Energiewende rückwärts ist in vollem Gang

Von Energystar @energynet

RA Dr. Fabio Longo

Gastbeitrag von Dr. Fabio Longo

Teil 1) Das EEG – Grundgesetz der Energiewende in Gefahr

Das Wort „Energiewende“ ist in aller Munde. Was gerade geschieht ist aber nicht ihre Fortsetzung. Ihre Rückabwicklung ist in vollem Gang. Dafür steht nicht nur die aktuelle Debatte zum geplanten EEG-Deckel, sondern auch kontraproduktive Maßnahmen wie der Ausbau der Offshore-Windkraft und die Forderung interessierter Kreise nach einem neuen Strommarktdesign.

In Teil 1) seines Gastbeitrags beschreibt Fabio Longo das Grundgesetz der Energiewende und welche Auswirkungen der geplante EEG-Deckel auf die laufende Energiewende hätte.

Energiewende

Der Startschuss für die Energiewende löste sich im Jahr 1990. Mitten im Trubel des deutsch-deutschen Einigungsvertrags und der bevorstehenden Bundestagswahl verhallte dieser Schuss allerdings weitgehend ungehört. Eine kleine Gruppe um den Bundestagsabgeordneten Matthias Engelsberger (CSU), schon damals unterstützt von Dr.Hermann Scheer MdB (SPD), schuf am Ministerialapparat der schwarz-gelben Bundesregierung vorbei die Paragrafen des wegweisenden Stromeinspeisungsgesetzes (StrEinspG). Es regelte erstmals Vergütungssätze für die Einspeisung von Strom aus Erneuerbaren Energien sowie deren Abnahmepflicht durch die Netzbetreiber. Vor allem war dieses Gesetz dafür gedacht, Wasserkraftwerken die Existenz zu sichern, die durch die Subventionen von Strom aus Großkraftwerken nicht mehr wettbewerbsfähig waren. In Kombination mit Fördermitteln für Windkraft bzw. kostendeckenden Vergütungen für die Solarenergie trug das Stromeinspeisungsgesetz in einigen Bundesländern bzw. Städten dazu bei, dass sich auch Wind- und Solarenergie langsam entwickeln konnten. Das Fundament für eine offensive Energiewende-Politik war geschaffen.

EEG: Grundgesetz der Energiewende

Diese Offensive kam mit dem Regierungswechsel 1998 von Schwarz-gelb zu Rot-grün. Am Anfang stand das 100.000-Dächer-Solarstrom-Programm, das Hermann Scheer im Wahlprogramm der SPD verankern konnte – genauso übrigens wie eine Novelle des Stromeinspeisungsgesetzes. Diese Novelle hat eine Gruppe rot-grüner Bundestagsabgeordneter um Hermann Scheer und Hans-Josef Fell unter dem heute bekannten Namen Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) verfasst. Das EEG ist das Grundgesetz der Energiewende. Ohne das EEG hätten wir heute – wie im Jahr 2000 – immer noch kaum mehr als 7 Prozent Anteil Erneuerbarer am Bruttostromverbrauch; der stammte vor allem aus großen Wasserkraftwerken. Mit dem EEG haben wir im Jahr 2012 schon fast 25 Prozent erreicht.

Treiber dieser Energiewende sind Privatleute, Landwirte und mittelständische Unternehmen zu rund zwei Dritteln; nur zirka 6 Prozent der Investitionen haben die großen vier Energiekonzerne getätigt. In der aktuellen Debatte zum EEG-Deckel wird dies (gerne) vergessen. Die kleinen und mittelständischen Akteure brauchen verlässliche wirtschaftliche Rahmenbedingungen in einem von den großen vier Stromkonzernen beherrschten Markt. Eine willkürliche Verschiebung der EEG-Vergütungszahlungen, wie sie der Bundesumweltminister plant, hat verheerende Folgen auf das Vertrauen der Banken in private Investitionen. Die Folge: steigende Zinslasten, höherer Eigenkapitalbedarf für Investoren oder schlicht die Versagung der Finanzierung. Jeder einzelne Grund kann z. B. für mittelständische oder kommunale Bürgerwindparks den Todesstoß bedeuten. Finanzstarke Stromkonzerne können eine spätere Auszahlung der EEG-Vergütung für ihre Offshore-Windkraft-Projekte einplanen und mit Hilfe von Großbanken überbrücken. Die Treiber der Energiewende werden vom EEG-Deckel bestraft. Deshalb droht eine Vollbremsung der Energiewende.

Stromerzeugung in die Hand der Bürger

EEG und Stromeinspeisungsgesetz haben endlich Wettbewerb in den Stromerzeugungsmarkt gebracht. Vor 1990 durften kleine dezentrale Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien nur mit gefälliger Genehmigung der Netzbetreiber zu unwirtschaftlichen Bedingungen Strom in das Netz einspeisen. Das war nur etwas für wenige Tüftler. Mit dem EEG genießt heute jeder, der als Eigentümer oder Mieter über geeignete Dach- und Landflächen verfügt, die Freiheit, z. B. in Wind- und Solaranlagen zu investieren. Das sind übrigens nicht nur Eigenheimbesitzer und Landwirte, sondern auch Bürger, die sich in kommunalen oder privaten Energiegenossenschaften zusammenschließen. Das sind auch Bewohner im sozialen Wohnungsbau, wenn das Wohnungsbauunternehmen die Dächer für Solarstrom nutzt und damit Allgemeinstrom kostenlos zur Verfügung stellt. Das sind auch Stadtwerke, die zum Nutzen des kommunalen Haushalts und damit zum Wohl aller Bürger, Windparks betreiben.

Wie bei der Freiheit, mit dem Automobil das öffentliche Straßennetz zu nutzen, darf mit dem EEG auch der Windenergie- und Solaranlagenbetreiber das öffentliche Stromnetz zur Einspeisung von Solarstrom nutzen. Vor dem Jahr 1990 war die Stromerzeugung fast ausschließlich ein Geschäft für die Stromkonzerne mit ihren großen Braun-, Steinkohle- und Atomkraftwerken. Mit dem angekündigten EEG-Deckel droht nun die Rolle rückwärts in diese Energiesteinzeit. Was am Ende von den Erneuerbaren übrig bleiben kann, ist das Feigenblatt großer Offshore-Windparks – vor allem ein Geschäft für die großen Stromkonzerne. Soweit dürfen wir es nicht kommen lassen.

Dr. Fabio Longo ist Rechtsanwalt und ehrenamtlich aktiv im deutschen Vorstand der gemeinnützigen Europäischen Vereinigung EUROSOLAR e.V. Sein Fachbuch „Neue örtliche Energieversorgung als kommunale Aufgabe“ verdeutlicht die starke verfassungsrechtliche Stellung der Städte und Gemeinden bei der regionalen Energiewende; hier eine Buchbesprechung dazu: www.solarserver.de/solar-magazin/solar-standpunkt/fachbuch-neue-oertliche-energieversorgung-das-ruestzeug-fuer-kommunale-akteure-der-energiewende.html

EUROSOLAR hat im September 2012 ein Eckpunkte-Papier zur Weiterentwicklung des EEG veröffentlicht, das Sie hier lesen können: www.eurosolar.de/de/index.php?option=com_content&task=view&id=1673&Itemid=379