Enteignen statt ausbeuten

Von Modesty

Die Anmerkungen unter meinem Umfairteilen-Artikel brachten mich darauf, wie selbstverständlich es heutzutage ist, dass das Recht auf Privateigentum gilt – und das gilt natürlich auch für das Privateigentum von Produktionsmitteln. Ganz gleich, auf welche Weise sich der jeweilige Eigentümer sich sein Eigentum angeeignet hat. Denn, Hand aufs Herz: Die gigantischen Vermögen, die sich heute im Besitz von immer weniger Menschen befinden – wie sollen die durch “ehrliche Arbeit” zustande gekommen sein?

Wobei schon interessant ist, dass sich auf den Spitzenplätzen der reichsten Deutschen seit Jahren ausgerechnet die Billigheimer von Aldi ganz oben halten – hier zeigt sich tatsächlich, dass man mit Discount-Läden für die weniger Bemittelten richtig Kohle machen kann, sofern man das Maximum aus seinen Anstellten heraus holt. Vor einigen Monaten “schockierte” der Ex-Aldi-Manager Andreas Straub die deutsche Öffentlichkeit, in dem er über das System berichtete, mit dem die billigen Preise und großen Profite von Aldi zustande kommen. Dabei ist es nun wirklich keine neue Erkenntnis, dass billig teuer ist, wenn man die miesen Bedingungen berücksichtigt, unter denen billig zustande kommt. Beispiele gibt es ohne Ende – ab und zu wird einmal ein besonders schlimmes Beispiel zum Aufreger, wie das bei der Kik-Story oder dem iPhone-Fertiger Foxconn der Fall war. Man sollte sich da aber nichts vormachen, auch die Klamotten von C&A oder H&M werden von schlecht bezahlten Näherinnen unter Druck gefertigt, auch die anderen Handy- und Computer Hersteller lassen ihre Geräte in China von zwangsverpflichteten Berufsschülern und Studenten zusammen schrauben.

Es gibt also jede Menge Beispiele dafür, dass die meisten Menschen auf der Welt mit der aktuellen wirtschaftlichen und politischen Situation mehr schlecht als recht leben müssen. Und das, obwohl andererseits immer mehr Reichtum angehäuft wird, von dem die allermeisten aber ausgeschlossen sind. Aber statt das die Leute sich am Kopf kratzen und sich sagen, dass das ja eine unerträgliche Situation ist, die man doch besser sofort ändern müsse, nein, sagen sie sich, dass sie selbst es hier in unserem schönen Lande ja nicht so schlecht getroffen haben. Denn noch haben die meisten einen Job, bei dem sie nicht 12 Stunden lang in stickigen Fabrikhallen über die Nähmaschine oder das Montageband gebeugt sitzen müssen, sondern nur sich nur 8 Stunden die Beine in den Bauch stehen oder was auch immer. Und Eigentum ist natürlich eine feine Sache, solange man ein Häuschen mit Garten oder eine Eigentumswohnung und ein Auto vor der Tür hat. Natürlich soll das geschützt werden. Das war übrigens auch in der DDR so. Natürlich gab es persönliches Eigentum – wenn man ein Fahrrad oder eine Tafel Schokolade klaute, wurde man dafür bestraft.

Nun liegt aber auf der Hand, dass es etwas anderes ist, ein Fahrrad oder ein Häuschen mit Garten zu besitzen, als einen Konzern mit Tausenden von Mitarbeitern. Im Fall Schlecker verloren auf einen Schlag 11.000 “Schlecker-Frauen” ihren Job, nachdem der Konzern-Eigner Anton Schlecker seinen Laden an die Wand gefahren hatte. Genau wie die Albrecht-Brüder von Aldi gilt Anton Schlecker als Geizhals und Halsabschneider, der nach dem Motto “knausern, knüppeln, kontrollieren” über sein Imperium geherrscht haben soll. Wie hier zu sehen ist, reicht das allein nicht aus, um in der Konkurrenz zu bestehen. Nun könnte man aber anstatt zu fragen, was die Konkurrenten denn erfolgreicher gemacht hat, auch fragen, warum es überhaupt nötig ist, in einer Konkurrenz bestehen zu müssen, wenn offensichtlich doch ein Bedarf für Klopapier, Shampoo, Mülltüten und Wellness-Tees im ganzen Land vorhanden ist. In einigen Regionen werden die ehemaligen Schlecker-Filialen nun als Tante-Emma-Läden reaktiviert, weil es sich um den einzigen verbliebenen Laden im Ort handelt. Natürlich ist die Idee nicht schlecht, aber werden sich diese Läden in der freien Wirtschaft bei all der Konkurrenz halten können, solange es noch eine Menge Menschen gibt, die mit dem Auto zum nächsten Einkaufscenter auf der grünen Wiese vor der Stadt fahren?

