Entscheidung in der Sierra Chica - Leseprobe


Entscheidung in der Sierra Chica - LeseprobeMartin Gehring / El Pollo - Entscheidung in der Sierra Chica
Carizzo
Wie eine Tortilla in der glühend heißen Pfanne lag die schier endlos scheinende Ebene der Sierra Chica schutzlos in der gleißenden Nachmittagssonne. Die Luft flimmerte in der Hitze, kein Windhauch regte sich und nicht eine Wolke war am Himmel auszumachen. Lediglich ein paar krumm gewachsene Kakteen mit kolossalen, nach Blutvergiftung aussehenden Dornen spendeten der Sierra hier und da etwas kümmerlichen Schatten, der seinen Namen allerdings nicht ernsthaft verdiente. Wasser war in der wüstenhaften Abgeschiedenheit der Sierra kaum zu finden, doch dafür gab es jede Menge Geröll und hier und da die ausgebleichten Knochen der Unglücklichen, die sich in ihr rettungslos verirrt hatten. Und es gab noch mehr Staub. Die ganze Sierra schien aus diesem lästigen gelblichfeinen Puder zu bestehen, das bei jedem Schritt aufwirbelte und sich auf den Kleidern, allen Gegenständen und in jeder noch so kleinen Ritze festsetzte. Mit einem raschen Schaben und Scharren verschwand zischelnd eine Schlange durch die Augenhöhle des grinsenden Schädels eines Klapperhasen, der hier vor langer Zeit verendet war. In der Tat war die Sierra Chica zur Mittagsstunde zweifellos der unwirtlichste Ort im gesamten Süden. Und dennoch existierte Leben und sogar ein Anflug von Zivilisation in dieser erbarmungslosen Einöde.
Am äußersten südlichen Rand der Ebene fand sich nämlich ein erbärmlich kleines, halb von feinkörnigem Sand verschüttetes Dorf namens Carrizo. Der Ort bestand aus einer ungepflasterten Straße, die auf beiden Seiten wie ein lückenhaftes Gebiss von windschiefen, mehr oder weniger nachlässig zusammengeklebt wirkenden Lehmhütten gesäumt war. An der Stirnseite des Campo thronte die einstmals stolze, doch nun verfallende Kirche Nuestro Huevo Sagrado mit ihrem schiefen und bröckelnden Turm, der so dermaßen einsturzgefährdet war, dass der Padre sich schon lange nicht mehr getraute, die scheppernde, gesprungene Glocke zu läuten, ohne Gefahr zu laufen, dass ihm die gesamte baufällige Architektur auf den Kamm krachen würde. Ein Saloon mit staubblinden Fensterscheiben und knarzenden Türflügeln, schräg gegenüber der Kirche gelegen, vervollständigte den Ort. Am Rand von Carrizo trotzten einige verdorrte Maisfelder mit ihrem kläglich raschelnden, braunen Gestrüpp elender Stängel der unerbittlich vordringenden Einöde. Am anderen, nicht sehr weit entfernten Ende des Dorfes lag die Koppel mit der Wasserstelle. Zu dieser Jahreszeit jedoch war der kleine Teich nichts weiter als ein brackig schlammiges Loch mit einer immer kleiner werdenden Pfütze lauwarmer, trüber Dreckbrühe. Im Schatten unter den dornigen Büschen rund um die Tränke drängten sich, gemeinsam mit Milliarden von Fliegen, einige Reittiere: Klapperhasen, die ihrem Namen gerecht werdend, unablässig mit ihren gelblichen Nagezähnen klapperten und ziemlich lustlos an den kleinen, harten Blättern der Sträucher mümmelten. Im Übrigen wirkte Carrizo wie ausgestorben. Alle Einwohner hatten sich zur Siesta in die kaum noch kühlende Dunkelheit ihrer Hütten zurückgezogen, um den Spätnachmittag abzuwarten. Kein Huhn, das auch nur einigermaßen Verstand hatte, wagte sich um diese Tageszeit ohne guten Grund auf die Straße und in die gnadenlose Sonnenhitze.
