Endstation Euro: Frankreichs unerfüllter Traum

Wir haben uns nicht immer lieb gehabt, in den vergangenen 200 Jahren. Genau genommen haben wir uns manchmal gehasst. Sogar Krieg geführt haben wir gegeneinander. Mehr als einmal. Zu unterschiedlich sind wir in unserem Lebensgefühl und unseren Weltanschauungen. Aber wir haben uns irgendwie arrangiert. Weil wir mussten. Und so teilen wir Deutsche mit unseren französischen Nachbarn inzwischen gar eine Währung. Wer hätte das noch vor zwei Generationen jemals für möglich gehalten? Doch ist das wirklich ein Fortschritt? Gemessen an den Äußerungen aktueller französischer Regierungsmitglieder muss man daran zweifeln. Und so geht der heutige „Klodeckel“ an Frankreichs Industrieminister Arnaud Montebourg. Mit Francois Hollandes Amtsantritt im vergangenen Jahr erlebte Frankreich eine Zäsur. Erstmals seit der Euro-Einführung haben nun die Sozialisten das Sagen, und das ausgerechnet in der bedrohlichsten Krise des Kontinents seit 80 Jahren. Man musste trotz der vielbeschworenen „deutsch-französischen Freundschaft“ auf das Schlimmste gefasst sein. Leider haben sich die Befürchtungen in vielerlei Hinsicht bestätigt. Es gehört zur sozialistischen Ideologie, das eigene Schicksal überwiegend als fremdbestimmt zu begreifen, vor allem immer dann, wenn die Dinge nicht so gut laufen. Wir kennen das aus Deutschland von der SPD: Schuld hat die Gesellschaft, die zu wenig für den Einzelnen tut, nicht etwa der Betroffene selbst. Und so empfindet die derzeitige politische Elite Frankreichs das wirtschaftliche Desaster im Land der Froschschenkel und Schnecken denn auch nicht als selbstverschuldet. Lieber zeigt sie mit dem Finger auf den erfolgreichen Nachbarn, den man inzwischen wieder ein bisschen mehr hasst als liebt. Deutschland mit seinen zu niedrigen Löhnen, so Monsieur Montebourg, sei nämlich Schuld daran, dass es Frankreich einfach nicht gut geht. Der Herr Minister besteht darauf, „dass es hier zu einer Angleichung zwischen den Ländern kommt“. Nun kann man dies auf mindestens zwei Arten erreichen, nämlich auf die eher unbequeme (man ändert selbst etwas) oder die bequeme (die anderen müssen sich ändern). Montebourg, der die deutsche Regierung recht uncharmant mit einem „Klassenlehrer“ vergleicht, „der für alle entscheidet”, empfiehlt Letzteres: Deutschland muss sich ändern. Seine einfache Logik: Wenn deutsche Unternehmen höhere Löhne zahlen, sinkt deren Wettbewerbsfähigkeit und Frankreich kann aufholen – voilà! Es treibt einem angesichts solch unverhohlener Chuzpe die Zornesröte ins Gesicht! Montebourgs Vorstoß dokumentiert die ganze Verzweiflung einer Regierung, die schon nach einem Jahr mit ihrem Latein am Ende ist. „Sozialismus pur“ haben sie probiert – und sind vollends gescheitert. Dabei hatten sie in Osteuropa über Jahrzehnte erstklassigen Anschauungsunterricht nehmen können. So ist Frankreich heute der „kranke Mann“ Europas und gehört wirtschaftlich bei genauer Betrachtung schon längst nicht mehr in den Euro-Club. Aber wir müssen sie eben behalten, weil niemand vorhersehen kann, wie sich eine beleidigte „Grande Nation“ verhält. Eines lässt sich jedoch eindeutig festhalten: Frankreichs Hoffnungen an den Euro haben sich nicht erfüllt. Der Plan war raffiniert, doch Deutschland erfand die „Agenda 2010“. Und so haben Napoleons Erben den ungeliebten Nachbarn von der anderen Rheinseite auch 200 Jahre nach der Völkerschlacht bei Leipzig nicht bezwingen können – trotz Einheitswährung.


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