In der realen und virtuellen Welt begegnen einem die unterschiedlichsten Auffassungen und Erfahrungen, was die Entwicklung und den Umgang mit Kindern angeht. Das finde ich meistens sehr interessant und bereichernd, auch in den Aspekten, die ich als ganz anders empfinde. Allerdings gibt es ein paar Auffassungen, auf die ich bei jedem Hören und Lesen empfindlich reagiere und wo ich jedesmal das Bedürfnis habe, eine ausführliche Antwort auf aufgestellte Behauptungen zu geben.
Dazu gehört die immer wiederkehrende, nicht auszurottende und so undifferenzierte wie kränkende Meinung, dass Eltern von Schreibabys oder anstrengenden Kleinkindern ja doch irgendwie schuld an oder verantwortlich für das Verhalten des Kindes sein müssen, weil sie entweder nicht entspannt genug sind, das Kind falsch behandeln, nicht konsequent genug oder ZU streng sind, es nicht genug in seinen Eigenheiten akzeptieren oder womöglich überhaupt nicht so lieben würden, wie es ist. Die Liste der Vorwürfe ließe sich beliebig erweitern. Denn ein anstrengendes Kind käme ja nicht als solches auf die Welt, sondern würde erst durch die Einflüsse von außen so geprägt.
Sicherlich gibt es Kinder, die durch eine lieblose, gewalttätige und respektlose Erziehung zu schwierigen Fällen werden. Um solche geht es aber meist nicht, sondern um Kinder, die von ihren Eltern als anstrengend, als Kinder mit starken Bedürfnissen (High-Need nach William Sears) empfunden werden und die ihre Eltern regelmäßig vor Herausforderungen im alltäglichen Umgang mit ihnen stellen, die sich Eltern von pflegeleichten Kindern nicht im Ansatz vorstellen können. Bekanntlich habe ich ein solches Kind, meinen Großen, und bin seit dem Tag seiner Geburt immer wieder mit solchen Vorwürfen und Schuldzuweisungen konfrontiert worden. Obwohl ich mich mittlerweile nicht mehr so darüber aufrege wie früher, trifft es mich dennoch immer wieder, wenn Menschen, die weder ein solches Kind haben noch die genauen Umstände kennen, immer wieder in die gleiche Kerbe hauen. Und ich habe auch immer wieder den Impuls, mich erklären und rechtfertigen zu müssen.
Ich glaube, und das kann ich aus meiner Erfahrung mit meinen beiden unterschiedlichen Kindern sagen, dass jedes Kind mit einem ziemlich umfangreichen Paket von Wesenszügen, Fähigkeiten und Stärken/Schwächen auf die Welt kommt, was sich im Falle meiner Kinder vom Tag der Geburt an gezeigt hat und bis heute durchzieht. Ich kann definitiv sagen, dass mein Großer nicht erst zum Schreikind geworden ist, sondern von Anfang an ein Baby mit Regulationsstörungen, ein High-Need-Baby gewesen ist und ich das auch vom ersten Tag an so empfunden habe, auch wenn ich mir das Wissen darüber und die Begrifflichkeiten natürlich erst nach und nach angelesen habe. Klar waren wir unsichere Ersteltern, die Geburt und Krankenhauszeit war traumatisch und alles ganz anders als vorgestellt. Aber das geht doch vielen so, und trotzdem erwachsen aus diesen Voraussetzungen nicht automatisch Schreikinder.
Der Große war ja ein lang ersehntes Wunschkind, über die Schwangerschaft waren wir sehr glücklich und sie war bis auf die Angst der ersten Wochen vor einer erneuten Fehlgeburt auch im Großen und Ganzen problemlos. Ich fühlte mich abgesehen von kleineren Zipperlein wohl und freute mich auf mein Baby. Ich arbeitete bis zum Resturlaub vor dem Mutterschutz in meinem Teilzeitjob, der mir auch genug Zeit zum Genießen der Schwangerschaft ließ, und entspannte mich dann in den letzten Wochen noch einmal so richtig. Also ideale Voraussetzungen für ein entspanntes Baby, um mal in der Denkweise der Befürworter der These "Entspannte Mama - entspanntes Baby" zu bleiben. Allerdings war der Große im Bauch schon extrem unruhig, was ich auch ohne Vergleichsmöglichkeit als "unnormal" empfand. Aber nicht in meinen schlimmsten Träumen hätte ich mir vorstellen können, wie es dann wirklich mit ihm war.
