Englisches Insolvenzrecht kein Ausweg für Ärzte

Von Mumford

Es hat sich unter einigen Ärzten – interessanterweise meist bei solchen, die auf dem Gebiet der medizinisch nicht notwendigen Schönheitsoperation tätig sind – herum gesprochen, dass man sich von Ansprüchen aus Arzthaftung bei bestätigten oder vermuteten Behandlungsfehlern durch ein in England eingeleitetes bzw. abgeschlossenes Insolvenzverfahren „entledigen“ kann.

Grundgedanke dieser Erwägung war offenbar, dass man bei (behaupteter oder tatsächlicher) Insolvenz – in Anlehnung an das deutsche Insolvenzrecht – in den Genuss einer sog. „Restschuldbefreiung“ kommen kann. Das bedeutet, dass nach einer bestimmtem Phase, der sog. „Wohlverhaltensphase“, sämtliche Restschulden nicht mehr zu begleichen sind und man von einer Haftung befreit ist. Während in Deutschland diese Phase 6 Jahre dauert und nach dem „Wohlverhalten“ des Schuldners/Arztes die Restschuldbefreiung greift, dauert diese Phase nach englischem Recht nur lediglich 1 Jahr. Das wird von vielen Ärzten als ein großer Vorteil gesehen.

In einem Arzthaftungsprozess wird dann seitens des Arztes eingewendet, dass man in England Restschuldbefreiung erlangt habe und der Patient mit Ansprüchen aus Arzthaftung  schon deswegen auch in Deutschland ausgeschlossen sei. Denn die Wirkung der Haftungsbefreiung erstrecke sich auch auf Deutschland.

Das ist ein Irrglaube! Denn der obigen Ansicht ist das Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Privatrecht nun in einem uns vorliegenden Gutachten vom 18.01.2013 in dogmatisch überzeugender Weise entgegengetreten.

Denn das englische Insolvenzrecht enthält in sec. 281 (5) (a) Insolvency Act 1986 eine Ausnahmeklausel für dem Umfang der Haftungsbefreiung. Danach werden Ärzte (bzw. generell alle Schuldner), die aus ihrer Tätigkeit einen Personenschaden verursachen, nicht von ihrer Schuld befreit. Es spielt dabei keine Rolle, ob der Personenschaden aus einem Delikt oder aus einem Vertragsbruch resultiert. Insbesondere müssen Patienten ihre Ansprüche – anders als im deutschen Recht – nicht in dem Insolvenzverfahren angemeldet haben; Ansprüche wegen Personenschäden bleiben kraft englischen Gesetzes schlicht bestehen.

Ein Arzt also, der diesen Weg des englischen Insolvenzrechts beschreitet, ist nicht gut beraten oder beraten gewesen. Patientinnen und Patienten können also auch weiterhin ihre Arzthaftungsansprüche dann vor Gericht geltend machen, wenn der Arzt sich auf (angebliche) Haftungsbefreiung nach englischem Insolvenzrecht beruft.

Last updated by Thorsten Hagemann at 29. Januar 2013.