Gute Blogs sind rar. Während man sich über Mode, Musik und Belanglosigkeiten an jeder Ecke informieren kann, sind sachliche, pointierte und engagierte Äußerungen zu Politik, Gesellschaft, Medien, Menschenrechten und sozialen Themen mangelware geworden. Darum freut es mich ganz persönlich außerordentlich, dass der blinde marburger Journalist Franz-Josef Hanke, den ich meinen Freund nennen darf, endlich sein eigenes Blog eröffnet und dem Chor der engagierten seine gewichtige Stimme im Internet hinzufügt.
Nicht, dass er das nicht schon seit 15 Jahren ausgiebig täte. Sein Journalistenbüro, die Onlinezeitung für Marburg, der Regionalverband der humanistischen Union, die Präsenz des marburger Leuchtfeuers für soziale Bürgerrechte, die Kabarettgruppe “Durchblicker“, die Medienlinks, Hörbuchtipps sowie die Seiten des Vereins “Arbeitskreis barrierefreies Internet” legen beredtes Zeugnis für seine vielfältigen Aktivitäten ab. Nebenbei hat er auch viele andere Menschen, Praktikanten und Freunde, zu eigenen Internetauftritten bewogen. Aber es fehlte seine persönliche Sicht auf die Welt, wo er frei von Organisationsstrukturen seine Meinung sagt, mit der ihm eigenen Eloquenz und dem Scharfsinn, den ihm Beruf und Lebenserfahrung angedeihen lassen. Diese Lücke schließt Franz-Josef Hanke nun mit seinem persönlichen Blog, was mich sehr freut, auch und gerade, weil wir vermutlich nicht immer, aber immer öfter, einer Meinung sein werden.
Am 24. Januar 1998 gegen 15 Uhr marschierte ich an der Spitze eines Demonstrationszuges von rund 250 behinderten Menschen durch Marburg. Uns empörte ein Urteil des kölner Landgerichts, das eine Wohngruppe von sieben geistigbehinderten Menschen in Düren fast immer in ihr Haus einsperrte, weil sich der musikliebende Nachbar durch die teilweise lauten Äußerungen der Gruppe gestört fühlte. Ich war damals Vorstandsmitglied des Vereins “Behinderte in Gesellschaft und Beruf (BiGuB) e. V.” und machte meiner Empörung auch im Internet Luft, wo ich seit etwas mehr als einem Jahr eine eigene Homepage betrieb. Plötzlich näherte sich von rechts hinten ein Mann mit schnellen Schritten, blieb neben mir stehen und fragte: “Und? Wie viele seid ihr?” Es war Franz-Josef Hanke. Ich wandte mich kurz vom Megafon ab und ihm zu und sagte ihm, dass ich es nicht genau wisse. Kommentarlos blieb er stehen, ließ den Demonstrationszug an sich vorbeiziehen, schloss dann wieder zu mir auf und sagte: “250 bis 275 Personen etwa”. Die Polizei bestätigte seine Einschätzung später ziemlich genau. So habe ich ihn kennengelernt, und seither haben wir viele gemeinsame Aktionen durchgeführt: Wir gründeten den Arbeitskreis barrierefreies Internet und vergaben einen Preis für besonders zugänglich gestaltete Webseiten, den “gordischen Webknoten”, wir setzten uns mit einer Unterschriftenaktion beim Regierungswechsel 1998 für einen Behindertenbeauftragten der Bundesregierung ein, der selbst behindert war, und brachten damit die offiziellen Behindertenverbände, die eine Kompromisslösung verfolgten, in arge Bedrängnis. Franz-Josef Hanke brachte mir bei, wie man Presseerklärungen schreibt, wie man Nachrichten verfasst. Anfangs unterstützte ich ihn bei Internetangelegenheiten, bis er sich selbst zum Experten mauserte. Seine anfängliche Skepsis gegenüber dem neuen Medium schlug in Begeisterung und ein wahres Feuerwerk von Aktivitäten um. Er gehört zu den Leuten, die mich darin bestärkt haben, selbst Internetprovider zu werden, und er hostet die beiweitem größte Anzahl von Domains auf dem von mir verwalteten Webspace. Seit 2005 begleitet er wohlwollend mein eigenes Blog, aber auch meine Radiotätigkeit. Er war bei der Sendung dabei, die ich am 11. September 2006 zum fünften Jahrestag der Anschläge auf das WTC veranstaltete. Sie hatte eine der größten Sendungen werden sollen, aber sie wurde sehr anstrengend, ich hatte wegen des vollen Programms für 5 Stunden Sendung nur 5 Musikstücke eingeplant, und ich spielte ein Interview mit dem Hörfunkjournalisten Herbert Bopp, das 45 Minuten dauerte, an einem Stück ab, ein unverzeihlicher Fehler im Radiojournalismus. Franz-Josefs Kritik war sachlich, aber vernichtend, und nach einem Moment persönlicher Verletztheit habe ich daraus gelernt, denn sie galt nicht meiner Person, sondern dem, was ich beim nächsten mal besser machen könnte.
Bei manchem Kaffee und hin und wieder auch bei einem Wein hat mir Franz-Josef in seiner meist humorvollen Art von vielen Dingen erzählt, die ihn geprägt haben. Von seinem Engagement in der Anti-Atomkraft-Bewegung und den hessischen Grünen, von besonderen journalistischen Erfahrungen, aber auch vom St.-Martins-Singen in seiner Heimatstadt Bonn und von den interessanten und vielseitigen Menschen, die er dort kannte und kennt. Seit mehr als 30 Jahren setzt er sich persönlich und journalistisch für Menschen- und Bürgerrechte, soziale Gerechtigkeit, Umweltschutz und Friedenspolitik ein. Für dieses Engagement wurde er 2005 mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt.
Dieser außergewöhnliche Journalist und Bürgerrechtler hat nun sein persönliches Blog eröffnet. Diese Stimme hat es ganz sicher verdient, Gehör zu finden.
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