Episode 18

Was bisher geschah:

Vor zwei Jahren unternahm Roland Jessica zur Liebe eine Nilkreuzfahrt, bei der er sich tötlich langweilte. Immerhin vebrachten sie die zweite Woche ihres Urlaubs in einem Hotel am Roten Meer. Während Jessica am Strand ausspannte, erkundete Roland die Umgebung. Gerade als er sich eine Koralle als Urlaubssouvenir ausgeschaut hatte, kamen ihm zwei Hände zuvor. Sie gehörten Sergej, der Roland, nachdem sie eine kurze Meinungsverschiedenheit um den wahren Eigentümer der Koralle hatten, aus dem Wasser half und zum Wodkatrinken einlud. Der Beginn einer wahren Männerfreundschaft.

»Ach, Nachfolger von KGB in Russland, Du weißt schon«

Roland saß auf dem Balkon von Sergej´s Zimmer im Beach Albatros Hotel und trank Wodka aus einem großen Glas. Dessen Füllmenge konnte mit dem vorhandenen Volumen gut mithalten. »Wir nennen das 200-Gramm-Trinken«, hatte ihm Sergej erklärt, als er mit ihm zum ersten Mal anstieß. Das war nachdem beide das Hotelzimmer erreicht hatten und Sergej sich erst einmal um Rolands Wunde am Buch kümmerte, die dieser sich bei der Kabbelei am Riff zugezogen hatte. Sergej verpasste der Wunde ein reichhaltiges Wodkabad und verband sie mit wenigen, aber fachgerecht wirkenden Handgriffen. Auf Rolands verwunderten Blick erwiderte dieser: »Hab ich gelernt beim FSB in die 90er.«
»FSB?«, fragte Roland ihn.
»Ach, Nachfolger von KGB in Russland, Du weißt schon.«
Roland musste Schlucken – Sergej bemerkte das und fügte locker hinzu: »Keine Panik, du nichts zu befürchten hast. Du mir gezeigt Deinen Mut vorhin. Und FSB ist lange vorbei für mich.«
»Na dann bin ich ja beruhigt und auch froh das ich so glimpflich davongekommen bin.« Beide lachten und Sergej goss die ersten Gläser voll.

Zwei Stunden später war die Russky Standard Platinum 3 Liter Flasche mehr als zur Hälfte geleert und Roland und Sergej strunz voll. Sergej erklärte Roland, dass für Russen Wodka wie Wasser sei, dass sie zum Leben brauchen. Hier in Ägypten sei es jedoch schwer guten Wodka aufzutreiben und so hat Sergej sein Lieblingsgetränk lieber gleich selbst mitgebracht. Im Kühlschrank standen noch zwei weitere Exemplare dieser obszön groß ausfallenden Fuselpullen.

Roland war mächtig beeindruckt

Beide plauderten wie nur betrunkene Männer plaudern können. Es ging um Frauen, Fußball, Saufen und wer erfolgreicher in dem sei was er denn für den Broterwerb so tat: »Letztens konnte ich an der Theke Einem seine Lagerhalle in der Nähe des Hamburger Hafens für einen Spottpreis abluchsen«, war Roland ein, was nichts anderes bedeutete, als dass er einen potentiellen Kunden durch Reichung massiver Alkoholika erst gefügig machte und ihn dann im Dschum zur Unterschrift nötigte, wobei die Immobilie natürlich weit unter Wert die Besitzer wechselte. Gut, ehrlicherweise muss auch erwähnt werden, dass solch blauäugige Verkäufer eher spärlich gesät sind. Eigentlich konnte Roland seine Erfolge im Immobilienhandel an drei Fingern abzählen und alle drei hatten bei der Unterzeichnung mächtig geladen gehabt und wollten natürlich am nächsten Tag, als ihnen das Desaster bewusst wurde, von dem Geschäft zurücktreten, aber so brauchte man Bork nicht zu kommen.
Sergej hielt sich eher bedeckt, was seine Karriere anging, doch mit zunehmendem Wodkagenuss, oder Missbrauch, ganz wie es die Lesart wünscht, taute er auf und gab Folgendes von sich: »Er konnte oder wollte Schulden nicht begleichen. Lag an mir, das rauszufinden. War Mensch der am schnellsten gesungen hat in meine Laufbahn, als die Gartenschere seinen kleinen Finger im Griff hatte. Nun, er hatte Geld, konnte zahlen und musste Finger abgeben. Als Warnung für nächstes Mal.«
Roland war mächtig beeindruckt. Ein paar Möchtergern Kiezgrößen in Hamburg kannte er flüchtig, aber einen echten Handlanger des organisierten Verbrechens? Eine wohlige Gänsehaut lief über seinen Rücken.