Weder eine problematische Schwangerschaft noch eine unentspannte Mama oder sonstige schwelenden Probleme waren also "schuld" an dem Schreibaby, was wir bekamen. Die Geburt war sicherlich alles andere als optimal und hat sich nicht gerade positiv auf seinen Gemütszustand ausgewirkt, aber auch hier gibt es viele ähnliche Fälle ohne Schreibaby-Nachwirkungen. Unerfahrene und unsichere Erstlingseltern sind heutzutage die meisten Eltern, und trotzdem ist die Schreibaby-Rate über die letzten Jahrzehnte nicht signifikant angestiegen. Mit meinem heutigen Wissen hätte ich zwar damals ganz anders agieren können, wäre viel ruhiger und selbstbewusster gewesen und hätte mich nicht so schnell verunsichern und kränken lassen. Entspannt wäre ich allerdings trotzdem mit Sicherheit nicht gewesen. Schon unsere schreckliche Hebamme konfrontierte uns ja indirekt mit Vorwürfen, unsere "Unentspanntheit" betreffend, ohne sich wirklich mit unseren Problemen auseinanderzusetzen. Die allerschlimmste Schuldzuweisung überhaupt kam übrigens aus meiner eigenen Familie, die implizit behauptete, die Entstehungsgeschichte des Großen sei verantwortlich dafür. Demnach müssten ja alle diese Babys Schreikinder sein... Rationalen Argumenten sind solche Menschen sowieso nicht zugänglich. Als diese Vorwürfe mehrfach wiederholt wurden, gleichzeitig aber schizophrenerweise auch behauptet wurde, der Große sei doch ein ganz normales Baby, drohte ich den Kontaktabbruch an. Ich, die ich kurz vorm Kollabieren war und mir nichts mehr als Hilfe, Verständnis und Unterstützung wünschte. Es half kurzzeitig. Ausrotten kann man aber solche Überzeugungen leider nie.
Sicherlich kann es Faktoren geben, die Babys zu Schreibabys werden lassen, das will ich nicht bestreiten. Bei vielen Babys werden ja auch immer wieder körperliche Ursachen gefunden (Blockaden, Kiss-Syndrom, Unverträglichkeiten). Oder das Schreien hört nach den üblicherweise behaupteten ersten 3-4 Monaten auf, wird also mit Umstellungsproblemen erklärt. All dies war bei uns nicht der Fall. Zwar wurden Blockaden vom Osteopathen gelöst, aber am Wesen des Kindes änderte sich gar nichts. Wenn es nicht den einen eindeutigen Hebel gab, den man umlegen musste, um das Kind zu einem zufriedenen Baby zu machen oder keine explizit körperlichen Ursachen gefunden wurden, wird niemand je endgültig wissen, warum manche Babys pflegeleichter und andere anspruchsvoller sind. Dieses Wissen sollte endlich mal allgemein akzeptiert werden!
Ich wehre mich immer wieder vehement gegen Auffassungen, die die Regulationsprobleme solcher Kinder den Eltern anlasten. Zwar trägt der ungesunde Kreislauf, der durch solch ein forderndes Kind und die deshalb logischerweise angespannten Eltern, entsteht, nicht zur Besserung der Situation bei. Aber der Auslöser ist und bleibt die schwierige Situation mit dem Kind. Ich habe ja nun den Unterschied bei meinen beiden Kindern deutlich gemerkt. Und ich war beim zweiten Mal nicht etwa deshalb entspannter, weil ich schon eine erfahrene Mama war, wie jetzt wieder die Vertreter der o.g. These sagen würden. Nein, im Gegenteil, ich war in der Schwangerschaft deutlich angespannter und ängstlicher, weil ich ein zweites Schreibaby fürchtete. Ich hatte auch mehr Angst vor der zweiten Geburt und zweifelte, ob wir es mit zwei kleinen Kindern hinbekommen würden. Als ich aber merkte, dass meine Kleine ein entspanntes Baby ist, habe auch ich mich sofort entspannt und konnte überhaupt erst so etwas wie einen Mutterinstinkt spüren, weil ich ein positives Feedback vom Baby bekam. Dadurch gewann ich Vertrauen in meine Mama-Fähigkeiten und -Intuition, was in der Babyzeit des Großen völlig gefehlt hat. Ein positiver Kreislauf begann, der bis heute anhält und meinen Umgang mit der Kleinen prägt.
Deshalb ist meine tiefe Überzeugung: "Nicht entspannte Eltern haben entspannte Kinder, sondern entspannte Kinder machen entspannte Eltern" (nach einer Interviewüberschrift des Blogs Frühes Vogerl). Ich wünsche mir, dass diese Auffassung endlich akzeptiert wird und die Eltern von Kindern mit besonderen Bedürfnissen nicht länger durch Schuldzuweisungen und kränkende Vorwürfe noch mehr belastet werden, als sie es ohnehin schon sind. Zuhören, Verständnis, Hilfe und Unterstützung wären stattdessen angebracht.
