Ich hatte mehrfach über das Thema berichtet, zuletzt in dem Blott "Kliniken Ostallgäu-Kaufbeuren: Landrat Johann Fleschhut verhöhnt die Ostallgäuer Bürgermeister". Der angesichts eines schon in diesem Jahr zu erwartenden Defizits von 9 Mio. € fiskalisch geradezu haarsträubend verantwortungslose Plan des Landrates Johann Fleschhut, ab 2014 die Haftung der derzeit mit 50% beteiligten Stadt Kaufbeuren auf 1 Mio. € zu begrenzen und den Rest dem Landkreis aufzubürden (solange dieser nicht ein Krankenhaus schließen würde), ist gescheitert.
Welche Szenarien im einzelnen in der vierstündigen Verwaltungsratssitzung am gestrigen Mittwoch, 27.07.2011, nacheinander zur Abstimmung standen, ist dem heutigen Bericht "Marktoberdorfer Klinik wird geschlossen" von Renate Meier in der Allgäuer Zeitung nicht zu entnehmen. Man erfährt dort insoweit lediglich:
"Zuvor waren in der nichtöffentlichen Sitzung offenbar mehrere andere Vorschläge zur Sanierung des Unternehmens an der nötigen Zwei-Drittel-Mehrheit gescheitert. Auch der Vorschlag, das Marktoberdorfer Krankenhaus zu schließen, fand zunächst nur eine Mehrheit von elf zu sieben Stimmen. Nach weiteren gescheiterten Einigungsversuchen rief Vorsitzender Stefan Bosse nochmals dieses Szenario auf. Nun votierten zwölf der 18 Verwaltungsräte für das Aus der Klinik in der Kreisstadt mit 115 Betten und 200 Mitarbeitern."
In diesem Bericht der Allgäuer Zeitung findet man auch ein kurzes Video mit den Vorwürfen des frustrierten Marktoberdorf-Lobbyisten Fleschhut gegen die Stadt Kaufbeuren, die von deren Oberbürgermeister Stefan Bosse an der gleichen Stelle überzeugend zurückgewiesen wurden:
Am 21.07.2011 abends hatte ich der Allgäuer Zeitung den nachfolgenden Leserbrief (zu Fleschhuts o. a. Angebot einer Haftungsreduzierung an Kaufbeuren ab dem Jahr 2014) zugemailt:
"Dem Ostallgäuer Landrat Johann Fleschhut Glückwunsch zu der von ihm gekreißten Kliniken-(Kompro-)Missgeburt! Derweilen kreist im Kreistag die Dyskalkulie: Wenn Kienbaum auf Basis von hypothetisch 6 Mio. € Miesen im Szenario ohne Krankenhausschließung ein Optimierungspotential auf 2 Mio. Miese ermittelt, errechnet sich bei tatsächlich 9 Mio. Verlust ein Defizit von 5 Mio. Ab 2014 müsste also der Landkreis nach aktuell realistischer Perspektive für 4 Mio. € einstehen! Diese Lösung ... entspreche vollinhaltlich der Linie, die vor zwei Wochen mehr als drei Viertel der Ostallgäuer Bürgermeister empfohlen hätten, so Fleschhut" meldete die AZ. Die Bürgermeister jedoch haben die Festlegung des Verwaltungsrates auf eine Klinikschließung zum jetzigen Zeitpunkt gefordert, falls 2014 das Defizit nicht auf 2 Mio. gesunken ist. Davon ist in dem Kompromiss mit Kaufbeuren keine Rede. Fleschhut hat also der Klinik in MOD bis 2014 Zeit gekauft - und dann schaun mer mal. Hätten die Bürgermeister nur einen Funken Selbstachtung, würde ein Proteststurm gegen diesen MODernen Autokraten losbrechen! Oder war das nur ein Alibi-Beschluss?"
Diesen Leserbrief hat die Zeitung nicht veröffentlicht. Über die Gründe kann ein Außenstehender natürlich nur spekulieren. Ich vermute, dass diese personenbezogene Kritik den Redakteuren zu scharf war. Es ist im deutschen Journalismus eine leider häufig anzutreffende Erscheinung (oder, aus meiner Sicht: Krankheit), dass "die Politik" bzw. "die Politiker" kritisiert werden, obwohl natürlich fast immer ganz bestimmte Positionen gemeint sind. Da ist es denn kein Wunder, wenn auch viele Bürger nicht differenzieren und pauschal gegen "die Politiker" wettern.
