Steigende Wohnkosten in England. Selbst der Telegraph fragt: "What about the Tenants"
Nicht nur in Berlin werden die zu geringen Wohnungsbauaktivitäten für die aufkommende Wohnungsnot verantwortlich gemacht. In England – so die Immobilien Zeitung – wird in den kommenden 20 Jahren mit einem jährlichen Plus von 230.000 Haushalten gerechnet. Dem stehen zur Zeit lediglich 115.000 neugebaute Wohnungen gegenüber. Das Grundproblem sei die „schwächelnde Nachfrage“ beim Wohneigentumserwerb: Die „relative Erschwinglichkeit von Wohneigentum“ sei gesunken.
Dir britische Regierung reagiert auf den Wohnungsmangel nicht etwa mit einem Verstärkung des Mietwohnungsbaus, sondern mit einem millionenschweren Förderprogramm zum Eigentumserwerb.
Im Rahmen einer „Housing Strategy for England“ setzen David Cameron und seine Wohnungsbauexperten auf ein neuartiges Garantiemodell für die finanzierenden Banken (siehe auch Guardian: Housing strategy: at a glance). Im der Immobilien Zeitung wird das Modell knapp zusammengefasst:
Ein innovatives Garantiemodell für die Banken, getragen von der Bauindustrie und der Regierung soll eigenkapitalschwachen Käufern unter die Arme greifen. Dafür finanzieren die Bauträger aus ihren Verkaufserlösen einen Fonds, der sieben Jahre lang greift, wenn Abschreibungen auf die Kredite fällig werden. (Immobilienzeitung, 1.12.2001, S. 7)
Bis zu 100.000 Haushalte könnte so zusätzlich beim Haukauf unterstützt werden. Bereits im Sommer 2011 beschloss die Regierung einen FirstBuy-Fonds (400 Mio. GBP) um Erstkäufer mit frisches Eigenkapital zu versorgen.
Experten schätzen ein, dass aufgrund der Finanzkrise und der steigenden Eigenkapitalanforderungen durch die Banken die Eigentumsquote trotzdem sinken wird. Da sich aber die Förderprogramme auf eben diesen Eigentumssektor konzentrieren, gibt es wenig Anreize für ein Investment in den Mietwohungssektor. Die Folge: Steigende Mietpreise.
Die lachenden Dritten am britischen Immobilienmarkt könnten die Wohnungsvermieter sein. Die Makler von Savills gehen davon aus, dass die Umsatzflaute bei Eigenheimen und die steigende Nachfrage nach Mietwohnungen die Neuvertragsmieten bis zum Jahr 2016 jährlich um 3% bis 4,5% nach oben treiben werden. (Immobilien Zeitung, 1.12.1011, S. 7)
Schon zwischen 1997 und 2007 sind nach Ergebnissen des Housing Surveys die Mietpreise um das eineinhalbfache der Einkommen gesteigen (BBC News: Three reasons for rising rents; Guardian: Lettings data indicate steady rising costs of renting; The Telegraph: Buy-to-let landlords boom as rents hit record high: but what about the tenants?).
Die Verlierer des Verwertungsstrebens und der Wohnungspolitik sind also auch in England mal wieder die Mieter/innen. Statt unmittelbar an den Bedarfen – hier nach preiswerten Mietwohnungen – anzusetzen, wird der Wohnungsneubau im Eigentumssegment gefördert. Die gewünschten Sicker-Effekte erweisen sich hier nicht nur zum Mythos einer neoliberalen Wohnungspolitik, sondern werden durch die neuen „Housing Strategy“ sogar gezielt verhindert. Die aufwendigen Förderprogramme und Risikoabsicherungen im Eigentumswohnungsbereich verbessern die Investitionsbedingungen ausgerechnet in den Wohnungsmarktbereichen, in dem keine Wohnungen benötigt werden – und reduzieren damit zugleich die Anreize für einen Mietwohnungsbau. Denn dort wird ganz ohne Investitionsrisiken auch künftig die Rendite stimmen.
Das Beispiel Englands zeigt, dass auch die aktuelle Berliner Diskussion um Neubauquoten dringend einer Präzisierung bedarf, was für Wohnungen zu welchen Konditionen denn gebaut werden sollen. Einfach nur mehr Wohnungen – sind keine Versicherung vor steigenden Mietpreisen.