Enttäuschende Linke

Den folgenden Kommentar habe ich für www.ohrfunk.de geschrieben.

Die Parteispitze der Linken hat am Montag ihren Vorschlag für ein neues Parteiprogramm vorgelegt. Mit diesem neuen Entwurf sollen innerparteiliche Krisen bewältigt und Kompromisse zwischen den beiden großen Parteiflügeln geschlossen werden. So soll die Linke zukunftsfähig bleiben. Ich habe Zweifel, dass der Linkspartei dies gelingen wird.

Vor 2 Jahren, bei der Bundestagswahl 2009, schien die Linkspartei sich ihren dauerhaften Platz im Parteienspektrum der Bundesrepublik erworben zu haben. Auch im Westen feierte sie Erfolge, vor allem wegen der kleinen aber festen Protestbewegung gegen die Hartz-Gesetzgebung. Wie so oft im letzten Jahrhundert ging diese Entwicklung auf Kosten der Sozialdemokraten vor sich, die man für die Aushöhlung des Sozialstaates verantwortlich machte. Die Enttäuschung über die SPD war groß, und die Wenigen, die daraus nicht den Schluss zogen, nicht mehr wählen zu gehen, schlossen sich der Linkspartei an. Dass diese Partei eigentlich aus 2 Parteien bestand und damit auch 2 Flügel hatte, wurde gut überdeckt, weil Oskar Lafontaine die Diskussion im Wahlkampf beherrschte. Die Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit versuchte, die Menschen im Westen an sich zu binden, während die alte PDS dasselbe im Osten tat. Lafontaines radikaler Populismus zeigte kurzfristige Erfolge.

Was seit der Bundestagswahl 2009 aber in der Linken geschah, ließ die Wähler wieder abwandern. Flügelkämpfe der Ost-Partei und der West-Partei waren an der Tagesordnung, Regierungsbeteiligungen, Kommunismusdebatte und Antisemitismuskontroverse sorgten für einen radikalen Wählerschwund. Dem soll das neue Programm nun entgegenwirken.

Allerdings hat der Entwurf einige Schönheitsfehler. Der Politikwissenschaftler Jürgen P. Lang zum Beispiel, der sich seit Jahren intensiv mit der Geschichte der Linken und der PDS auseinandersetzt, findet das neue Programm radikaler als je zuvor. Es seien die Radikalen aus dem Westen, die dem Programm ihren Stempel aufgedrückt hätten, während im Osten vor allem pragmatisch denkende Politiker agierten. Jüngster Zankapfel in der Linken ist die Kontroverse um das Existenzrecht Israels. Linkenpolitiker aus dem Westen lehnten ein solches Existenzrecht ab, sagt Lang. Im Gegensatz zu ihm wundert mich das nicht: Die radikale Linke im Westen, die Anhänger der RAF beispielsweise, haben das Existenzrecht Israels immer bestritten. Was mich, und vermutlich auch einige andere Wähler im Westen, wundert und enttäuscht ist, dass es ausgerechnet diese radikale Linke aus dem Westen ist, die über die Wahlalternative in die Linkspartei gefunden hat. Dies ist vor allem deshalb bedauerlich, weil es die durch die Hartz-Gesetzgebung diskriminierten Menschen, die aber trotzdem auf dem Boden des Grundgesetzes und der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen, erneut ohne politische Heimat zurücklässt. Nachdem die SPD zu einer neoliberalen Partei geworden war, hatten wir auf das Wiederaufleben alter sozialdemokratischer Werte in der Linkspartei gehofft. Doch wir wurden enttäuscht. Für mich ist eine Partei nicht wählbar, die das Existenzrecht Israels nicht anerkennt, ja die sich überhaupt anmaßt, darüber eine Diskussion zu führen. Die Frage nach dem Existenzrecht eines Staates bemisst sich für mich nämlich nicht danach, wie die Regierung dieses Staates mit den Menschenrechten umgeht.

Die heutige Führung der Linken hat von ihren Vorgängern kein leichtes Erbe übernommen. Oskar Lafontaine hat mit einer Menge Populismus Wahlerfolge erzielt, und die Nachfolger stehen in der Pflicht, die Forderungen und Versprechen einzulösen. Da muss erst einmal eine klare Linie her. Solange die Partei aber in sich gespalten ist, wird es diese Linie nicht geben. Da hilft auch kein Grundsatzprogramm mit dehnbaren Formulierungen und Kompromissen, die die grundsätzlich unterschiedlichen Auffassungen nicht überdecken können. Das gilt für die praktischen Fragen zum Umgang mit Israel, der NATO und der Bundeswehr ebenso, wie für die theoretische Frage nach dem Kommunismus und dem Streben nach seiner Verwirklichung. Die Linkspartei war und ist ein wahltaktischer Zusammenschluss einiger Sammelbecken für Unzufriedene, aber es fehlt ihr der Sachverstand, die politische Ehrlichkeit und der Mut, nicht nur einfache, sondern auch langfristige und langsame Lösungen zu präsentieren. Und es fehlt ihr die Geschlossenheit und standfestigkeit einer echten politischen Alternative. Es fält schwer, ihr zu vertrauen. Ich jedenfalls kann es nicht.


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