Nur Sancho hatte heute die Bürzelkarte gezogen und musste einsam die Mittagswache halten. Trotz der hohen Temperaturen stand er kerzengerade und pflichtbewusst, in Poncho und Sombrero gekleidet und bewaffnet mit einem rostigen und altertümlich verschnörkelten Trumm von Bohnenrevolver (den man besser als Totschläger oder Briefbeschwerer benutzt hätte, statt das unkalkulierbare Risiko einzugehen, ihn abzufeuern) auf dem windschiefen Aussichtsturm am Ortsrand von Carrizo oder besser gesagt, halb in der Sierra Chica, denn der Übergang verlief fließend und keiner klaren Grenzlinie folgend. Er beobachtete unablässig die mörderische Ebene, während ihm in der mittäglichen Gluthitze der Schweiß in Strömen aus seinem dichten, nachtschwarzen Gefieder sickerte und allmählich eine kleine Pfütze auf dem roh gezimmerten Holzboden der Plattform bildete. Liebend gerne hätte Sancho jetzt einen Schluck kühlen, erfrischenden Wassers und einen kleinen Körnersnack gehabt, doch er durfte seinen Wachposten nicht verlassen, bis die Ablösung eintraf.
Der Hahn hatte sich schon geistig darauf eingerichtet, dass er sich heute vermutlich wieder zu Tode langweilen würde, als er mit seinen scharfen Augen plötzlich weit entfernt eine Bewegung und dann einen kleinen, dunklen Punkt am Horizont ausmachte. Sancho war sich nicht sicher, ob er sich vielleicht getäuscht hatte; womöglich konnte der Punkt nichts weiter als eine Luftspiegelung sein, wie sie um diese Jahreszeit nicht besonders selten vorkam. Doch der Punkt verschwand nicht. Stattdessen blieb er und wurde allmählich immer größer. Dann löste er sich auf und verwandelte sich am Ende in vier Punkte, die sich, eine Staubfahne hinter sich herziehend, in hohem Tempo direkt auf Carrizo zubewegten. Sancho traute seinen Augen nicht. Vier Reiter, die auf das Dorf zukamen? Das konnte nur Ärger bedeuten. Er schnappte sich den geladenen Bohnenrevolver, der schwer auf dem Sitzbänkchen der Aussichtsplattform lag, kletterte hastig die lieblos zusammengenagelte und nicht sehr vertrauenswürdig wirkende Leiter hinunter und rannte flatternd mit wehendem Poncho, so schnell er konnte die Straße hinauf und über den Campo zur Kirche. Unterwegs verlor er seinen Sombrero, der im Staub der Hauptstraße ausrollte und liegen blieb. Als Sancho die Kirche erreicht hatte, stellte er sich vor die verzogene Eingangstüre des Hauptportals und krähte, so laut er konnte:
„ALARM!“
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Der Überfall
Von einem Moment auf den nächsten war es mit der trägen Mittagsruhe in Carrizo vorbei. Die jäh aus ihrer Siesta gerissenen Einwohner stürzten, bewaffnet mit Knüppeln, Mistgabeln, Dreschflegeln, brennenden Fackeln, rostigen Säbeln und sogar einigen Bohnenrevolvern in unterschiedlich schlechten bis lebensgefährlichen Erhaltungszuständen aus ihren Hütten und Schattenplätzen. Die alarmierten Hühner fegten in Windeseile auf den Campo, wuselten dort eine Zeitlang orientierungslos durcheinander, um sich schließlich vor der Kirche zu versammeln. Schnatternd, gackernd und so hektisch mit den Flügeln schlagend, dass Federn in alle Richtungen stoben, diskutierten sie die bedrohliche Situation, ohne auch nur die geringste Ahnung zu haben, weshalb der Wachposten überhaupt Alarm gegeben hatte.
Doch dann öffnete sich in all dem Trubel und Durcheinander die Kirchentüre und heraus trat mit würdevollem Schritt Padre Léon, das geistliche Oberhaupt von Carrizo. Der Padre war ein graubraunes Federvieh von Ehrfurcht gebietender Gestalt. Er hatte einen mächtigen, purpurroten Kamm auf seinem Haupt, prächtig glänzende Schwanzfedern und einen imposanten scharfen Schnabel zwischen seinen klaren Hühneraugen. Padre Léon trug eine dunkelbraune, wenngleich staubige Soutane aus grob gewirktem Stoff und vor seiner Hühnerbrust baumelte an einer Halskette ein silbernes Ei. Am Bauch wurde das Gewand des wehrhaften Padre von einem breiten Gürtel zusammengehalten, an dem neben einem Holster mit einem schön gearbeiteten Bohnenrevolver ein lederner Beutel mit Ersatzbohnen der blauen Sorte für das Magazin des Revolvers hing. So ausgerüstet betrat Padre Léon den Platz. Er hob leicht seine Fittiche und sofort kehrte unter der aufgeregten Einwohnerschaft von Carrizo Ruhe ein. Dann baute er sich vor dem eingeschüchterten Sancho auf, kratze ein wenig auf dem staubigen Boden herum und fragte ihn sodann streng:
Mein Sohn, wie kommst Du dazu, zur Mittagsstunde, während der jedes ordentliche Huhn seine Siesta hält, hier vor die Kirche zu stürmen und lauthals Alarm zu schreien?“
„Vier Reiter, Padre. Und sie kommen in unser Dorf“, japste Sancho, noch ganz außer Atem.
