Energiewende ja aber bitte nicht so

PV+Wind HavellandDie Unterstützung für die Energiewende in der Bevölkerung ist immer noch sehr groß. 82 Prozent der Deutschen befürworten den Ausstieg aus der Atomenergie und einen verstärkten Ausbau erneuerbarer Energien. Aber die Umsetzung wird mit großer Skepsis betrachtet, denn 48 Prozent der Befragten sehen die Umsetzung kritisch und nur 40 Prozent unterstützen sie.  Das liegt vor allem an den steigenden Energiekosten. Dies zeigt eine repräsentative Studie, die das Meinungsforschungsinstitut forsa im Auftrag des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) durchgeführt hat.

Verbraucher sehen Nachbesserungsbedarf an der Energiewende

„Die Energiewende ist richtig und wichtig. Das sehen auch die Verbraucher. Die Akzeptanz darf aber nicht verspielt werden. Damit die Stimmung nicht kippt, sind jetzt Korrekturen in der Umsetzung nötig. Die Energiekosten dürfen nicht weiter steigen“, sagt Gerd Billen, Vorstand des vzbv.

Mehr als die Hälfte der befragten Personen (52 Prozent) gab die steigenden Energiekosten als Nachteil der Energiewende an. Übertroffen wurde dies aber durch die Vorteile der Energiewende, die noch für 69 Prozent der Verbraucher überwiegen. Als Gründe wurden hier Klima- und Umweltschutz (38 Prozent), gefolgt von höherer Sicherheit durch den Atomausstieg (23 Prozent) genannt.

Verbraucher stärker einbeziehen

Erstaunlich finde ich, dass mehr als die Hälfte der Verbraucher glaubt selbst (63 Prozent) nur einen geringen Einfluss auf das Gelingen der Energiewende zu haben. Offensichtlich wurde das Prinzip der Energiewende von vielen Bürgern noch nicht verstanden. Jeder kann durch eine eigene Solaranlage, ein eigenes Windrad oder Anteile daran, z.B. über eine Energiegenossenschaft, etwas zum Gelingen der Energiewende beitragen. Auch Energieeffizienz im eigenen Umgang mit Energie trägt zur Energiewende bei.

An den Regeln des Energiemarktes und bei der Gestaltung der Energiewende haben sie dennoch keinen Einfluss, das ist richtig. Hier werden die einflussreichsten Akteure gesehen, die Wirtschaft und Industrie (87 Prozent), die Energieversorger (86 Prozent) und die Politik (86 Prozent).

 „Die Verbraucher bezahlen für die Energiewende, dürfen aber nicht mitentscheiden. Die Verbraucherperspektive darf bei dem Großprojekt Energiewende nicht zu kurz kommen“, so Billen.

Welche Punkte den Verbraucher bei der Umsetzung der Energiewende wichtig sind, zeigt die aktuelle Umfrage. Demnach befürwortet mehr als jeder Zweite (55 Prozent) einen dezentralen Ausbau der erneuerbaren Energien – also die Errichtung neuer Windkraftanlagen vor allem dort, wo der Strom verbraucht wird. Der Vorteil: Der Bedarf an neuen Stromleitungen verringert sich.

Holger Krawinkel, Bereichsleiter Verbraucherpolitik beim vzbv: „Die Förderung der erneuerbaren Energien muss sich auf die günstigsten Technologien beschränken. Solar- und Windenergie an Land haben einen deutlichen Kostenvorteil gegenüber Offshore-Windanlagen vor der Küste.“

Für den Ausbau von Offshore spricht sich auch nur ein Drittel der befragten Verbraucher aus (32 Prozent). Erstaunlich ist auch, dass die Hälfte der Verbraucher sagt, dass nur noch eine bestimmte Anzahl an Neu-Anlagen pro Jahr gefördert werden soll, um den Ausbau von erneuerbaren Energien und Stromnetz besser aufeinander abzustimmen und die Kosten der Energiewende im Rahmen zu halten. Offensichtlich ist kaum bekannt, dass neue Anlagen fast keinen  Einfluss haben auf die Höhe der EEG-Umlage, da ist bei vielen Menschen die Propaganda der Energiewende-Gegner angekommen.

Kosten der Energiewende gerechter verteilen

Kritisch sehen Verbraucher auch, dass bestimmte Unternehmen oder Industriezweige von den Kosten der Energiewende befreit werden, indem sie nicht oder nur teilweise die EEG-Umlage und Netzentgelte zahlen müssen. 62 Prozent lehnen diese Ausnahmeregelung für stromintensive Industriebetriebe ab. Auch der vzbv fordert eine gerechte Verteilung der Stromkosten.

Holger Krawinkel: „Die Ausnahme muss eine Ausnahme bleiben. Nur Unternehmen, die tatsächlich im internationalen Wettbewerb stehen, sollten von Vergünstigungen profitieren.“

Die ungleiche Kostenverteilung wird dadurch verstärkt, dass immer mehr Betreiber von Solaranlagen den Strom, den sie selbst erzeugen, auch selbst verbrauchen – und sich der Zahlung der Netzentgelte entziehen. Der vzbv begrüßt zwar die Zunahme der Eigenerzeugung als einen zentralen Treiber der Energiewende. Damit die Kostenverteilung innerhalb der Gesellschaft aber nicht in eine Schieflage gerät, muss das System der Netzentgelte reformiert und auf leistungsbezogene Tarife umgestellt werden. Die Umfrage bestätigt das: 45 Prozent der Verbraucher sehen die Gefahr, dass die Energiewende die sozialen Gegensätze zwischen arm und reich verstärkt.

Verbraucherinteressen in der Energiewende

Die vollständige Studie zu den Verbraucherinteressen in der Energiewende gibt es beim vzbv als pdf-Datei mit 47 Seiten zum Download, wie auch die 12-seitige Kurzfassung.


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