Entscheidungen und Neuanfänge

Sunday Assembly #5

Sunday Assembly #5

Entscheidungen und Neuanfänge

19. Januar 2015 / Nic Frank / 0 Comments

Ich habe gestern bei der Sunday Assembly eine kurze Rede gehalten. Weil die offensichtlich nicht ganz schlecht war, will ich sie hier auch veröffentlichen.

Das kennt vermutlich jeder von Euch: es gibt so Tage, an denen man kurz innehält und auf sein Leben zurückblickt. Und es kennt wohl auch fast jeder, dass man sich sagt: “Ach, hätte ich doch da anders entschieden. Mein Leben wäre jetzt anders. Ich hätte mehr Geld, einen besseren Job und …” was weiß ich, was ihr euch noch so wünscht.

Doch können wir wirklich entscheiden? Werden die wirklich wichtigen Dinge im Leben nicht häufig genug von anderen entschieden?

Wer von Euch hat sich ausgesucht, ob er in eine Kita geht, wer sich seine Schule(n)? Selbst bei der Auswahl des Berufes ist es doch oft genug so, dass sich die Begebenheiten anbieten und man selbst – oder die Eltern – dann danach entscheiden, was möglich ist.

Die großen Entscheidungen, auf die wir in Momenten zurückblicken, an denen wir in Lebenskrisen stecken, diese großen Entscheidungen treffen wir oft nicht selbst. Oder wenn doch, dann wissen wir nicht, dass es Entscheidungen sind, die unser ganzes Leben verändern werden.

Als ich vor vielen Jahren in einem Café saß und eine junge Frau ansprach… wußte ich da, dass ich nach dem Gespräch einige Jahre mit ihr zusammenleben werde? Natürlich nicht.

Solche Entscheidungen meine ich. Die treffen wir sehr selten bewusst; selbst wenn sie unser ganzes Leben umkrempeln.

Oder damals, als der Freund meiner Schwester mich fragte, ob ich nicht Lust hätte, mit ihm Musik zu machen. Ich könne auch singen. Ich hatte keinen Schimmer von Musik und kann bis heute nicht wirklich gut singen.
Hätte ich damals geahnt, dass mich diese Frage letztlich auf vielerlei Umwegen heute hier vor euch bringt… hätte ich mich dann dafür entschieden, je einen Song-Text zu schreiben? Ich weiß es nicht. Vermutlich aber eher nicht.

Wenn ich an einem solchen Punkt war, dass ich mich fragte: hätte ich da oder da mich sollen anders entscheiden… dann blieb oft nur Katzenjammer über die vielen vertanen Chancen.

Heute weiß ich: das ist Quatsch! Wir können nur in die Vergangenheit sehen. Nur, wenn wir auch das Zukünftige erkennen könnten, wären solche Selbstzweifel angebracht.

Aber manchmal – ganz selten – gibt es Momente in unserem Leben, da wir uns ganz bewusst und wirklich für etwas entscheiden. Das jedoch sind dann sehr selten nur Entscheidungen, die wir aus dem Bauch heraus treffen. Es sind Entscheidungen – bei denen das Wort auch richtig angewandt ist – Entscheidungen, bei denen wir an einem Scheideweg stehen und uns bewusst für eine Richtung ent-scheiden.

Und weil wir hier heute über “Neuanfänge” reden wollen, will ich mein Bestes tun und kurz noch über meinen Neuanfang sprechen.

Ich habe 25 Jahre lang einen Job gemacht, an dem ich zwar sicherlich die ersten Jahre Freude hatte, der mich aber die letzten Jahre einfach nur noch langweilte.
Mit dieser Erfahrung bin ich – das weiß ich – nicht allein.

Es ergab sich für mich dann überraschend die Möglichkeit, etwas ganz anderes zu tun; etwas, auf das ich mich sozusagen 35 Jahre lang vorbereitet habe. Denn trotz aller “falscher” Entscheidungen, ich habe mein ganzes Leben lang geschrieben. Sowohl journalistisch als auch künstlerisch.

Und plötzlich wurde mir angeboten, ich könne als Redakteur arbeiten. Mein Lebenstraum…

Allerdings – nichts ist vollkommen – allerdings zu Bedingungen, die mir Angst machten: ich müsse meine Sicherheit (hey, ich war im öffentlichen Dienst angestellt!) aufgeben, müsste “Freier” werden und würde zudem auch weniger Geld bekommen…

Da stand ich nun… und konnte mich nicht entscheiden. Soll ich oder soll ich nicht? Geld und Sicherheit gegen eine völlig im vagen liegende Zukunft?

Tatsächlich wurde mir die Entscheidung dann durch einen Zufall sehr leicht gemacht.

Meinem alten Arbeitgeber nämlich gefielen weder meine politischen noch meine publizistischen Aktivitäten. Und er sagte: “Entweder-oder”. In diesem Moment wurde mir klar, dass ich mich schon längst entschieden hatte. Dass die Bauchentscheidung längst gefallen war.

Heute leite ich eine kleine Redaktion, arbeite viel zu viel und rede nur noch über meine Arbeit… Und ich bin so glücklich wie noch nie zuvor in meinem Leben.

Und – ja – ich schaue manchmal noch zurück. Aber ich sehe “mein altes Ich” dann eher mit einem gewissen Mitleid an: wie er sich quälte, der zu werden, der er jetzt tatsächlich geworden ist.

Zu wirklichen Entscheidungen gehört Mut. Das auch dann, wenn uns zum Glück kaum bewusst ist, welchen Umfang unsere Entscheidungen haben können. Auch wenn uns nicht bewusst, ist welche Folgen das haben kann.

Zu Neuanfängen gehört übrigens auch, dass man seinen inneren Schweinehund in seine Grenzen weist, seinen Ängsten begegnet.

Ich habe eine von meinen Ängsten jetzt gerade mehr oder weniger überwunden: es war das erste Mal, dass ich vor mehr als drei fremden Menschen sprach.

Danke.


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