Entscheidend ist: Man ist dagegen

Über die Lust des lautstarken (und oft grundlosen) Protestierens

In Zeiten wirtschaftlicher Krisen und Unsicherheiten ist es selten, dass verlässliche Berufsbilder gefunden werden. Manch ein von finanziellen Höhen und Tiefen geplagter Arbeitnehmer würde sich wünschen, einen konjunkturell sicheren Job zu bekommen.

Wie gut, dass sich die Welt weiterentwickelt: Würde man so manchen Nachwuchs heute fragen, was er später einmal werden wolle, läge er heute mit den früher als klassisch geltenden Antworten „Pilot“ oder „Arzt“ nicht auf der Höhe der Zeit. Das, was mittlerweile wirklich Perspektiven bietet, ist das neu geschaffene Feld des „Demonstranten“. Und um sicher fächerübergreifend zu qualifizieren, spezialisiert man sich am besten auf alles.

Und kaum einer mag es glauben, dass nicht nur die Bahnprojektgegner diesen Erfolgszweig seit einigen Monaten für sich entdeckt haben: Fernsehsender und andere Medien demonstrieren – sie setzen sich für Klarheit ein, wenn es um die Aufklärung über „gewisse“ christliche Kreise geht, in denen man für die Erziehung auch heute noch Stock und Hiebe nutzt.

Auch Parteien werden selbst zu „Protestlern“: Zwar weiß man noch nicht, was das Oberhaupt der katholischen Kirche bei seinem Besuch im Bundestag sagen wird. Zur Vorsicht lehnt man seinen Auftritt aber gleich ab. Immerhin wäre es zu einfach, ihn als Chef des Vatikanstaates anzusehen – und ihm damit, wie jedem anderen politischen Gast, das Recht zuzugestehen, unbehelligt vor den Abgeordneten sprechen zu können. Das wäre langweilig – und es gäbe nichts zu protestieren. Und so ahnt man: Homophobe Äußerungen wird es geben, genauso wie rechtskatholische Aussagen. Ein Grund, seinen Besuch schon Monate zuvor in Grund und Boden zu reden.

Und an vielen anderen Orten scheint man das Demonstrieren als Lieblingsbeschäftigung auserkoren zu haben. Entscheidend ist, man ist dagegen. Besonders viel Freude und Möglichkeit der Polemik und des Populismus bietet immer der rhetorische Angriff auf das, was christlich scheint. Und selbst wenn es modern wäre, müsste man es niedermachen – denn das, was von jeglichen Kirchen, ob Katholiken, Protestanten oder Evangelikalen ausgeht, ist von Anfang an „konservativ“, „rückständig“ und daher des Widerstandes wert.

Ob es nun die Frauenverächter sind, die Abtreibungen missbilligen und damit den Wunsch der Mütter nach Selbstbestimmung ignorieren; die bildungsfernen Eltern, die ihren Kleinsten keinen Sexualkundeunterricht zumuten möchten; die Leid Wollenden, die die PID als Eingriff in Gottes Gestaltung sehen und damit erbliche Defekte nicht verhindern mögen oder schlussendlich die Intoleranten, die den Lobbyismus von Homosexuellenverbänden anstößig empfinden und gleichgeschlechtliche Partnerschaften in der Pfarrerswohnung ebenso ablehnen wie die gar zwanghaft anmutende Werbung zum Coming-Out – pauschales Eintreten gegen das, was gegen den Mainstream sein könnte, liegt im Trend.

Und wären wir nicht kurz vor Weihnachten, dessen Sinn von denen, die gegen alles und jedes Christliche sind, ohnehin lieber gar nicht erst hinterfragt wird (könnte man doch vom Nutzen dieser schönen, freien und zum „Chillen“ wunderbar geeigneten Tage auf einen wirklich tiefgründigen Inhalt gestoßen werden), hätte ich mir diese Parallele nun erspart. Aber sei es drum: Man mag es als Zufall deuten, dass Gott sich uns allen durch Ruhe und Besinnlichkeit, durch Krippe und Stroh, durch Einfachheit und Liebe in seinem hilflosen Sohn offenbart hat – oder man sieht es als Mahnung. Als ob Gott schon vor 2000 Jahren gewusst hat, dass es keinen Pomp, keine Plakate und auch keine lautstarken Gebaren gebraucht hat, um auf sich aufmerksam zu machen…

Dennis Riehle


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