* Ich verwende den Begriff "Schreibaby" der Einfachheit halber. Das Phänomen umfasst viele verschiedene Facetten und muss in jedem Fall individuell betrachtet werden. Das exzessive, unstillbare Schreien ist dabei nur ein Aspekt unter vielen anderen.
Dazu gehört die immer wiederkehrende, nicht auszurottende und so undifferenzierte wie kränkende Meinung, dass Eltern von Schreibabys oder anstrengenden Kleinkindern ja doch irgendwie schuld an oder verantwortlich für das Verhalten des Kindes sein müssen, weil sie entweder nicht entspannt genug sind, das Kind falsch behandeln, nicht konsequent genug oder ZU streng sind, es nicht genug in seinen Eigenheiten akzeptieren oder womöglich überhaupt nicht so lieben würden, wie es ist. Die Liste der Vorwürfe ließe sich beliebig erweitern. Denn ein anstrengendes Kind käme ja nicht als solches auf die Welt, sondern würde erst durch die Einflüsse von außen so geprägt.
Sicherlich gibt es Kinder, die durch eine lieblose, gewalttätige und respektlose Erziehung zu schwierigen Fällen werden. Um solche geht es aber meist nicht, sondern um Kinder, die von ihren Eltern als anstrengend, als Kinder mit starken Bedürfnissen (High-Need nach William Sears) empfunden werden und die ihre Eltern regelmäßig vor Herausforderungen im alltäglichen Umgang mit ihnen stellen, die sich Eltern von pflegeleichten Kindern nicht im Ansatz vorstellen können. Bekanntlich habe ich ein solches Kind, meinen Großen, und bin seit dem Tag seiner Geburt immer wieder mit solchen Vorwürfen und Schuldzuweisungen konfrontiert worden. Obwohl ich mich mittlerweile nicht mehr so darüber aufrege wie früher, trifft es mich dennoch immer wieder, wenn Menschen, die weder ein solches Kind haben noch die genauen Umstände kennen, immer wieder in die gleiche Kerbe hauen. Und ich habe auch immer wieder den Impuls, mich erklären und rechtfertigen zu müssen.
Ich glaube, und das kann ich aus meiner Erfahrung mit meinen beiden unterschiedlichen Kindern sagen, dass jedes Kind mit einem ziemlich umfangreichen Paket von Wesenszügen, Fähigkeiten und Stärken/Schwächen auf die Welt kommt, was sich im Falle meiner Kinder vom Tag der Geburt an gezeigt hat und bis heute durchzieht. Ich kann definitiv sagen, dass mein Großer nicht erst zum Schreikind geworden ist, sondern von Anfang an ein Baby mit Regulationsstörungen, ein High-Need-Baby gewesen ist und ich das auch vom ersten Tag an so empfunden habe, auch wenn ich mir das Wissen darüber und die Begrifflichkeiten natürlich erst nach und nach angelesen habe. Klar waren wir unsichere Ersteltern, die Geburt und Krankenhauszeit war traumatisch und alles ganz anders als vorgestellt. Aber das geht doch vielen so, und trotzdem erwachsen aus diesen Voraussetzungen nicht automatisch Schreikinder.
Der Große war ja ein lang ersehntes Wunschkind, über die Schwangerschaft waren wir sehr glücklich und sie war bis auf die Angst der ersten Wochen vor einer erneuten Fehlgeburt auch im Großen und Ganzen problemlos. Ich fühlte mich abgesehen von kleineren Zipperlein wohl und freute mich auf mein Baby. Ich arbeitete bis zum Resturlaub vor dem Mutterschutz in meinem Teilzeitjob, der mir auch genug Zeit zum Genießen der Schwangerschaft ließ, und entspannte mich dann in den letzten Wochen noch einmal so richtig. Also ideale Voraussetzungen für ein entspanntes Baby, um mal in der Denkweise der Befürworter der These "Entspannte Mama - entspanntes Baby" zu bleiben. Allerdings war der Große im Bauch schon extrem unruhig, was ich auch ohne Vergleichsmöglichkeit als "unnormal" empfand. Aber nicht in meinen schlimmsten Träumen hätte ich mir vorstellen können, wie es dann wirklich mit ihm war.
