Max, während sie sich Händchen haltend im Innenraum der Fähre niedergelassen hatten.
»Dann düsen wir gleich weiter. Barcelona kenn ich doch bereits. Wieviel Urlaub hast Du denn noch?«
»Heute in drei Wochen muss ich zurück in Hamburg sein.«
»Oh, wie wäre es mit einer Fernreise, Frau Mai? Dann hätten wir genügend Zeit uns richtig kennen zu lernen. Ich kontaktier gleich mal mein Reisebüro

Fortsetzung folgt