„Bist Du dir da auch ganz sicher?“, fragte der Padre.
„Meine Augen haben mich noch nie getäuscht, Padre.“
„Du hast auch noch nie etwas gesehen, mein Sohn“, herrschte der Priester den armen Sancho an.
„Das stimmt, Padre“, antwortete Sancho kleinlaut.
„Trotzdem gut aufgepasst, mein Sohn“, sagte Léon großmütig, während er seine Soutane zurechtzupfte und sich hier und da ein paar Krümel von der letzten Mahlzeit abklopfte.
„Und jetzt, liebe Gemeinde, wollen wir unseren Besuchern zeigen, wie gastfreundlich wir sind und sie mit gebührendem Respekt in Carrizo willkommen heißen.“
Eine ganze Weile passierte nun nichts. Auf dem Campo vor der Kirche war es mucksmäuschenstill gewordenen. Die einzigen Geräusche waren das pausenlose Zähneklappern der Klapperhasen an der Tränke und das unaufhörliche Summen von Fliegen. Plötzlich bogen vier Reiter nebeneinander auf die Straße ein. Ein leichtes Raunen ging durch die versammelte Hühnerschar und manch ein entschlossener Hahn schloss seine Flügel fester um die Mistgabel oder den Dreschflegel. Die Küken versteckten sich unter den weit ausladenden Röcken ihrer Mutterglucken und spähten zugleich neugierig hinüber zu den Reitern. Was sie sahen, waren vier abgerissene graubraune Galgenvögel von Hühnern, die allesamt staubbedeckt und schlecht rasiert daherkamen. Alle vier trugen schäbige Cowboyhüte, speckige Lederwesten, vielfach geflickte und trotzdem löchrige Hosen und Stiefel mit glänzenden Sporen. An ihren Gürtel hingen eindrucksvolle Bohnenrevolver und allerlei Messer. Sie ritten betont langsam und lässig auf ihren Klapperhasen, die im Gegensatz zu ihren Reitern gepflegt waren und aussahen, als hätten sie erst kürzlich auf unfreiwillige Weise ihren Besitzer gewechselt. So gesehen passten sie damit überhaupt nicht zu dem restlichen Bild, das sich den überraschten und etwas verängstigten Bewohnern von Carrizo bot. Die Klapperhasen trugen links und rechts Satteltaschen, die den Eindruck erweckten, als wären sie mit allerlei Beute und illegal erworbenen Gütern vollgestopft. Geladene Maisgewehre, die ebenfalls an den Satteln der Nager festgemacht waren, vervollständigten die Ausrüstung der vier Desperados. Endlich erreichten die Reiter den Platz vor der Kirche und machten dort Halt. Einer von ihnen ritt ein paar Schritte weiter nach vorne und baute sich, stolz auf seinem Klapperhasen sitzend, direkt vor Padre Léon auf, der sogleich zu sprechen anhub:
Wir haben nicht oft Fremde in Carrizo und trotzdem heißen wir alle freundlich willkommen. Doch sagen Sie mir, Señores, was führt Sie in unser abgelegenes Dorf?“
„Meine Brüder und ich haben Durst!“, knurrte der Anführer und blickte Léon scharf unter seinen buschigen Augenbrauen an.
„So sollt ihr zu trinken haben, meine lieben Freunde“ antwortete der Priester salbungsvoll.
„Pedro, mein Sohn“, rief Padre Léon quer über den Platz in Richtung Saloon.
„Bring den Herren hier etwas zu trinken, denn sie haben Durst.“
Sogleich war eine verstohlene Bewegung im Zwielicht des Saloons wahrzunehmen. Dann kam Pedro, der örtliche Schankwirt mit einer großen Holzkelle, gefüllt mit Wasser auf den Platz. Auf dem Weg verschüttete er dabei vor lauter Zittern eine nicht unbeträchtliche Menge des kostbaren Nass. Schließlich gelangte er aber doch halbwegs heil zum vordersten der Reiter und hielt ihm mit einem unterwürfigen „Señor“ die Kelle unter den Schnabel. Der Anführer nahm Pedro die dargereichte Kelle aus der Schwinge, roch misstrauisch an ihrem Inhalt, kostete einen kleinen Schluck, prustete und hustete und schleuderte dann am Ende angewidert das hölzerne Gefäß in den Straßenstaub.