Weder eine problematische Schwangerschaft noch eine unentspannte Mama oder sonstige schwelenden Probleme waren also "schuld" an dem Schreibaby, was wir bekamen. Die Geburt war sicherlich alles andere als optimal und hat sich nicht gerade positiv auf seinen Gemütszustand ausgewirkt, aber auch hier gibt es viele ähnliche Fälle ohne Schreibaby-Nachwirkungen. Unerfahrene und unsichere Erstlingseltern sind heutzutage die meisten Eltern, und trotzdem ist die Schreibaby-Rate über die letzten Jahrzehnte nicht signifikant angestiegen. Mit meinem heutigen Wissen hätte ich zwar damals ganz anders agieren können, wäre viel ruhiger und selbstbewusster gewesen und hätte mich nicht so schnell verunsichern und kränken lassen. Entspannt wäre ich allerdings trotzdem mit Sicherheit nicht gewesen. Schon unsere schreckliche Hebamme konfrontierte uns ja indirekt mit Vorwürfen, unsere "Unentspanntheit" betreffend, ohne sich wirklich mit unseren Problemen auseinanderzusetzen. Die allerschlimmste Schuldzuweisung überhaupt kam übrigens aus meiner eigenen Familie, die implizit behauptete, die Entstehungsgeschichte des Großen sei verantwortlich dafür. Demnach müssten ja alle diese Babys Schreikinder sein... Rationalen Argumenten sind solche Menschen sowieso nicht zugänglich. Als diese Vorwürfe mehrfach wiederholt wurden, gleichzeitig aber schizophrenerweise auch behauptet wurde, der Große sei doch ein ganz normales Baby, drohte ich den Kontaktabbruch an. Ich, die ich kurz vorm Kollabieren war und mir nichts mehr als Hilfe, Verständnis und Unterstützung wünschte. Es half kurzzeitig. Ausrotten kann man aber solche Überzeugungen leider nie.
Sicherlich kann es Faktoren geben, die Babys zu Schreibabys werden lassen, das will ich nicht bestreiten. Bei vielen Babys werden ja auch immer wieder körperliche Ursachen gefunden (Blockaden, Kiss-Syndrom, Unverträglichkeiten). Oder das Schreien hört nach den üblicherweise behaupteten ersten 3-4 Monaten auf, wird also mit Umstellungsproblemen erklärt. All dies war bei uns nicht der Fall. Zwar wurden Blockaden vom Osteopathen gelöst, aber am Wesen des Kindes änderte sich gar nichts. Wenn es nicht den einen eindeutigen Hebel gab, den man umlegen musste, um das Kind zu einem zufriedenen Baby zu machen oder keine explizit körperlichen Ursachen gefunden wurden, wird niemand je endgültig wissen, warum manche Babys pflegeleichter und andere anspruchsvoller sind. Dieses Wissen sollte endlich mal allgemein akzeptiert werden!
Ich wehre mich immer wieder vehement gegen Auffassungen, die die Regulationsprobleme solcher Kinder den Eltern anlasten. Zwar trägt der ungesunde Kreislauf, der durch solch ein forderndes Kind und die deshalb logischerweise angespannten Eltern, entsteht, nicht zur Besserung der Situation bei. Aber der Auslöser ist und bleibt die schwierige Situation mit dem Kind. Ich habe ja nun den Unterschied bei meinen beiden Kindern deutlich gemerkt. Und ich war beim zweiten Mal nicht etwa deshalb entspannter, weil ich schon eine erfahrene Mama war, wie jetzt wieder die Vertreter der o.g. These sagen würden. Nein, im Gegenteil, ich war in der Schwangerschaft deutlich angespannter und ängstlicher, weil ich ein zweites Schreibaby fürchtete. Ich hatte auch mehr Angst vor der zweiten Geburt und zweifelte, ob wir es mit zwei kleinen Kindern hinbekommen würden. Als ich aber merkte, dass meine Kleine ein entspanntes Baby ist, habe auch ich mich sofort entspannt und konnte überhaupt erst so etwas wie einen Mutterinstinkt spüren, weil ich ein positives Feedback vom Baby bekam. Dadurch gewann ich Vertrauen in meine Mama-Fähigkeiten und -Intuition, was in der Babyzeit des Großen völlig gefehlt hat. Ein positiver Kreislauf begann, der bis heute anhält und meinen Umgang mit der Kleinen prägt.
Deshalb ist meine tiefe Überzeugung: "Nicht entspannte Eltern haben entspannte Kinder, sondern entspannte Kinder machen entspannte Eltern" (nach einer Interviewüberschrift des Blogs Frühes Vogerl). Ich wünsche mir, dass diese Auffassung endlich akzeptiert wird und die Eltern von Kindern mit besonderen Bedürfnissen nicht länger durch Schuldzuweisungen und kränkende Vorwürfe noch mehr belastet werden, als sie es ohnehin schon sind. Zuhören, Verständnis, Hilfe und Unterstützung wären stattdessen angebracht.
* Ich verwende den Begriff "Schreibaby" der Einfachheit halber. Das Phänomen umfasst viele verschiedene Facetten und muss in jedem Fall individuell betrachtet werden. Das exzessive, unstillbare Schreien ist dabei nur ein Aspekt unter vielen anderen.