In einer vernünftigen Gesellschaft könnte man einfach den jeweiligen Bedarf ermitteln und entsprechend freundliche Läden mit einem durchdachten Sortiment einrichten, in dem jeder bekommt, was er zum Leben braucht. Die Produkte könnten selbstverständlich nachhaltig und umweltfreundlich in den volkseigenen Betrieben der Region erzeugt werden – ohne dass sich die Produzenten selbst ausbeuten müssten, um in der Konkurrenz im Weltmarkt zu bestehen. Weil es niemanden gibt, der sich die Profite in die eigene Tasche stecken will, gibt es auch keinen Druck, welche zu erwirtschaften – endlich könnte man sich darauf konzentrieren, mit der Produktion den tatsächlich vorhandenen Bedarf zu decken. Mit qualitativ hochwertigen Produkten versteht sich, denn es muss ja nicht mehr zugunsten des Profits gespart werden. Und die Marktpreise sind egal, weil es keine gibt. Denn weil jeder ein paar Stunden pro Woche mit seiner Arbeit zum Wohle der Gesellschaft beiträgt, kann er sich im Laden auch mit dem, was er braucht bedienen. Um weil dadurch insgesamt viel weniger Zeug produziert werden müsste, was am Ende ja doch wieder “entsorgt” werden muss, wäre das auch für die Umwelt sehr viel besser. Ohne den Kapitalismus-Irrsinn könnte man also mit sehr viel weniger Aufwand sehr viel mehr Lebensqualität für alle erreichen.

Auf die simple Frage, warum man das dann nicht einfach so macht, gibt es leider auch eine simple Antwort: Weil alles dafür getan wird, den Leuten einzureden, dass es so einfach nicht geht. Dazu fährt man dann schwere Geschütze wie “Freiheit”, “Recht”, “Selbstbestimmung” oder eben “Eigentum” auf und tut so, als ob das die eigentlichen Lebensmittel wären, die der Mensch nun mal zum Leben bräuchte. Als ob ein Karl oder Theo Albrecht nicht viel freier leben könnte, wenn er sich nicht den ganzen Tag damit beschäftigen müsste, wie er aus seinen Mitarbeitern noch mehr Profit rausholt. Von den betroffenen Mitarbeitern mal ganz zu schweigen. Jede Verkäuferin könnte sich doch sehr viel freier fühlen, wenn sie nicht jede Woche 40 Stunden an der Kasse sitzen bzw. nebenbei noch Regale einräumen müsste und während dieser Zeit auch noch nach Strich und Faden schikaniert wird. Ein paar Stunden an der Ausgabe im Gemeinschaftsladen wären da sicherlich viel angenehmer – und da steht dann auch kein Chef, der drohend auf die Uhr blickt, wenn sie mit den Kunden ein paar Worte wechselt.

Was ist also zu tun, damit die Menschen das wollen? Tja, hier überkommt mich eine große Hilflosigkeit – erschreckenderweise wurde jede Kritik am kapitalistischen System in den vergangenen Jahrzehnten so entschieden und wirkungsvoll bekämpft, dass sie weitgehend als undenkbar gilt. Und das, obwohl der Kapitalismus ganz offentlichtlich versagt – in den Medien erfolgt doch im Grunde nur noch Krisenberichterstattung. Trotzdem kommt keiner der Berichterstatter auf die Idee, dass es keineswegs so sein müsste. Statt dessen regen sich die Leute über so Nichtigkeiten wie die überflüssigen Selbstwert-Probleme einer Bettina Wulf oder die niedliche Inkonsequenz einer Piratin Julia Schramm auf, die plötzlich entdeckt hat, dass es ziemlich geil ist, wenn man das Urheberrecht mal auf der eigenen Seite hat. Tragischer ist da schon, dass eine Sahra Wagenknecht plötzlich meint, dass es eine faire Marktwirtschaft geben könnte, so dass ihr die SPD demnächst eigentlich den Ehrenvorsitz antragen müsste. Irgendwo schrillt plötzlich diese schreckliche Stimme in meinem Kopf “Wollt ihr die totale Marktwirtschaft?!” und die Leute stehen auf und brüllen begeistert: “JA!!!” während rings um immer neue Krisen explodieren und sich Berge von Leichen türmen.

Ja, aber was soll ich machen, als dagegen anzudenken. Ich kann mir eine schönere Welt vorstellen und ich will das auch. Und ich hoffe, dass es noch ein paar mehr gibt, die das auch wollen.