„Wasser!“, spuckte der Reiter verächtlich in Richtung Pedro aus.
„Das ist etwas für euch elende Bande von Hungerleidern oder die Klapperhasen, aber nicht für meine Brüder und mich. Bring uns was Schärferes. Bring uns Tequila, aber ein bisschen rapido, wenn ich bitten darf.“
„Señor, wir haben hier keinen Tequila“, sagte Pedro mit einem verschlagenen und zugleich ängstlichen Seitenblick auf Padre Léon. Dieser beeilte sich, in belehrendem Ton hinzu zu fügen,
„Meine Herren Reisende. Wir sind überaus stolz, behaupten zu dürfen, dass wir das einzige Dorf zwischen hier und Mexiko sind, das den Teufel Alkohol mit Stumpf und Stil ausgerottet hat. Sie müssen also, so leid es mir tut, mit unserem hervorragenden Quellwasser vorlieb nehmen.“
Während er dies sprach, überhörte er großzügig vereinzeltes Murren über die örtliche Alkoholregelung aus den Reihen seiner frommen Hühnlein, nahm sich aber insgeheim vor, diesen Missstand auf die Liste seiner nächsten Sonntagspredigt zu setzen.
So so, ausgerottet. Wollen wir doch mal sehen, wer hier gleich ausgerottet wird. Habt ihr überhaupt die leiseste Ahnung, wen ihr vor euch habt?“, krähte der Anführer, fuchsteufelswild geworden, zog mit einer blitzschnellen, kaum sichtbaren Bewegung seinen Bohnenrevolver und schoss zweimal, laut ploppend in die Luft.
„Nicht? Dann will ich es euch sagen. Die unfreundlich blickenden Gentlemen hinter mir sind Bill, Joe und Bob. Und ich bin John Rooster. Gemeinsam sind wir als Die Four Roosters bekannt. Na, geht euch unterbelichtetem Federvieh jetzt ein Licht auf?“
Die Menge erstarrte. Die Four Roosters waren die berüchtigste Gangsterbande in weitem Umkreis. Auf ihr Konto gingen unzählige Überfälle auf Banken und Postkutschen, die heimtückische Entführung junger unschuldiger Hühnerladies samt Erpressung von Lösegeld sowie jede Menge Zechprellereien in den Saloons der Umgebung, wilde Schießereien, Diebstahl von Klapperhasen und allerlei anderen beweglichen Gütern. Die vier Brüder versetzten jeden, der mit ihnen zu tun hatte, in Angst und Schrecken und in 17 Staaten waren hohe Kopfgelder auf die Ergreifung der Pistoleros, tot oder lebendig, ausgesetzt. Mancher vorwitzige Sheriff, der es sich in sein übergeschnapptes Hühnerhirn gesetzt hatte, die Four Roosters zu schnappen, hatte seinen Wagemut teuer bezahlen müssen. Und nun waren Bill, Joe, Bob und John Rooster in Carrizo eingefallen. Das roch ganz gewaltig nach Ärger. So sah es auch Padre Léon, der sich jedoch den Schreck nicht anmerken ließ und mit fester Stimme sprach:
Meine Herren Rooster. Wir leben hier am Rand der Sierra Chica seit Generationen als arme Campesinos von unserer Schwingen Arbeit. Was also wollen Sie von uns, wo es hier doch nichts zu holen gibt?“
„So so, ihr habt also nichts“, sagte John mit einem sehr bedrohlichen Unterton.
„Da lachen ja die Hühner. Los, rückt eure Wertgegenstände und euer Gold heraus. Und wenn wir zufrieden sind, ziehen wir vielleicht ab, ohne euer elendes Kaff in Brand zu stecken.“
„Was für Gold? Welche Wertsachen? Señor Rooster, Sie sehen doch, wie mittellos wir sind. Wir haben nicht einen lumpigen Peso in unseren Taschen“, antwortete der Priester.
„Schnabel halten!“, fuhr John Rooster dazwischen.
„Was ist denn das für ein Ei, das da um deinen Hals hängt? Das sieht mir ganz nach Silber aus. Her damit!“
„Señor, das kann ich Ihnen nicht geben. Das ist ein heiliger Gegenstand. Dieses Ei darf nur ein Padre tragen. Und ich bin ein Padre“, entgegnete Léon furchtlos.
