Episode 14

Was bisher geschah:

Familie Schönbeck war endlich vereint. Hinter Mathilda lag eine aufregende Nacht, nachdem sie Enkel Karl suchen musste. Martin, Sabine und Dorothea hatten an ihrem Anreisetag genügend Aufregung. Im letzten Moment erreichten sie noch ihren Urlaubsflieger, nachdem Tochter Doro, der Berliner Straßenverkehr und ein unfreundlicher Fluglinienmitarbeiter alles in ihrer Macht stehende unternahmen, um den Flug zu verhindern. In Italien gelandet kam es noch dicker, als ein Reifen ihres Mietwagens auf der Autobahn platzte. Mit reichlich Verspätung erreichten alle gemeinsam am Abend ihr Urlaubshotel. Doch statt der ersehenten Ruhe erhielten sie an der Rezeption eine Abfuhr.

»Wir wollen mehr Liegen am Pool!«

»Das darf nicht wahr sein! Sie machen Witze! Himmelherrgottnichnocheinmal, sagen Sie mir jetzt, dass unsere Namen in ihrem System auftauchen und wir jetzt rasch auf unsere Zimmer können!«, herrschte ein stark erregter Martin Schönbeck die Rezeptionistin im Hotel Rocca Nettuno Garden an. Wer will es ihm nach diesem Tag voller Pleiten, Pech und Pannen auch verübeln?
»Es tut mir wirklich leid, Herr Schönbeck, aber ich kann Ihre Reservierung nicht finden«, erklärte die dunkelhaarige hagere Dame und richtete dabei gedankenverloren ihre rote Designerbrille

Martin war eine solche Situation nicht unbekannt. Vor einigen Jahren, die Kinder waren noch jünger, hatten sie einen Pauschalurlaub an der Türkischen Riviera gebucht. Nach dem Transport vom Flughafen Antalya nach Side gab es im Urlaubshotel dann die böse Überraschung. Auf Schönbeck existierte damals ebenfalls keine Reservierung. Nach längeren, durchaus unzufriedenstellenden Diskussionen, echauffierte Martin sich heftigst und zog dabei die gesamte Aufmerksamkeit, der sich in der Lobby befindlichen Touristen auf sich. Einige Deutsche schämten sich für ihren Landsmann und verließen fluchtartig das Gebäude. Andere, wohl die typischen RTL-Zuschauer, blieben wie angewurzelt stehen, bekamen sie hier doch endlich mal eine vernünftige Live-Show geboten und zumindest einer von ihnen sympathisierte offen mit dem Berliner. »Ja, zeig´s denen Alter, wir lassen uns hier nicht verarschen. Wir wollen mehr Liegen am Pool!«, rief dieser in Martins Richtung, wohl in der Annahme, hier einen Leidgenossen zu erleben. Es war letztlich Sabine, die die aufgehitzte Situation deutlich abkühlte, nachdem sie einen Blick in die Reiseunterlagen geworfen hatte und den Rezeptionisten, der dem renitenten Touristen jetzt gerne außerhalb seiner Dienstzeit gegenüberstehen würde, freundlich fragte: »Sie sind doch das Amelia Beach Resort, oder etwa nicht?« Seine Antwort ließ Martin vor Scham im Boden versinken. »Gute Frau,«, fing er an und sprach nun mit der Stimme eines Zockers, der alle Asse des Spiels in seinem Besitz weiß, »wir sind mitnichten das Amelia Beach Resort. Unser feines Etablissement hört auf den bezaubernden Namen Miramare Beach Resort. Sie haben sich im Hotel geirrt«, schloss er mit bittersüßem Unterton. Schönbecks, vielmehr Martin, waren jetzt die Idioten. Kleinlaut entschuldigte er sich und trat schleunigst den Rückzug an. »Wieder haben sie einen Sieg davon getragen und wieder werden wir morgen früh keinen Liegenplatz bekommen. Das lass ich mir nicht bieten, hörst du Nancy? Ich nich!«, hörte Martin noch seinen Unterstützer in Richtung Rezeption brüllen. Die Reiseleitung entschuldigte sich mehrfach und brachte die Familie dann auch umgehend ins Amelia Beach Resort, wo sie nach diesem verpatzten Start doch noch einen wundervollen Sommer-Sonne-Sonnenschein-Badeurlaub verbrachten.

