Endstation Bahnfahrt

Von Olekrueger

Es gibt viele Wege, nicht nur nach Rom, sondern auch aufs Land. Oder in die Stadt. Mit dem Flugezug in die größeren, mit dem Auto oder dem Bus in die kleineren Städte und auch Dörfer. Einige Wege führen auch mit der Bahn dorthin. Doch das sind, wie es derzeit aussieht, die denkbar schlechtesten Wege. Wer mit der Bahn innerhalb Deutschlands irgendwo hinfährt, muss mit einer Reise in die Vergangenheit rechnen.

Berlin – Genthin. Etwa 90 Minuten Fahrtzeit. Eine Reise durchs Brandenburger Land. erinnerungen an ein Lied werden wach. Doch bis Golm ist alles schön. Naja, der Zug ist rammelvoll. Weil viele nach Golm wollen. Studenten, Professoren und sonstige Angstellte, die auf dem Golmer Campus der Uni Potsdam arbeiten. Auch der Bahnsteig Golm, ein Bahnhof ist es wohl eher nicht, macht einen recht ordentlichen Eindruck. Der Zug ist gerade noch pünktlich. Doch dann gehts bergab. Mit der Pünktlichkeit. Und mit den Stationen. Die Fahrt nach 1989 beginnt. Oder 1945?

Man kann es nicht so genau ausmachen. Kurz vor der Stadt Brandenburg jedenfalls stehen am Gleises-Rand Ruinen, die einst, oder immer noch, scheinbar der Bahn zugehörig sind. Teils von Feuer und Rauch geschwärzt, wohl Schäden druch Bombenangriffe 1944. Direkt daneben stehen einstige Schrankenwärterhäuschen, die den Krieg, aber nicht die Zeit bis 1989 überlebt haben. Die Dächer fehlen, die Fenster und Türen auch. Sind wohl in der benachbarten Gartenanlage gelandet und dort vor langer Zeit in der einen oder anderen Laube verbaut worden.

Der Bahnhof Brandenburg selbst besteht aus zwei halb-überdachten Bahnsteigen, auf denen neue Schilder davor warnen, zu dicht an die Gleise zu treten. Neu ist wohl auch die Glastür zum Bahnhof einmal gewesen, als das Glas noch drin war. Alles andere aber wirkt wie Großkorbetha. Vor der Wende. Der einzige Fahrkartenautomat ist außer Betrieb, der Kiosk mit der Coca-Cola- und Bockwurst-Reklame längst geschlossen und das Rauchen-Verboten-Schild wirkt wie ein Badeverbotsschild an einem weißen Karibik-Strand. Jeder, der dort (warum auch immer) rumsteht, hat ne Kippe in der Hand. Dann geht die Fahrt weiter.

Vorbei an Kirchmöser. Und Wusterwitz. Jweils ein kurzer Halt. Niemand steigt aus. Warum auch? Was soll hier jemand wollen? Oder wohnt da noch jemand? Geht man nach den Bahnhöfen, muss das Vergangenheit sein. Hier kann keiner mehr leben. Jedenfalls nicht freiwillig. Vielleicht ja ein paar Umsiedler, ein paar Ausgestoßene. Oder vielleicht auch die Restbelegschaft oder deren Nachkommen vom einstigen Panzerwerk.

Und dann ist es auch in der Bahn mit der Zivilisation zu Ende. Die fehlenden Balken auf dem Handy signalisieren: Kein Netz. Keine Verbindung mehr zur normalen Welt. Aus. Jetzt gehts richtig in die Bahn-Provinz. Nur eine junge Dame, die einzige, die neben mir noch in diesem Waggon ausharrt, scheint Verbindung zu haben. Doch auch ihre Worte sind nicht gerade ermunternd. Du, Mutti, mein Verfahren ist gegen Auflagen eingestellt worden. Ich muss halt verschiedene doofe Sachen machen. Oder aber die Strafe zahlen. Kannst du mir bitte… Wenn jetzt der Schaffner (oder Zugbegeleiter, wie es wohl heute heißt) kommen würde, die Fahrkarten kjontrollieren, dann würde ich ihm mal so richtig die Meinung sagen. Übder Bahn. Und Pünktlichkeit. Und Bahnhöfe. Doch der kommt natürlich nicht. Wozu auch. Wer fährt schon diese Strecke?