Zur Ehrenrettung der Zeitung muss jedoch auch gesagt werden, dass sie sich am 27.11.2011, also genau am Tag der entscheidenden Verwaltungsratssitzung, in einem Kommentar "Verantwortung übernehmen" von eben jener Renate Meier, die dann auch über das Resultat berichtete, unmissverständlich gegen die Fortsetzung des Defizitkurses bei den Kliniken Ostallgäu-Kaufbeuren positioniert hat. Frau Meier ist (wenn die Angaben in diesem Artikel von vor einem Jahr noch zutreffen) Leiterin der Lokalredaktion Kaufbeuren/Buchloe. Auszüge (meine Hervorhebungen):
"Die vergangenen Wochen vermittelten den Eindruck, als gäbe es für die Bürger in der Region nichts Wichtigeres, als alle ihre Krankenhäuser behalten zu wollen, in denen (samt [der privaten Klinik in:] Pfronten) aber tagein tagaus an die 280 Betten leer stehen. Alle Ostallgäuer Steuerzahler wurden nie wirklich gefragt, ob sie dafür Jahr für Jahr Millionen Euro ausgeben wollen. Vielmehr dominierten Lobbyisten die Debatte. Sie sperrten sich aus falsch verstandenem Lokalpatriotismus jeglicher Veränderung. Den verantwortlichen Politikern ist es leider nicht gelungen , die Bürger frühzeitig - also nach der Kommunalwahl 2008 - auf unvermeidliche Einsparungen in der Kliniklandschaft vorzubereiten ..... . Selbst wenn es nur noch zwei Krankenhäuser im Verbund gäbe, nämlich Füssen und Kaufbeuren, wären die Wege zur nächsten Klinik von allen Ostallgäuer Orten aus keinesfalls länger als in anderen Regionen Bayerns. Die meisten Menschen verschließen sich in der Regel vernünftigen Argumenten nicht. ..... Inzwischen ist die Klinikdebatte im Ostallgäu emotional aufgeheizt. Die verantwortlichen Politiker [konkret ist hier offenbar der Ostallgäuer Landrat Johann Fleschhut gemeint!] reagieren irrational - sie scheinen sich bereits im Kommunalwahlkampf für 2014 zu befinden. Das ist unverantwortlich. Heute haben sie im Verwaltungsrat die Gelegenheit, zu beweisen, dass sie zum Wohle des Volkes handeln. Sie müssen sich dieser Verantwortung stellen. Eine vernünftige und bezahlbare Entscheidung muss getroffen werden. Ein "Weiter so" bedeutet, dass wir über unsere Verhältnisse leben. Wir schimpfen über Griechenland und türmen in unserer kleinen heimischen Region ebenfalls Schuldenberge auf, die nicht mehr überschaubar sind. Das ist definitiv der falsche Weg."
Angesichts derart klarer Worte sei es der AZ verziehen, dass sie meinen Leserbrief wegzensiert hat.
Nicht verzeihen dürfen wir Wähler diesem Herrn Landrat, dass er sich gegen die eindeutigen Interessen der Steuerzahler für Partikularinteressen stark gemacht hat, dass er dabei nicht einmal vor Täuschungsmanövern und wahrheitswidrigen Behauptungen zurückgeschreckt ist (dass nämlich sein Kompromissvorschlag dem Willen der Bürgermeister entspreche) und dass er einen 'Kompromissvorschlag' präsentiert hat, der für den Landkreis zur finanziellen Katastrophe hätte werden können.
Noch in dem o. a. Video diskreditiert er praktisch die 3 (unbekannten?) verantwortungsbewussten Vertreter des Landkreises, indem er ihnen unterschwellig eine Kollaboration mit der als 'Gegner' verstandenen Stadt Kaufbeuren unterstellt. Dieser Mann verschleudert also nicht nur gewissenlos die Steuergelder der Bürger: er vergiftet sogar hemmungslos das politische Klima im Landkreis, um sich mit aller Gewalt als Schutzpatron seines Marktoberdorfer 'Hauptstadtkrankenhauses' aufspielen zu können.
Ein solches Lobbyverhalten darf sich politisch nicht auszahlen! Was immer seine sonstigen Verdienste sein mögen: Der derzeitige Ostallgäuer Landrat Johann Fleschhut muss bei der nächsten Wahl abgewählt werden!
Unter dem Kommentar von Frau Meier war der - ebenfalls online nicht allgemein verfügbare - Bericht "Wengert: Freistaat würde Betten streichen" abgedruckt. Wir wollen uns hier notieren, dass auch der Füssener SPD-Landtagsabgeordnete Paul Wengert sich für den Fortbestand aller fünf Kliniken eingesetzt hat, also ebenfalls dem finanzpolitisch verantwortungslosen Lobbyistenklüngel zuzurechnen ist. Mir geht es hier aber hauptsächlich darum einige Daten aus dem Artikel festzuhalten, die mithelfen können, die ökonomische Schieflage der Kliniken zu verstehen (meine Hervorhebung):
"Im Ostallgäu (mit Kaufbeuren) gibt es derzeit ... 857 Planbetten im Kommunalunternehmen und in der privaten Klinik Pfronten. Mit 4,87 Planbetten je 1000 Einwohner (ohne Bezirkskrankenhaus) liegt die Region über dem Landesdurchschnitt von 4,29 Betten. Dies entspräche im Ostallgäu rund 755 Planbetten. 2010 lag die Belegung der Betten im Ostallgäu nur bei 67,5 Prozent."
Das sind natürlich zu wenige Daten, um die Ursachen der Defizite in den allerletzten Details zu verstehen (insoweit wäre z. B. auch ein Vergleich der Personalstärke im Ostallgäu mit den landesweiten Durchschnittswerten interessant). Klar ist allerdings, dass die 'Unterbelegung' von beinahe einem Drittel ohne die Schließung von zumindest einer Klinik nicht nennenswert zu beheben gewesen wäre. Und ebenso sollte es klar sein, dass bei einer derartig geringen Kapazitätsauslastung die Kliniken insgesamt nicht ohne ein enormes Defizit betrieben werden können - wo und welche Einsparungspotentiale die Unternehmensberatung Kienbaum ansonsten auch identifiziert haben mag.
Politiker, die sich als Schutzherren unwirtschaftlicher Strukturen verstehen, müssen weg - im Landkreis, oder wo auch immer sie sonst ihr Unwesen treiben!
Textstand vom 28.07.2011