Endspiel – Jetzt wird es eng im Hosenanzug

Von Uhupardo

Der ESM wird am 1. Juli nicht kommen, der Bundespräsident unterschreibt nicht bis das Verfassungsgericht die Lage klar sieht. Joachim Gauck hat keine Lust, sich die Finger zu verbrennen. Der IWF kritisiert die deutsche Regierung mit harten Worten. Österreichs Notenbankchef Nowotny bemüht einen Nazi-Vergleich, um Berlin vor den Folgen deutscher Politik zu warnen. Italiens Regierungschef Mario Monti versichert, es gebe eine Woche Zeit, um den Euro zu retten. Jetzt wird es wirklich eng im Hosenanzug der Kanzlerin!  Sind in Berlin überforderte Psychopathen am Werk, wie Wolfgang Münchau glaubt?

Die 700 Milliarden des ESM wird es vorerst nicht geben, der EFSF ist dagegegn so gut wie aufgebraucht. Eine Nacht- und Nebelaktion des Bundesrats am 29. Juni bleibt hilflos, denn Gauck wird nicht unterschreiben, bis Karlsruhe grünes Licht gibt, wie er gestern versicherte. Ohne diese 700 Milliarden kann es keine nächste Rettungsaktion geben. Wenn Spanien oder Italien – oder beide – von “den Märkten” heftig attackiert werden sollten in den kommenden Tagen, geht dem Euro definitiv die Luft aus.


Christine Lagarde: IWF fordert sofortigen Kurswechsel der Bundesregierung.

Christine Lagarde weiss das und attackiert die Merkel-Regierung erstmals direkt und frontal. Man müsse jetzt die Banken direkt rekapitalisieren, foderte der IWF heute, ohne den Umweg über den Staat zu machen; eine Möglichkeit, die Berlin strikt ablehnt. Die Schulden von Banken und Staat müssten jetzt endlich entkoppelt werden, fordert Lagarde unmissverständlich. Sie fürchtet, Spanien und Italien könnten fallen, wenn Berlin seine messianische Quadratschädel-Mission nicht aufgibt. Und “Eurobonds mit klaren Regeln” verlangt der IWF zum ersten Mal ausdrücklich, was bei der Bundeskanzlerin Sodbrennen auslösen dürfte.

Österreichs Notenbankchef Ewald Nowotny verpasst Merkel ebenfalls eine fette Breitseite. Massnahmen wie die zu strikte Sparpolitik im Kampf gegen die Euro-Krise hätten zum Aufstieg der Nationalsozialisten Anfang der 30er-Jahre geführt, warnt er. Der in den 20er-Jahren begonnene Sparkurs habe Massenarbeitslosigkeit, den Zusammenbruch der Demokratie und die Machtübernahme durch die Nazis zur Folge gehabt. Ähnliche Ermahnungen kommen immer wieder aus den USA, wo der Merkel-Kurs auch keine Freunde mehr hat: Man dürfe nicht die Konjunktur eines ganzen Kontinents durch einen rigiden Sparkurs abwürgen.


Ewald Nowotny: “Wie vor der Machtübernahme durch die Nazis.”

Zehn entscheidende Tage im Endspiel um den Euro haben begonnen – auf dem Spiel steht jedoch viel mehr als der alberne Name einer Währung auf irgendwelchen Geldscheinen. Spanien wird sich in die Reihe der “geretteten Staaten” einreihen. Niemand glaubt im Ernst, dass die Lage mit der Banken”rettung” im Wert von 62 Milliarden bereinigt ist. Sitzung der Eurogruppe heute, Ecofin morgen und ebenfalls morgen der Mini-Gipfel zwischen Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien in Rom. Am nächsten Wochenende dann der entscheidende Gipfel der Staats- und Regierungschefs in Brüssel – mehr Zeit bleibt nicht!

Wenn die Krise nicht in Spanien aufgehalten werden kann, was derzeit ausgeschlossen scheint, fällt Italien ebenfalls, was mehr als wahrscheinlich ist. Beide Länder zusammen stellen ein Viertel des Bruttoinlandsprodukts der Eurozone dar, viel zu viel, um “gerettet” werden zu können. Ohne ESM sowieso nicht. Bankenunion, Fiskalunion, Eurobonds, sogar politische Union – es würde vermutlich all das brauchen, um die Situation wirklich entschärfen, den tatsächlich regierenden Märkten das Heft aus der Hand nehmen zu können.


Wolfgang Münchau: “Überforderte Psychopathen in Berlin.”

Angela Merkel, die sich immer noch im Besitz der exklusiven politischen Wahrheit wähnt (“sparen, sparen, sparen”) steht inzwischen komplett allein im Raum, umringt von Politikern und Institutionen, die nur noch grimmig mit dem Kopf schütteln. Währenddessen nehmen die Nazi-Vergleiche zu, nicht nur in Griechenland. Heute schreibt der Analyst Anatole Kaletsky bei Reuters, Berlin sei erneut eine Gefahr für Europa. Wolfgang Münchau sieht Deutschland vor einer Hysterie-Attacke wie 1933 und sieht überforderte Psychopathen am Werk: “Man erwartet von Angela Merkel keine Opfer, sondern lediglich die Bereitschaft, ein Problem zu lösen. Stattdessen sucht sie Zuflucht in langfristigen Themen wie die politische Union. Das ist so, als würde eine Feuerwehr bei einem Brand anrücken, aber anstatt zu löschen, erst einmal erklären, was alles nicht gelöscht werden wird, und sich vor dem Einsatz alle möglichen Papiere unterschreiben und ratifizieren lässt. Ist es ein Minderwertigkeitskomplex, der diese irrationale Haltung bestimmt? Oder die Unfähigkeit, über den eigenen Teller hinauszusehen? Oder vielleicht ein Unverständnis ökonomischer Ereignisse?”

Doch Berlin reagiert nicht! Ein europäischer Diplomat weiss warum: “Merkel wird nicht reagieren, egal was in Spanien und Italien passiert – erst wenn Frankreich angegriffen wird. Deswegen sollten sich Frankreich, Spanien und Italien jetzt zusammentun, um die Thesen Berlins zu durchbrechen, die Europa an den Abgrund einer nicht mehr zu bewältigenden Depression führen.”

Es wird spannend in den kommenden zehn Tagen – eine Spannung, auf die man gut verzichten könnte. Hauptsache Deutschland kommt ins Finale.