Gastbeitrag von Christopher Holzem, Bürgerwerke eG
Bürgersolaranlage Neuler auf einer Reithalle von Energiegenossenschaft Virngrund, Foto: Bürgerwerke eG
Viele Bürger sind mit der Energiewende selbst zu Energieerzeugern geworden – oft zusammen mit anderen in einer Energiegenossenschaft. Die alte Energiewirtschaft will die Energiewende nun für sich beanspruchen und zahlreiche gesetzliche Regelungen erschweren den Bau neuer Bürgeranlagen. Was sind die aktuellen Herausforderungen und warum sollten sich die Energiebürger trotzdem nicht entmutigen lassen?
Der Erfolg der Energiewende in Bürgerhand
Viele Menschen in Deutschland erzeugen inzwischen ihre Energie selbst: als Hauseigentümer mit einer Solaranlage auf dem Dach, als Landwirt mit einer Biogasanlage auf dem Hof oder als Mitglied einer Energiegenossenschaft, die zum Beispiel ein Windrad betreibt. Die Genossenschaften ermöglichen es einer großen Zahl von Bürgern, auch ohne eigenes Dach an der Energiewende teilzunehmen.
Bereits ab 100 Euro können bei den meisten Genossenschaften Mitgliedsanteile erworben werden – somit ist kein großes Kapital nötig, um Teil der Bürgerenergie-Bewegung zu werden. Die Energiebürger haben bis 2012 fast die Hälfte aller neuen Erneuerbare-Energien-Anlagen errichtet, die in ganz Deutschland verteilt sind. Dies ist eine beachtliche Leistung und passt zum Grundgedanken der Energiewende: Die Kraftwerke der Zukunft bestehen aus vielen kleinen Einheiten und sind dezentral einsetzbar.
Reaktionen der Politik und der alten Energiewirtschaft
Bürgerwindrad Neutscher Höhe der Energiegenossenschaft Starkenburg, Foto: Bürgerwerke eG
In den letzten Monaten und Jahren ist vermehrt zu beobachten, dass die Vertreter der alten Energiewirtschaft auch wegen des Erfolges der Bürgerenergie um ihre Marktanteile fürchten und versuchen, die nächste Phase der Energiewende für sich zu beanspruchen. Zukünftig wollen sie die Erneuerbare-Energien-Anlagen bauen und die Energiebürger sollen wieder zu reinen Verbrauchern werden.
Ihre Hoffnung: Als große Akteure dominieren sie weiterhin die Energieversorgung, wie es auch vor Beginn der Energiewende der Fall war. Der Trend hin zu einer demokratischen Energieversorgung in Bürgerhand würde damit in Frage gestellt.
Neue Regelungen erschweren den Neubau von Solaranlagen
Die aktuelle Energiepolitik scheint diese Entwicklung zu unterstützen. Zahlreiche neue Regelungen erschweren es den Menschen, eigene Anlagen vor Ort zu errichten. Solaranlagenbetreiber müssen auf den selbst erzeugten und direkt verbrauchten Strom eine Umlage zahlen.
Größere Solaranlagen bekommen zukünftig nur noch eine Vergütung, wenn sie einen Ausschreibungswettbewerb gewinnen. Hierbei werden große Akteure deutlich bevorzugt, da sie das notwendige Risikokapital für Ausschreibungen deutlich leichter aufbringen können als ehrenamtlich geführte Energiegenossenschaften, die mit dem Geld ihrer Mitglieder nicht spekulieren wollen und können.
Kaum neue Energiegenossenschaften und fehlende Projekte
Teambesprechung der Bürgerwerke, Foto: Bürgerwerke eG
Diese erschwerten Rahmenbedingungen haben dazu geführt, dass die Neugründungen von Energiegenossenschaften deutlich zurückgegangen sind und bestehende Genossenschaften wegen der fehlenden Planungssicherheit nur wenige Anlagen realisieren können. Während in den Jahren von 2009 bis 2013 deutschlandweit jedes Jahr über 100 neue Energiegenossenschaften gegründet wurden, waren es im Jahr 2014 nur noch 29. Hinzu kommt, dass viele bestehende Energiegenossenschaften kaum neue Mitglieder aufnehmen können, da die Projekte fehlen, um das Geld neuer Mitstreiter zu investieren.
Bei der Vielzahl an Hindernissen für die Bürgerenergie könnte der ein oder andere zu dem Schluss kommen, dass der Einsatz für eine Energiewende in Bürgerhand wenig aussichtsreich ist. Ich möchte an dieser Stelle alle Unterstützer der Bürgerenergie dazu aufrufen, genau das nicht zu tun!
Bürgerwerke liefern Ökostrom aus Bürgerenergieanlagen
Mehr zu Energiegenossenschaften als wichtige Säule der neuen Energiewelt und den Bürgerwerken wird es im zweiten Teil dieser kleinen Serie geben. Wer nicht so lange warten möchte, kann sich hier schon über den neuen Stromversorger der Bürger informieren.
Über den Autor
Christopher Holzem (24) studiert Wirtschaftswissenschaften und Politik an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen. Nach verschiedenen Tätigkeiten in der Branche der Erneuerbaren Energien unterstützt er seit einem Jahr den Aufbau der Bürgerwerke eG, um die Energiewende in Bürgerhand voranzubringen. Die Bürgerwerke sind ein Verbund von Energiegenossenschaften, der Strom direkt aus Bürgerenergieanlagen liefert. Christopher ist bei Twitter unter @CLHolzem zu erreichen.
Über Andreas Kühl
Energieblogger aus Leidenschaft mit großem Faible vor allem für effiziente Energienutzung im Strom- und Wärmebereich. Aber auch die kostenlose Energie, die uns die Natur zur Verfügung stellt ist faszinierend und Herausforderung zugleich.