Was bisher geschah:
Jessica traf auf Max am Hafen von Alcudia. Beide waren aus ganz unterschiedlichen Gründen in der mallorquinischen Stadt gestrandet. Max, weil er vor den Problemen in der Heimat weglief, Jessica, weil sie ihren Freund Roland verlassen hatte. Ihre Kennenlernphase wurde durch das Auftauchen von Sergej, den Roland geschickt hatte, jäh unterbrochen. Dieser wollte Jessica mitnehmen, Max konnte es verhindern. Zu zweit flohen sie vor dem Russen durch die Nacht und fanden Unterschlupf in einem Hotel. Sie nahmen sich ein Doppelzimmer und wähnten sich in Sicherheit. Nur die Ruhe vor dem Sturm?
Als Jessica aus dem Bad kam, trug sie einen Handtuchturban
Es war bereits 1 Uhr, als Max und Jessica ihr Doppelzimmer im Ferrer Maristany Hotel bezogen. Auf den zweiten Gin-Tonic war noch ein dritter gefolgt. Durch den Alkohol und die lockere Konversation verlor die Situation, in der sich beide befanden, deutlich an Bedrohlichkeit. Der Russe mit dem Hut verschwand für den Moment aus ihren Köpfen.
Max wählte im Zimmer das Bett, welches dem Fenster näher war und ließ sich mit einem tiefen Seufzer fallen. Als Gentleman gewährte er Jessica den Vortritt beim Duschen, obwohl er das mittlerweile wirklich dringend nötig hatte, denn beim Kurzaufenthalt in Barcelona fiel die Körperhygiene spärlich aus. Am besten sah man das an seinem wilden Bart. Zeit für eine gründliche Rasur!
Als Jessica aus dem Bad kam, trug sie einen Handtuchturban, ein enges weißes Hemdchen und einen knappen Shorty. Als Max sie so sah, erstarrte er für einen Moment. Gestern Anna, heute Jessica? Was ist hier nur los, dachte er sich und sein Blick haftete wohl für einen kurzen Moment zu lange auf den dargebotenen Reizen, denn Jessica bekam es mit und zugleich einen roten Kopf. Bevor sie sich unter ihre Bettdecke verkroch, verkündete sie noch rasch, dass das Bad jetzt frei wäre. Beschämt bedankte sich Max, der dankbar war, dass sie diese Situation überspielte und verschwand ins Badezimmer.
Nach seiner Rückkehr legte sich der frisch gestriegelte Max zufrieden in sein Bett und machte das Licht aus. Dank der funzelige Straßenbeleuchtung Alcudias und des scheinenden Vollmondes erhielt der Raum eine sanfte Illumination.
»Findest Du das nicht alles ziemlich verrückt?«
»Max?«
»Ja?«
»Findest Du das nicht alles ziemlich verrückt, was gerade passiert?«
»Absolut! Vor ein paar Tagen saß ich noch in der Uni und schrieb meine Abschlussprüfung. Dann erfuhr ich, dass meine Freundin mit meinem besten Freund schläft und meine lieben Eltern meine weitere Karriere schon durchgeplant hatten. Einen Filmriss in Barcelona später befinde ich mich jetzt hier mit Dir in diesem Hotelzimmer wieder und ein Russe ist hinter uns her. Verrückt trifft es wohl ganz gut.«
Jessica lachte.
»Ja, noch heute Morgen dachte ich daran, die Beziehung mit Roland retten zu können. Warum eigentlich? Dieser Mistkerl hat mich nur noch wie der letzte Dreck behandelt. Ich fühlte mich ihm wohl aus Dankbarkeit einfach zu lange verpflichtet. Es sollte ein schöner Urlaub auf Mallorca werden und dann geht alles den Bach hinunter. Das erste Mal in meinem Leben, das ich jemanden verlasse und sofort entwickelt sich das zu einer Verfolgungsjagd. Das ist doch nicht normal, oder?«
»Hast Du Dir mal überlegt, was er denn von Dir will?«
»Keine Ahnung. Er trägt diesen Jähzorn in sich. Nicht dass er mich je geschlagen hätte -verbal tat er es hingegen oft – ich denke nur, dass er nicht verlieren kann. Möglicherweise kam er mit meinem plötzlichen Abgang nicht zurecht. «
»Hmmm … tut mir Leid, dass die eigentlich schönsten Tage des Jahres für Dich zu einem Horrortrip werden.«
»Danke, aber hey, immerhin hab ich Dich getroffen und zum Glück kannst Du jetzt nicht sehen, wie ich rot werde.« Sie plapperte rasch weiter um seine Reaktion zu vermeiden.
»Einen schönen Urlaub hatte ich damals mit meiner Freundin Vivian auf Rhodos. Der Strand war herrlich, die Mythologie der Insel einfach irre spannend und die historischen Zeugnisse der einstigen Hochkultur sagenhaft. Ja, da hatten wir einen sorglosen Urlaub und das Hotel war auch richtig spitze. Wie hieß es doch gleich? Es war in Kolymbia … irgendwas mit Palace … ah ja, Irene Palace! Das war es!«
»Ach komm, kein Mist? Ich war auch schon mal auf Rhodos, eine Studienfahrt und wir haben gleich nebenan im Niriides Hotel gewohnt! Zumindest so lange, bis sie uns, da wir Studis es doch ein bisschen zu sehr krachen ließen, ins etwas abseits gelegene Alfa Beach Hotel umgebucht haben.«
»Verrückt. Wann war das denn?«
»September 2007. Das weiß ich noch ziemlich genau, da ich dort gerade meine Zwischenprüfung bestanden hatte und den Ausflug nutzte, um dies zu feiern.«
»Ach komm, das ist ja total irre. Wir waren zur selben Zeit auf Rhodos! Am 8. September, dem Geburtstag von Vivian reisten wir an. Vielleicht sind wir uns ja über den Weg gelaufen?«
»Glaub ich nicht, denn ein solch hübsches Mädchen wäre mir aufgefallen – und ja, jetzt werde ich rot.«
Sie hätte den Wagen erkannt
Keiner von beiden sagte jetzt mehr etwas. Gerade als Max Jessica eine gute Nacht wünschen wollte, erblickte er ihre Silhouette vor seinem Bett. Sie sagte nichts, streifte sich ihr Hemd über den Kopf und entledigte sich ihres Shorties, dann stieg sie zu Max ins Bett.
»Jessica?«
»Pssst … küss mich einfach.«
Der Morgen dämmerte bereits und Jessicas Kopf, mitsamt dem zersausten blonden Haar, lag auf der Schulter von Max. Beide schliefen jetzt tief und fest, nachdem sie sich mehrere Male in dieser Nacht geliebt hatten. Wäre Jessica wach gewesen und hätte aus dem Fenster geschaut, dann hätte sie in diesem Moment den schwarzen Golf erblickt, der in die Calle de Mareperla einbog. Sie hätte den Wagen erkannt, schließlich war dieser noch gestern auch ihr Mietwagen. Langsam nährte sich das Fahrzeug dem Hotel und parkte letztlich direkt vor dem Haupteingang. Der Fahrer wurde bereits von einem stämmigen Herrn mit Hut erwartet. Nachdem er den Wagen verlassen hatte, begrüßten sich die beiden Männer mit einer kurzen Umarmung, dann redeten sie miteinander und der Typ mit dem Hut zeigte mit dem Finger auf die Etage, wo gerade Max und Jessica selig schliefen.
Fortsetzung folgt