Im Februar der Fast-Zusammenbruch der Netze, im März eine Überlastungsmeldung der Bundesnetzagentur, im April die Pleite des Solarherstellers Q-Cells - der vor einem Jahr von der Bundesregierung angekündigte Energieanstaieg kommt in Deutschland deutlich schneller voran als ursprünglich gedacht. Profiteure der Energiebereitstellung machen sich jetzt schon Sorgen: Solarworld-Chef Drank Aspeck vermutet: "Man will uns kaputtmachen". Tausende Jobs in seiner Branche würden durch die jüngsten Förderkürzungen aufs Spiel gesetzt. Die Politik knicke vor der Energielobby von RWE, Eon, EnBW und Vattenfall ein. „Unsere Gegner wollen die Solarenergie aufhalten, bevor es zu spät ist.“
Doch der Energieausstieg ist unumkehrbar, wie Fritz Tackel betont. Als Ausstiegsbeauftragter der Bundesregierung überprüft der Klimawissenschaftler die Einhaltung der Ausstiegsziele und gibt Empfehlungen für die Umsetzung der Energiewende. PPQ sprach mit Tackel über das Ende des Energiezeitalters und die Probleme bei der gesellschaftlichen Unterfütterung der energielosen Gesellschaft.
Professor Tackel, Sie haben vor gut einem Jahr Empfehlungen zur Energiewende formuliert. Sind die noch aktuell?
Tackel: Sie sind weiter gültig und wichtig. Es gibt aber Themen, die man hinzunehmen muss. Was sich im vergangenen Jahr gezeigt hat ist, dass die gesellschaftlichen Fragen wichtiger sind und mehr Forschung benötigen als wir uns vorgestellt haben: Die Akzeptanz der Energiewende und der Umgang der Bevölkerung mit Energie.
Wir müssen Stromsparen lernen, wenn wir aussteigen wollen.
Tackel: Das ist das eine: Wie jeder einzelne persönlich mit Energie umgeht, mit Strom und Heizung. Da ist ein Umdenken nötig. Das müssen wir auch wissenschaftlich begleiten. Das andere ist: Wenn der Energieausstieg erfolgreich sein soll, wird es ohne große Infrastrukturprojekte nicht gehen. Wir müssen lernen, wie wir ohne Strom zurecht kommen, wie wir ohne Benzin mobil bleiben, wie wir den Ausbau der Windkraft vorantreiben, weil wir den Stahl und das Kupfer für unsere gigantischen neuen Offshore-Anlagen vor der Küste nur noch mit Strom aus Windrädern schmelzen können. Das sind Projekte, die eingreifen in das Leben der Menschen. Da muss man die Bevölkerung mitnehmen, frühzeitig beteiligen und ihre Impulse aufnehmen. Man kann nicht nur die Entscheidungen treffen und hinterher begründen. Das genügt nicht.
Wer muss die Überzeugungsarbeit leisten: Nur die Politik?
Tackel: Die Energiewende gelingt nur als Gemeinschaftswerk. Das ist ein altmodischer Ausdruck, aber der passt ganz gut. Hier muss nicht nur eine gesellschaftliche Gruppierung Verantwortung tragen. Die Politik ist stark gefordert, aber nicht ausschließlich. Zum Beispiel die Wissenschaftseinrichtungen, die Schulen und Universitäten, die Wirtschaft sind auch gefragt. das fängt früh an: Die Familien müssen ihre Kinder im Sinne des Energieausstiegs erziehen, ältere Brüder ihre Schwestern an die Hand nehmen.
Hat die Politik Ihre Empfehlungen umgesetzt - oder hinkt sie hinterher?
Tackel: Wir hatten auch ein Monitoring vorgeschlagen: Der Energieausstieg sollte immer wieder beobachtet werden, Korrekturen und neue Forschungsergebnisse eingebracht werden. Aber aus gründen der Energieeffizienz hat die Bundesregierung das abgelehnt. Ich würde aber nicht sagen, der Energieausstieg läuft nicht. Es sind schon acht Gesetze geändert worden, es ist einiges passiert, vor allem auf dem Papier. Der Energieausstieg ist ein sehr differenzierter Prozess, den man nicht von heute auf morgen bewältigt. Es geht ja nicht nur um den Atomausstieg bis 2022, es geht auch um den Rückbau der Solarenergie, den Protest gegen Windradparks, die Verhinderung unterirdischer CO2-Speichermöglichkeiten und immer wieder um Proteste gegen den Aufschluss neuer Braunkohletagebaue. Die größere Herausforderung wird sein, auch den Bau neuer Gaskraftwerke zu verhindern, um das Energiesystem absolut CO2-los zu gestalten, damit die Klimaziele erfüllt werden - wenn schon nicht im Rest der Welt, dann wenigstens bei uns. Das ist ein sehr ambitionierter Gesamtprozess.
