… als ich das erste Mal von Hörbuch hörte an die Reihe und um Lincoln Rhyme aus der Feder von Jeffrey Deaver. Ich dachte zunächst, hier hätte ein deutscher Autor ein ganz ähnliches Konzept entwickelt das sich mit den Stärken und Schwächen einer Protagonistin für eine Ermittlung auseinandersetzt. Doch schon wenig später musste ich mit den ersten Minuten des Hörbuchs erkennen, dass es sich hierbei um etwas ganz anderes handelte. Tatsächlich war Andreas Pflügers Protagonistin aufgrund ihres Handicaps (sie ist erblindet) einem Protagonisten wie Lincoln Rhyme ähnlich, dass ihre Anlage angeht und natürlich steht ihr Handicap auch in diesem Thriller im Mittelpunkt. Der Thriller als solcher ist recht atemberaubend und energiegeladen, jedoch frage ich mich als Hörer einer überragenden Nina Kunzendorf wie realistisch eine solche Handlung ist. Wann immer ich einen Thriller höre oder lese beschäftige ich mich immer auch mit der Frage, die realistisch das ist, was ich hier höre. Bei diesem Buch erscheint alles recht schlüssig, bis auf die Tatsache, dass es mutmaßlich keinen einzigen blinden gibt, der ein solches Leben überleben würde.
Eine Protagonistin mit Kämpferherz, Durchsetzungsvermögen und Stärke – eine Protagonistin mit Ecken und Kanten
Wenn man sich das erste Mal mit Jennifer Aaron beschäftigt, so kommt man nicht umher zu merken, dass zwischen ihrem früheren Leben als Elitepolizistin und ihrem jetzigen Leben offenbar eine strikte Grenze verläuft. Ihr früheres Leben und ihr aktuelles scheinen sich deutlich voneinander zu unterscheiden. Diesen Eindruck hat man zumindest zu Beginn. Erst im Verlauf des Buches merkt man, dass sich ihre beiden Leben gar nicht so sehr voneinander unterscheiden, denn eines verbindet ihr früheres und ihr aktuelles Leben miteinander: Sie hat das Herz seiner Polizistin. Jennifer Aaron ist eine Protagonistin, die sehr rational interagiert, wenig Gefühl zulässt und mit der man sich als Leser oder Hörer der Geschichte auf den ersten Blick unbedingt identifizieren möchte. Sie ist robust, eine Kämpferin, selbstständig und alles andere als einfach. Vermutlich war sie das auch in ihrem früheren Leben nicht, denn sonst wäre sie wohl kaum die erste Polizistin gewesen, die in ihrer Abteilung arbeitete als eine Frau unter Männern in einer Männerdomäne. Als Thriller selbst tritt durch ihre Charaktere keinesfalls in den Hintergrund, vielmehr erscheint er als Selbstläufer, die Figuren selbst tragen zum Erfolg oder auch zum Scheitern des Thrillers bei. Der hier beschriebene Thriller enthält viele Charaktere, die bei genauerer Betrachtung vielschichtige und lebendiger erscheinen, als eines vielleicht auf den ersten Seiten erwartet hätte. Auch das Hörbuch entwickelt einen gewissen Sog, sodass man gar nicht aufhören möchte, dieses Buch zu hören.Die Handlung
Betrachtet man die Handlung genauer, so stellt man fest, dass der Fall selbst gar nicht so ungewöhnlich ist. Aaron wird im Rahmen einer Ermittlung angefordert, dass sie vor Jahren mit der Festnahme eines Straftäters zu tun hatte, der nun im Gefängnis eine Person ermordet haben soll. Gleichzeitig gibt es in einem anderen Fall Aspekte die dringender Untersuchung bedürfen. Als es zeitgleich zu einer Geiselnahme kommt, ist Aaron mittendrin und die Ereignisse beginnen sich zu überschlagen. Die Handlung erstreckt sich auf insgesamt nur 48 Stunden und Andreas Pflüger konzipiert sie so, dass die atmosphärisch dicht ist und sich fast so anhört, wie ein Film im Kino. Lebendig wird die Erzählung selbst dann auch noch durch die Stimme von Nina Kunzendorf, die Aaron lebendig werden lässt. Der Fall selbst war für mich nicht der Grund, warum ich dieses Hörbuch hören wollte, vielmehr als die Verstrickung des Falls und die Situation der Charaktere. Der Klappentext ließ bereits vermuten, dass es sehr spannend werden könnte:"In ihrem ersten Leben war Jenny Aaron eine Elitepolizistin mit überragenden Fähigkeiten. In ihrem zweiten ist sie Verhörspezialistin und Fallanalytikerin beim BKA. Sie spürt das Verborgene und versteht es, zwischen den Worten zu tasten. Denn seit einem missglückten Einsatz in Barcelona vor fünf Jahren ist Jenny Aaron blind und traumatisiert. Doch „Barcelona” war nicht der schlimmste Tag ihres Lebens. Sie hat sich geirrt — der schlimmste Tag ihres Lebens ist heute." (Klappentext)