„Das werden wir ja sehen.“
Der Ganove wandte sich zu seinen Brüdern um und befahl ihnen:
„Vorwärts, schnappt euch die Krähe und rupft sie ordentlich.“
Das ließen sich Bill, Joe und Bob nicht zweimal sagen. Sofort saßen sie von ihren Klapperhasen ab und gingen breitbeinig, den Kamm voraus, auf den verdutzten Padre Léon zu. In diesem Augenblick stürzte ein Küken unter dem Rock seiner Mutterhenne hervor, fuchtelte dabei wild mit einem, aus einem Stück Holz geschnitzten Spielzeugrevolver und nahm hin- und hüpfend vor dem Gangsterboss Aufstellung:
PENG, PENG!“, fiepte das Küken.
„Haut ab, ihr blöden Ganoven, sonst schieße ich euch alle tot. PENG, PENG! Wartet nur, wenn El Pollo wieder nach Hause kommt, dann macht er euch fertig. El Pollo ist der Größte. PENG, PENG!“
„So so, El Pollo also“, antwortete John mit einem leichten, ins Sadistische gehenden Lächeln.
„Mein Kleiner, ich zeige dir mal, was ich mit deinem großen El Pollo mache, wenn ich ihm begegne.“
Wieder hob er seinen Bohnenrevolver, zielte lässig und setzte dem Küken ein paar blaue Bohnen vor die nackten Krallen. Das Kleine piepste kreischend auf, ließ seine Spielzeugpistole auf der Stelle fallen und rannte, so schnell es konnte, wieder unter den schützenden Rock seiner Mutter zurück. Die drei restlichen Brüder hatten kurz innegehalten. John erhob sich aus seinem Sattel, so dass ihn jedes Huhn auf dem Campo sehen konnte, warf einen, nichts Gutes verheißenden Blick auf die angstvoll zusammengedrängte Menge und begann mit lauter Stimme zu sprechen:
Und nun hört mir mal genau zu. Wir machen jetzt Folgendes: Als erstes werden wir den vorlauten Padre da rupfen, damit ihr seht, dass wir es ernst meinen. Damit wollen wir es für dieses Mal gut sein lassen. Aber freut euch nicht zu früh. Zum nächsten Hühnermond kommen wir zurück. Dann liefert ihr uns euren ganzen Besitz aus. Aber das ist noch nicht alles. Ich kenne El Pollo, den alten Trunkenbold gut. Sehr gut sogar. Wenn ich mich recht erinnere, hat er einmal im Vollrausch erzählt, dass er aus diesem elenden Drecknest hier stammt. Und ich habe mit dem Mistkerl noch ein, zwei Hühnchen zu rupfen. Wenn wir also demnächst hierher zurückkehren, werdet ihr uns auch noch El Pollo geben, da wir sonst das ganze Dorf niederbrennen.“
Nach dieser kurzen aber eindrucksvollen Ansprache wandte er sich an seine wartenden Brüdern und sagte in bedrohlichem Tonfall:
„Und jetzt bringt mir das verdammte Ei und die Schwanzfedern von unserem kleinen Priester hier.“
Mit diesen Worten stürzten sich Bill, Bob und Joe auf Padre Léon. Dieser wehrte sich nach Leibeskräften, trat und schlug wild gackernd um sich, doch gegen die drei Rooster-Brüder hatte er keine Chance und sie hatten ihn alsbald überwältigt. Als sich der aufgewirbelte Staub verzogen hatte, lag der arme Padre ziemlich zerrupft auf der Straße. Die Roosters hatten ihm während des heftigen, aber kurzen Kampfes die Schwanzfedern ausgerissen, die sie sich nun triumphierend an ihre Hüte steckten. Bill gab John dümmlich grinsend ebenfalls eine der Schwanzfedern des Priesters und überdies das silberne Ei. Der Älteste hängte sich, fies lachend, das Schmuckstück um den Hals, deutete darauf und sagte zu Léon, der sich mühsam aus dem Staub erhob und allen anderen Hühnern auf dem Platz:
„Das war nur die Anzahlung. Bald sehen wir uns wieder. Los Jungs, wir verschwinden. Adios.“
Die drei Brüder kletterten in die Sättel ihrer Klapperhasen, dann wendeten Die Four Roosters ihre Reittiere und hoppelten donnernd in einer Staubwolke aus Carrizo heraus und zurück in den Glutofen der Sierra Chica.
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