Wo nimmt so ein zartes Mini-Tier nur seine geballte Maxi-Energie her? Das kann doch alles gar nicht sein! Während ich mich in den frühen Stunden des Tages und als über die Jahrzehnte erprobter Morgenmuffel noch wie ein totaler Schlaffsack fühle, absolviert unsere Wildkatze bereits schwungvoll ihr volles Programm an olympiareifen und goldverdächtigen akrobatischen Übungen. Eine ausgeklügelte und bis ins feinste Detail abgestimmte Mischung aus Pflicht und Kür! Immerhin, die Baby-Muskeln wollen klettern, bis sie ganz, ganz groß und stark sind, und man, sprich Katze, nicht erst den Stuhl erspringen muss, bis man, sprich Katze, endlich auf dem Tisch sitzt. Das wird schon bald in einem Rutsch gehen! Die winzigen Tatzen mit den nadelspitzen Krallen üben sich zudem im flotten Fangen, und auch gerade jetzt - in diesem, meinem Moment des Schreibens - müssen meine bereits leicht lädierten Finger auf der Tastatur zu Katzen-Übungszwecken herhalten. Wer ist schneller? Der Mensch, der tippt? Oder die Wildmieze, die die Pfötchen schwingt?? Und dann noch der gesamte Energieaufwand für den imposanten Schnurrmotor des Tieres! Ein Meisterwerk der Natur! So viel Kraft in so einem kleinen Körper. Und bei allem, was die Katze tut, herrscht immer ein höchstes Maß an Aufmerksamkeit. Denn: Das, was jetzt gespielt wird, ist wahr. Ist Realität. Wie bei uns Menschen ja eigentlich auch. Doch gelingt es uns nicht annähernd so spielerisch leicht wie der Baby-Katze, im Hier und Jetzt zu sein. Und ich spekuliere einmal darauf los, dass genau in dieser, unserer Unfähigkeit, in unserer tatsächlichen Realität zu leben, und in der beneidenswerten Brillianz des Kätzchens, genau das zu tun, was wir nicht ordentlich hinkriegen, die Antwort liegt: warum uns Menschen so schnell die Puste ausgeht. Und dem Tier nicht. Ich halte uns an sich nicht für vom Universum benachteiligt, nein, unsere Probleme schaffen wir uns schon selbst. Das können wir wirklich. Fragt man mal so in die Runde, sind wir eigentlich immer ganz wo anders, außer in unserem tatsächlichen Leben. Unserer Realität, die nur jetzt in diesem einzigartigen Moment unseres Erdendasein stattfindet. Wir plagen uns scheinbar lieber mit der Vergangenheit oder planen unerreichbare Luftschlösser für die Zukunft. Wobei das eine definitiv ´rum ist, das andere so gut wie definitiv nicht stattfinden wird. Auf den Punkt gebracht: Wir machen uns verrückt. Mit Dingen, die nicht mehr zu ändern sind, und Dingen, die wir nicht ändern können, sollten sie denn überhaupt unseren Lebensweg kreuzen. Wir sorgen uns. Wir ängstigen uns. Und das kostet unsagbar viel Energie. Irgendwie dumm gelaufen. Bis jetzt. Denn gerade hier und jetzt, in diesem Moment unseres Lebens, in dem einzigen, winzigen, wunderbaren Moment, der tatsächlich existiert, in diesem Zeitfenster, können wir eine Entscheidung treffen! Die Entscheidung, unsere kostbare Energie für den Augenblick zu nutzen. Etwas zu erledigen, weil jetzt die Zeit dafür ist. Und Punkt. Oder auch jetzt die Situation zu genießen, um Kraft zu tanken und unsere Ressourcen sogar aufzufüllen. Das bedeutet natürlich nicht, nicht mehr zu träumen, nicht mehr zu visualisieren und zu planen, denn das wiederum wäre das Ende unserer Welt. Unseres Schaffens. Aber doch bitte im gesunden Maße. Tagträume zum Beispiel sind ein wahrer Genuss, wenn sie Kreativität und nicht Fluchtverhalten symbolisieren. Und Planung kann richtig Spaß machen und ordentlich Energie freisetzen, solange ganz viel Flexibilität mit im Spiel ist. Alles in allem: Gelassen den aktuellen Augenblick zu erleben, das sollte doch d´rin sein. Dann könnte es glatt geschehen, dass wir doch tatsächlich genügend Energie in uns haben, unser Leben in unserem individuellen Sinne zu gestalten. In seiner Gesamtheit, aber mit dem Augenmerk auf das, was tatsächlich ist. Jetzt. Und auch, um jetzt sofort Katzen-Kraftfutter einkaufen zu gehen, damit das kleine Wildtier bei Olympia tatsächlich Gold gewinnt. Auf dem Siegertreppchen steht es bei uns ja schon sowieso.