Der nicht leichter wird, wenn Umwelt- und Wirtschaftsminister um Zuständigkeiten streiten. Brauchen wir ein Energieministerium?
Tackel: Es kommt vor allem darauf an, gut organisiert zu sein. Wir hatten in der Ethik-Kommission "Sicherer Energieausstieg" der Bundesregierung, in der ich Mitglied war, einen Energiebeauftragten vorgeschlagen - ähnlich wie der Wehrbeauftragte - und ein Forum Energiewende. Sie sehen, hier sitze ich. Für mich ist das ein beweis, dass auch der Energieausstieg Arbeit und Brot für viele Familien bringen kann.
Sind Sie skeptisch, ob der Energieausstieg gelingen wird?
Tackel: Nein. Anstrengen müssen wir uns schon. Ich bin aber von Hause aus optimistisch und sage: Das ist machbar. Aber der Energieausstieg ist natürlich kein Selbstläufer. Es muss sich auf vielen Ebenen etwas tun. Zum Beispiel benötigen wir auch eine neue Begründung für den Klimawandel. Diese zu entwickeln, das ist eine ganz große Herausforderung.
Ist eine Lösung in Sicht?
Tackel: Der Klimawandel ist eine Achillesferse des gesamten Prozesses. Da ist es nötig, neue Konzepte anzugehen. Es passiert einiges, es hat eine Beschleunigung gegeben, daran arbeiten viele Wissenschaftler. Der Durchbruch in der Breite fehlt aber noch. Man kann aber nicht erwarten, dass sich innerhalb eines Jahres völlig neue Technologien auftun.
Fukushima hat unsere Gesellschaft erschüttert, sehen Wissenschaftler nüchterner auf so eine Katastrophe?
Tackel: Mich hat das sehr berührt. Als Wissenschaftler muss man aber nüchtern analysieren: Kernkraft ist eine Technologie, die nicht ohne Risiken zu haben ist. Ob man die eingehen will, ist eine gesellschaftliche Frage. Deutschland hat sich entschieden, diese Risiken nicht mehr einzugehen. Forschen müssen wir in dem Bereich aber weiter. Zum Beispiel in der Frage des Atommülls. Es gibt etwa die interessante Möglichkeit, Isotope umzuwandeln in sogenannte Transmutationen. Damit könnte man die Halbwertszeit von nuklearem Abfall reduzieren. Dagegen gilt es Proteste zu organisieren. Denn den Abfall haben wir ja, ob Deutschland aus der Energie aussteigt oder nicht.
Doch der Energieausstieg ist unumkehrbar, wie Fritz Tackel betont. Als Ausstiegsbeauftragter der Bundesregierung überprüft der Klimawissenschaftler die Einhaltung der Ausstiegsziele und gibt Empfehlungen für die Umsetzung der Energiewende. PPQ sprach mit Tackel über das Ende des Energiezeitalters und die Probleme bei der gesellschaftlichen Unterfütterung der energielosen Gesellschaft.
Professor Tackel, Sie haben vor gut einem Jahr Empfehlungen zur Energiewende formuliert. Sind die noch aktuell?
Tackel: Sie sind weiter gültig und wichtig. Es gibt aber Themen, die man hinzunehmen muss. Was sich im vergangenen Jahr gezeigt hat ist, dass die gesellschaftlichen Fragen wichtiger sind und mehr Forschung benötigen als wir uns vorgestellt haben: Die Akzeptanz der Energiewende und der Umgang der Bevölkerung mit Energie.
Wir müssen Stromsparen lernen, wenn wir aussteigen wollen.
Tackel: Das ist das eine: Wie jeder einzelne persönlich mit Energie umgeht, mit Strom und Heizung. Da ist ein Umdenken nötig. Das müssen wir auch wissenschaftlich begleiten. Das andere ist: Wenn der Energieausstieg erfolgreich sein soll, wird es ohne große Infrastrukturprojekte nicht gehen. Wir müssen lernen, wie wir ohne Strom zurecht kommen, wie wir ohne Benzin mobil bleiben, wie wir den Ausbau der Windkraft vorantreiben, weil wir den Stahl und das Kupfer für unsere gigantischen neuen Offshore-Anlagen vor der Küste nur noch mit Strom aus Windrädern schmelzen können. Das sind Projekte, die eingreifen in das Leben der Menschen. Da muss man die Bevölkerung mitnehmen, frühzeitig beteiligen und ihre Impulse aufnehmen. Man kann nicht nur die Entscheidungen treffen und hinterher begründen. Das genügt nicht.