Zeit zum eskalieren

Bevor Martin jetzt wieder explodieren würde, kam ihm diese Episode aus der Türkei in den Kopf und obwohl er nach all diesen Missgeschicken des Tages nicht so recht an sein Glück glauben wollte, versuchte er es.
»Sie sind doch das Hotel Rocca Nettuno Garden, oder?«
»Ja, warum?«
Die Antwort überraschte Martin nicht. Zeit zum eskalieren.

»Das ist doch alles kein Trallafitti mehr hier, verdammt nicht noch einmal! Erst das Theater mit meiner Tochter am Morgen, dann die Hatz zum Flugplatz um noch in den Flieger zu kommen und letztlich der geplatzte Autoreifen unseres Mietwagens und jetzt stellen Sie hier auf stur?« Martin ähnelte nun mehr dem HB-Männchen, als es noch unbeschwert in der TV-Werbung vergangener Zeiten in die Luft gehen durfte. Extreme Verbalinjurien lagen auf seinen Lippen, bereit, alles und jeden kaputt zu fluchen. Der Druck musste jetzt einfach raus und das kleine Mäuschen am Empfang würde das Opfer dieser Hasstirade werden. »Sie ver…«, setzte er gerade an, als ihm seine Mutter, Mathilda Schönbeck ins Wort fiel.

»Signora…chiedere scusa«, begann Mathilda, die die Rolle des Mediators in ihrer gemeinsamen Woche mit Karl perfektioniert hat. »Entschuldigen Sie das Verhalten meines Sohnes.« Während sie das sagte, warf sie Martin einen bösen Blick zu, der sich urplötzlich wieder als der kleine Junge von einst fühlte, wenn er mal wieder etwas ausgefressen hatte und seine Mutter ihn in ihrer Oberlehrerart zurechtstutzte. Er senkte den Kopf und schaute Karl an, der nur mit den Schultern zuckte.

»Für eine Nacht wird es jetzt gehen müssen!«

»Eine ziemlich aufregende Nacht und ein anstrengender Tag liegen hinter meiner Familie und ein bisschen Ruhe würde uns allen wohl sehr gut tun. Haben Sie denn noch freie Zimmer, Signora? Wir können die Angelegenheit ja dann morgen in aller Ruhe und nach Rücksprache mit unserem Reisebüro klären.«
Die Hotelangestellte nickte und warf wieder einen Blick in ihren allwissenden Computer, bevor sie mit zerknirschtem Gesichtsausdruck antwortete: »Hmmmm … wir haben leider nur noch ein Doppelzimmer für diese Nacht frei.«
Die im Hintergrund stehende Dorothea protestierte umgehend. »Auf gar keinen Fall werden wir alle in einem Zimmer pennen!«
»Doro!«, begann Sabine scharf, »Für eine Nacht wird es jetzt gehen müssen. Reiß dich bitte zusammen, ja?« Erstaunlicherweise kam keine Widerrede von der Tochter, offenbar war ihr Bedarf an Action für diesen Tag bereits gedeckt.
»Gut, wir nehmen das Zimmer, bräuchten aber noch zwei Zustellbetten, bitte«, beendete Mathilda den Check-In.

Als sie zwei Stunden später alle in ihren Betten, des eigentlich nur für zwei Personen ausgelegten Zimmer lagen, war das schon ein komischer Anblick. In dem einen Bett lagen Sabine und Martin gequetscht aneinander. Eine solch schmale Schlafgelegenheit hatten sie seit den Anfängen ihrer Beziehung nicht mehr genutzt. Nur einen kleinen Nachtschrank weiter links lag Mathilda in ihrem Bett, das sie zur alleinigen Nutzung hatte. Sie konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, als sie zu ihren Enkelkindern rüber blickte. Wobei rüber wohl eine Übertreibung gewesen wäre. Die beiden Feldbetten der Kinder schlossen direkt an ihres an und reichten bis zum Schrank des Raumes. Karls dicke Schlaflippen kreisten bereits, während er Abenteuer im Schlummerland erlebte, während Dorothea mit säuerlichem Blick an die Decke starrte und Musik hörte.

Mathilda knipste das Licht aus. In die Dunkelheit des Zimmers sagte sie: »Gute Nacht Familie. Auf viele weitere ereignisreiche Urlaubstage.«
Martin und Sabine seufzten im Chor.

Fortsetzung folgt


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