Englischer Harem
Um der Tristesse in ihrer Londoner Sozialwohnung zu entgehen, flüchtet sich die junge Tracy Pringle in Tagträume, in denen schwülstige orientalische Szenerien mit Omar Sharif und Laurence Olivier eine tragende Rolle spielen. Als sie einen Job in einem persischen Nobelrestaurant ergattert, betritt sie eine ganz neue Welt. Ihr neuer Chef, der weltgewandte, gebildete Saaman „Sam“ Sahar ist von der quirligen jungen Frau ganz angetan. Allerdings ist Sam bereits verheiratet und zwar mit 2 Frauen! Nach dem Tod seines Bruders hat er dessen Frau Firouzeh samt ihren 4 Kindern zu sich genommen und dann ist da noch die elegante Französin Yvette.
Als Sam und Tracy heiraten, wird sie von den Frauen in diesem englischen Harem ganz selbstverständlich aufgenommen. Aber Tracys Eltern sind entsetzt, ihr ehemaliger Freund Ricky fühlt sich in seiner Ehre gekränkt und das Sozialamt befürchtet, dass Firouzehs Kinder in diesem Sodom und Gomorra ernsthaften Schaden nehmen könnten. Denn ein Englischer Harem – sowas darf es einfach nicht geben!
Bald befindet sich dieses in Harmonie lebende Quartett in wirklich ernsthaften Schwierigkeiten.
Anthony McCarten
Anthony McCarten, geboren 1961 in New Plymouth, stammt ursprünglich aus Neuseeland und arbeitet als Romanautor, Theaterschriftsteller und Filmemacher. Er lebt in Los Angeles, London und München.
Sein jüngstes Buch „Funny Girl“ habe ich bereits in diesem Artikel auf Sabienes TraumWelten vorgestellt.
Englischer Harem – Meine Meinung
Vielleicht wundert ihr euch, dass ausgerechnet ICH ein Buch vorstelle, in dem es um einen Harem geht und das auch noch (wir ihr gleich lesen werdet) mit Begeisterung. Und ehrlich: hätte mir „Funny Girl“ nicht so gut gefallen, hätte ich wahrscheinlich nicht so viel Vertrauen in den Autor gefunden, um dieses Buch zu lesen.
In diesem Roman prallen 2 Kulturen aufeinander, einmal in Form von Religionszugehörigkeit (nicht gelebtes Christentum und traditionsbewusster Islam) und dann auch noch die Zugehörigkeit zu einer Gesellschaftsschicht (reicher Restaurantbesitzer gegen untere Mittelschicht). Aber beide Stellvertreter bewältigen diesen kulturellen Spagat mit viel Liebe und Offenheit. Tracy beginnt, sich ganz vorurteilslos für den Iran und den Islam zu interessieren; Sam muss erfahren, dass auch im wohlhabenden Großbritannien die Menschen unter einfachsten Bedingungen leben müssen. (Herrlich, diese Szene im Aufzug!)
Was hier aber wie eine Mischung aus Tausendundeiner Nacht und My Fair Lady (oder Pygmalion) klingt, ist trotz seiner skurrilen Szenen ein Sittengemälde unserer Gesellschaft und zugleich ein ernstes Buch über Liebe, Freundschaft und Loyalität.
Ich hätte übrigens nicht im Traum daran gedacht, dass das alleinige Vortragen einer ganz bestimmten Sure so viel Erotik beinhalten kann.
Bibliografisches
- Autor: Anthony McCarten
- Übersetzung: Manfred Allié, Gabriele Kempf-Allié
- Titel: Englischer Harem
- Originaltitel: The English Harem
- Taschenbuch: 592 Seiten
- Verlag: Diogenes (26. Mai 2009)
- Sprache: Deutsch
- ISBN-10: 3257239408
- Preis: 10,99 € (Kindle), 12,00 € (Gebundene Ausgabe), 13,00 € (Taschenbuch), 3,79 € (Audio-CD)
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Auch in diesem Jahr beteilige ich mich wieder an Daggis Buch-Challenge und erfülle mit dieser Rezension die Aufgabe 38: Lese ein Buch, das im englischsprachigen Ausland spielt.