Wer muss die Überzeugungsarbeit leisten: Nur die Politik?
Tackel: Die Energiewende gelingt nur als Gemeinschaftswerk. Das ist ein altmodischer Ausdruck, aber der passt ganz gut. Hier muss nicht nur eine gesellschaftliche Gruppierung Verantwortung tragen. Die Politik ist stark gefordert, aber nicht ausschließlich. Zum Beispiel die Wissenschaftseinrichtungen, die Schulen und Universitäten, die Wirtschaft sind auch gefragt. das fängt früh an: Die Familien müssen ihre Kinder im Sinne des Energieausstiegs erziehen, ältere Brüder ihre Schwestern an die Hand nehmen.
Hat die Politik Ihre Empfehlungen umgesetzt - oder hinkt sie hinterher?
Tackel: Wir hatten auch ein Monitoring vorgeschlagen: Der Energieausstieg sollte immer wieder beobachtet werden, Korrekturen und neue Forschungsergebnisse eingebracht werden. Aber aus gründen der Energieeffizienz hat die Bundesregierung das abgelehnt. Ich würde aber nicht sagen, der Energieausstieg läuft nicht. Es sind schon acht Gesetze geändert worden, es ist einiges passiert, vor allem auf dem Papier. Der Energieausstieg ist ein sehr differenzierter Prozess, den man nicht von heute auf morgen bewältigt. Es geht ja nicht nur um den Atomausstieg bis 2022, es geht auch um den Rückbau der Solarenergie, den Protest gegen Windradparks, die Verhinderung unterirdischer CO2-Speichermöglichkeiten und immer wieder um Proteste gegen den Aufschluss neuer Braunkohletagebaue. Die größere Herausforderung wird sein, auch den Bau neuer Gaskraftwerke zu verhindern, um das Energiesystem absolut CO2-los zu gestalten, damit die Klimaziele erfüllt werden - wenn schon nicht im Rest der Welt, dann wenigstens bei uns. Das ist ein sehr ambitionierter Gesamtprozess.
Der nicht leichter wird, wenn Umwelt- und Wirtschaftsminister um Zuständigkeiten streiten. Brauchen wir ein Energieministerium?
Tackel: Es kommt vor allem darauf an, gut organisiert zu sein. Wir hatten in der Ethik-Kommission "Sicherer Energieausstieg" der Bundesregierung, in der ich Mitglied war, einen Energiebeauftragten vorgeschlagen - ähnlich wie der Wehrbeauftragte - und ein Forum Energiewende. Sie sehen, hier sitze ich. Für mich ist das ein beweis, dass auch der Energieausstieg Arbeit und Brot für viele Familien bringen kann.
Sind Sie skeptisch, ob der Energieausstieg gelingen wird?
Tackel: Nein. Anstrengen müssen wir uns schon. Ich bin aber von Hause aus optimistisch und sage: Das ist machbar. Aber der Energieausstieg ist natürlich kein Selbstläufer. Es muss sich auf vielen Ebenen etwas tun. Zum Beispiel benötigen wir auch eine neue Begründung für den Klimawandel. Diese zu entwickeln, das ist eine ganz große Herausforderung.
Ist eine Lösung in Sicht?
Tackel: Der Klimawandel ist eine Achillesferse des gesamten Prozesses. Da ist es nötig, neue Konzepte anzugehen. Es passiert einiges, es hat eine Beschleunigung gegeben, daran arbeiten viele Wissenschaftler. Der Durchbruch in der Breite fehlt aber noch. Man kann aber nicht erwarten, dass sich innerhalb eines Jahres völlig neue Technologien auftun.
Fukushima hat unsere Gesellschaft erschüttert, sehen Wissenschaftler nüchterner auf so eine Katastrophe?
Tackel: Mich hat das sehr berührt. Als Wissenschaftler muss man aber nüchtern analysieren: Kernkraft ist eine Technologie, die nicht ohne Risiken zu haben ist. Ob man die eingehen will, ist eine gesellschaftliche Frage. Deutschland hat sich entschieden, diese Risiken nicht mehr einzugehen. Forschen müssen wir in dem Bereich aber weiter. Zum Beispiel in der Frage des Atommülls. Es gibt etwa die interessante Möglichkeit, Isotope umzuwandeln in sogenannte Transmutationen. Damit könnte man die Halbwertszeit von nuklearem Abfall reduzieren. Dagegen gilt es Proteste zu organisieren. Denn den Abfall haben wir ja, ob Deutschland aus der Energie aussteigt oder nicht.