Als er spät am Abend und vollkommen betrunken im Hotel 1001 Nacht ankam, schlief Jessica zum Glück bereits. Er erzählte ihr von seiner Bekanntschaft nichts genaues, was nicht leicht war, denn das fremde T-Shirt das er trug, der Verband der seinen Bauch kleidete und die Fahne die ihn umgab, warfen doch die ein oder andere Frage auf. Flüchtige Urlaubsbekanntschaft, meinte er nur und Jessica gab sich mit der Erklärung zufrieden, da sie die Ruhe und Entspannung am Strand sehr genoss und Roland sich bei der Nilkreuzfahrt tapfer verhalten hatte. So billigte sie es, dass er sich in den folgenden Tagen des Öfteren davonschlich um mit Sergej etwas zu unternehmen. Da war zum Beispiel die Überfahrt nach Sharm El Sheikh, wo sie ein paar Bekannte von Sergej im Hotel Reef Oasis Beach besuchten. Gleich nebenan befand sich ein opulenter Golfplatz auf dem Roland (Handycap 15) Sergej seinen netten Schwung zeigen konnte. Oder die Quad-Fahrt durch die Arabische Wüste, die zur ultimativen Festigung ihres zukünftigen Freundschaftsbandes beitragen sollte. Beide waren alleine auf ihren laut dröhnenden Quads unterwegs, da Sergej und er den Konvoi kurzentschlossen verlassen hatten. Sergej schoss mit seinem Quad pfeilschnell einen dieser hohen kargen Berge in der Wüste hinauf. Roland konnte das Tempo nicht halten, da er den ihm entgegenrollenden Geröllbrocken ausweichen musste. Als er auf der Spitze ankam, war es fast schon zu spät. Sergej hatte offenbar soviel Pfeffer drauf gehabt, das er beinahe über die Kuppe des Berges gesprungen wäre. Nun, gesprungen war er wirklich, nur glücklicherweise noch nicht ganz rüber. Sein Quad hing auf halb acht zwischen Abgrund und Spitze des Hügels, locker fixiert durch einen Gesteinshaufen, der jedoch jeden Moment drohte abzurutschen. Durch den harten Aufprall bei der Landung musste er mit dem Kopf gegen den Lenker geknallt sein und für den Augenblick waren alle Lampen bei ihm gelöscht. Während also bereits erste Steinchen nach unten rieselten, sprang Roland von seinem Quad und eilte seinem Freund zur Hilfe. Im allerletzten Moment fuhr Sergejs Festplatte wieder hoch. Er konnte nach der Hand von Roland greifen und dieser riss ihn von dem hinabstürzenen Quad in Sicherheit. Dieses war natürlich komplett zerstört, aber Roland hatte einen treuen Weggefährten gewonnen.

Mallorca, zwei Jahre später …

Roland saß noch immer in dem verwüsteten Hotelzimmer der Finca Sa Pletassa als sein Handy endlich klingelte. Nach dem Anruf aus der Dominikanischen Republik war er sehr nervös. Er malte sich aus, was passieren würde, wenn er nicht pünktlich liefert. Die einsetzende Angst ertrank er in Palo, einem dunklen mallorguinischen Kräuterlikör und die einzige Spirituose die er den Fincerbetreibern am Abend noch abschwatzen konnte.
»Sergej! Hast Du das Miststück gefunden!?«, flehte er ins Telefon.
»Gibt gute, schlechte und gute Nachricht«, verkündete Sergej.
»Spann mich nicht auf die Folter Alter, schieß los!«
»Hatte mit Taxifirma gesprochen und sie gefunden in Alcudia. War in Begleitung gewesen…«
»Was? Welche Begleitung? Ist kaum weg von mir das Luder und kuschelt sich gleich an den Nächsten?«
»Sie wollte nicht mitkommen und als ich sie mitnehmen wollte, lenkte mich der Typ für eine Sekunde ab, trat mir in Eier und beide entkamen.«
»Sergej?! Du hast sie entkommen lassen? Was ist daran die gute Nachricht?!«
»Erst gute, dann schlechte und jetzt gute Nachricht: Ein Penner konnte mir zeigen Hotel wo Pärchen vorhin reingerannt ist. Niemand rennt hier sonst durch Nacht. Muss sein sie und ihr Typ. Was willst du soll ich machen?«
»Beib beim Hotel, pass auf, dass niemand abhaut und warte auf mich. Ich komm nach Alcudia und dann werden wir den beiden Turteltäubchen einen Besuch abstatten.«
»Okay, Mädchen gehört Dir. Für den Jungen lass ich mir was ganz Besonderes einfallen.«

Fortsetzung folgt


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